Erinnerungen an Marnie (2014)

Eine Filmkritik von Peter Osteried

Von nostalgischer Schönheit

Wenn Erinnerungen an Marnie – hier hätte man übrigens einen etwas weniger verräterischen Titel wählen können – wirklich der letzte Studio-Ghibli-Film ist (oder zumindest der letzte auf Zeit), dann ist es ein Werk, das einen bittersüßen, weil so unendlich schönen Abschied liefert.

Anna ist ein zwölfjähriges Mädchen, das sich von allem zurückzieht. Darum schickt ihre Adoptivmutter das Mädchen zu Verwandten, wo es zu sich finden soll. Tatsächlich geht es Anna auch besser, als sie Marnie kennenlernt, ein Mädchen, das in einem Haus wohnt, welches zu Fuß nur bei Ebbe zu erreichen ist. Die beiden werden schnell Freunde und versprechen einander, niemanden von ihrer Freundschaft zu erzählen. Während Anna immer mehr aufblüht, scheint Marnie hingegen immer mehr zu verblassen – und das junge Mädchen muss sich fragen, was noch real oder nur eingebildet ist.

Die Geschichte basiert auf Joan G. Robinsons Roman, der in den 1970er Jahren als Miniserie schon einmal verwirklicht worden ist. Es ist der ideale Film, um aufzuzeigen, wozu der moderne Anime, wozu Studio Ghibli fähig ist. Denn Erinnerungen an Marnie ist ein sehr reifer, sehr stiller, sehr poetischer, aber auch sehr emotionaler Film, der überall sonst auf der Welt nicht in Form klassischen Zeichentricks, sondern als Realfilm verwirklicht worden wäre. Es macht aber auch den besonderen Reiz von Studio Ghibli aus, solche Geschichten gezeichnet erleben zu dürfen.

Was die Emotionalität betrifft, so könnte kein Schauspieler besser darstellen, was die Zeichner hier vollbracht haben. In Annas Gesicht spiegelt sich der Selbsthass, die Angst, das Unwohlsein im Beisein anderer, aber auch das zarte Rotwerden, als sie Marnie trifft, die Freude, die sich in ihr Leben schleicht und der wunderbare Moment, in dem dieses scheue Mädchen endgültig genest.

Erinnerungen an Marnie ist zudem wehmütig. Ein Film, der von nostalgischer Sehnsucht getragen wird, und damit eine Erzählebene eröffnet, die weit über die inhaltliche Ausrichtung hinausgeht. Man kann Hiromasa Yonebayashis Werk auch als Abgesang auf das klassische Studio Ghibli verstehen, als einen wehmütigen Blick zurück auf all das, was das Studio groß gemacht hat, gepaart mit der Hoffnung, dass es – wenn es irgendwann die Produktion wieder aufnimmt – den alten Tugenden treu bleibt.

Dieser Film ist eine Ode an die Freundschaft, auf die Familie, auf die Liebe, die auch die härtesten Winter übersteht. Manchmal ist das Leben nicht einfach, manchmal fühlt man sich allein und isoliert, aber das Lächeln eines einzigen Menschen kann die ganze Welt bedeuten. Dieses Gefühl transportiert das neueste und vielleicht letzte Produkt aus dem Hause Studio Ghibli wunderschön gezeichnet, einschmeichelnd musikalisch untermalt und mit einem Song zum Abschluss, der zu Herzen geht.
 

Erinnerungen an Marnie (2014)

Wenn „Erinnerungen an Marnie“ – hier hätte man übrigens einen etwas weniger verräterischen Titel wählen können – wirklich der letzte Studio-Ghibli-Film ist (oder zumindest der letzte auf Zeit), dann ist es ein Werk, das einen bittersüßen, weil so unendlich schönen Abschied liefert.

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Meinungen

Politischandersdenkender · 11.11.2015

Endlich wieder ein vielversprechender Film statt dieser dämliche amerikanische Animationsmüll.