Errors of the Human Body (Blu-ray)

Eine Filmkritik von Stefan Dabrock

Genpotenzial

Auf den Spuren der Biologie sowie der Genwissenschaft sucht Regisseur Eron Sheean im menschlichen Drama nach der Spannung zwischen Thriller und Tragödie. Rätselhaftigkeit, Forschungshybris und der Widerstreit rationaler sowie emotionaler Aspekte prägen seinen eindringlichen Film.
Der prominente Forscher Geoffrey Burton (Michael Eklund) reist auf Einladung eines renommierten Instituts nach Dresden, wo er seine ehemalige Assistentin und Ex-Geliebte Rebekka Fiedler (Karoline Herfurth) bei ihrer Arbeit unterstützen soll. Sie führt seine Forschung, die er nach dem tragischen Tod seines Sohnes durch eine seltene Genkrankheit begonnen hatte, mit eigenen Ansätzen weiter. Rebekka befindet sich trotz der faszinierenden Entdeckung des sogenannten Oster-Gens, das die Zellreproduktion massiv beschleunigt, in einer wissenschaftlichen Sackgasse. Während sie versucht, eine erneute Zusammenarbeit mit Burton zu organisieren, entdeckt dieser, dass Rebekkas Kollege Jarek Novak (Tómas Lemarquis) eine riskante Geheimforschung betreibt. Burton versucht, Jarek zu stoppen.

Auch wenn der Thriller-Handlungsstrang um Jarek in der zweiten Hälfte des Films etwas an Fahrt gewinnt, ist Errors of the Human Body in erster Linie ein ruhig erzähltes Drama über den Konflikt zwischen kühler Forschungsmechanik und menschlichen Gefühlen. Am Anfang stand die Tragödie eines Säuglingstodes, die Burton angetrieben hat, auf diesem Gebiet zu forschen. Als rationaler Wissenschaftler hat er sich mit unübersehbaren Folgen für das Privatleben in seine Aufgabe verbissen. Die Ehe ist Geschichte, das Schicksal seines Sohnes benutzt er mit sachlicher Strenge für Vorträge und eine Affäre mit seiner Assistentin liegt hinter ihm. Als Burton in Dresden ankommt, um seine Ex-Geliebte bei der Forschung zu unterstützen, hat ihn der rationale Wissenschaftseifer, den Eron Sheean mit diesen prägnanten Indizien andeutet, bereits zu einem gebrochenen Mann gemacht. Denn trotz der Konzentration auf die Stärke des Geistes kann Burton die Tragödie nicht abschütteln, mit der alles begann. Seine Forschung ist keine Auseinandersetzung mit dem Schicksalsschlag, sondern eine Art Flucht.

Michael Eklund läuft als Burton durch den Film, als habe er mit einer Mischung aus Dauer-Jetlag und permanenter Übelkeit zu kämpfen. Das blasse Gesicht spiegelt in Verbindung mit der hageren Gestalt und dem stets angestrengt-müden Blick die schwindenden Kräfte des Wissenschaftlers wieder. Mit schönen, aber kühlen Winteraufnahmen kreiert Sheean eine Atmosphäre, die perfekt zu den sterilen Fluren des modernen Wissenschaftsgebäudes aus Glas und Stahl passt, in dem der logikorientierte Forschungsbetrieb auch für Burton weitergehen soll. Aber der innere Konflikt lässt eine reibungslose Eingliederung nicht mehr zu, die Kraft der menschlichen Tragödie ist so stark, dass sich neue Brüche zeigen. Burton sieht mit zunehmender Lauflänge des Films immer fertiger aus. Rückblenden reflektieren seine inneren Dämonen, die schließlich in einem Albtraum aus Labormäusen kulminieren, die aus einer Wunde seines Kopfes zu quellen scheinen. Der Niedergang des Wissenschaftlers ist unvermeidlich, weil er die Menschlichkeit zugunsten reiner Logikhörigkeit aufgegeben hat. Eron Sheean entwickelt auf schleichende Weise aus dem Drama Burtons die Frage nach der richtigen Balance im Wissenschaftsbetrieb. Ohne emotionales Korrektiv droht der Untergang.

In diesem Sinne flankieren die Nebenfiguren Rebekka und Jarek das zentrale Drama. Während sich Rebekka ihre Emotionalität bewahrt hat, sucht Jarek nur nach dem Erfolg. Die Konfrontation Burtons mit Jarek ist deswegen der Blick in einen Spiegel, was aus ihm ohne den Schicksalsschlag hätte werden können, und Rebekka erinnert ihn an die sozialen Qualitäten der menschlichen Natur. Sheean macht es sich aber nicht so einfach, die karriereorientierte Art Jareks, die schließlich zu handfesten, spannungsorientierten Auseinandersetzungen um die Forschungshoheit führen, in Bausch und Bogen zu verdammen. Stattdessen legt er am Ende nahe, das beide Seiten in eine ausgewogene Balance gebracht werden müssen. So entwickelt sich Errors of the Human Body zu einer faszinierenden Auseinandersetzung mit den Fragen nach ethischen Grenzen der Forschung, der Natur des Menschen und den Grundlagen eines Fortschritts, der den Menschen in seinem Wesen intakt lässt. Denn ohne die Bewahrung der Integrität zerstören Wissenschaftserfolge und versinken in Sinnlosigkeit.

Das Bonusmaterial besteht aus einem etwa 12-minütigen, amüsant animierten Interview mit Regisseur Eron Sheean, der einige interessante Anmerkungen zur Inspiration für den Film und zu einigen gestalterischen Aspekten macht, sowie einem Trailer zum Film.

Errors of the Human Body (Blu-ray)

Auf den Spuren der Biologie sowie der Genwissenschaft sucht Regisseur Eron Sheean im menschlichen Drama nach der Spannung zwischen Thriller und Tragödie. Rätselhaftigkeit, Forschungshybris und der Widerstreit rationaler sowie emotionaler Aspekte prägen seinen eindringlichen Film.
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Meinungen

cinefilu · 17.07.2019

great movie!