The End of the Tour

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Wallace und Lipsky

Zwei Männer unterhalten sich fünf Tage lang – und da einer von ihnen David Foster Wallace ist, ist The End of the Tour oberflächlich betrachtet ein Film über den Schriftsteller, der 1996 mit Unendlicher Spaß die literarische Welt in Aufruhr versetzte und sich 2008 das Leben nahm. Doch das Werk von James Ponsoldt (The Spectacular Now), nach einem Drehbuch von Donald Margulies, ist weit mehr als ein Biopic.
The End of the Tour basiert auf dem Buch Although of Course You End Up Becoming Yourself, das der Journalist David Lipsky 2010 veröffentlich hat. Grundlage dieses Buchs sind seine Gespräche mit David Foster Wallace, die er am Ende von dessen Lesereise zu Unendlicher Spaß führte. Eigentlich sollten sie zu einem Beitrag im Rolling Stone führen, der aber nie veröffentlicht wurde. Stattdessen transkribierte und publizierte Lipsky seine Aufnahmen ihrer fünftägigen Begegnung nach Wallaces Tod.

Mit David Foster Wallace (Jason Segel) und David Lipsky (Jesse Eisenberg) treffen zwei Männer aufeinander, die neben ihrem Vornamen auch ihre Liebe zur Literatur und schriftstellerischen Ambitionen teilen. Sie sind beide Anfang 30, haben zwei Romane veröffentlicht und nun wird einer von ihnen als Genie einer neuen Generation gefeiert. Wallace hat das Buch geschrieben, das kaum jemand – Lipsky und seine Freundin (Anna Chlumsky) eingeschlossen – aus der Hand legen kann. Aufgrund ihrer Ähnlichkeiten können sie sich beim Essen – meistens Junk Food – in Schnellrestaurants, Hotelzimmern und der Mall of America über alles Mögliche unterhalten, zugleich sind aber auch ihre jeweiligen Selbstzweifel zu spüren. Außerdem schleicht sich bei Lipsky gelegentlich auch Neid ein, weshalb er immer wieder die Aufrichtigkeit von Wallaces Ambivalenz gegenüber dessen Ruhm anzweifelt. So entstehen Situationen, in denen ihre Konkurrenz offen zutage tritt.

Ihre Gespräche drehen sich um das Schreiben, den Erfolg und vor allem verschiedene Lebensweisen; sie reden über Konsum und Sucht. Dabei sorgen Ponsoldts Regie und das hervorragende Drehbuch von Donald Margulies dafür, dass diese Unterhaltung nicht nur in hinreißenden Sätzen stattfindet, sondern sie sich tatsächlich lebensecht anhört. Dadurch entfalten sich auf der Leinwand zwei selbstbewusste Charaktere, denen es letztlich um emotionale Wahrheiten geht.

Jason Segel spielt David Foster Wallace als entspannten, leicht schüchternen Mann, der im ländlichen Illinois mit zwei Hunden in einem Haus lebt. Er lehrt an einer nahegelegenen Universität und ist bestrebt, über all dem Trubel nicht seinen Kopf zu verlieren. Mit dem obligatorischen Bandana ausgestattet, fügt Segel dieser Figur in seiner Darstellungsweise eine sanfte Liebenswürdigkeit hinzu. Dabei verweist er auf den Widerstreit im Inneren des (unfreiwilligen) Literatur-Stars, der sich selbst doch eigentlich als introvertierter Grübler versteht. Immer wieder zeigt Segel beide Facetten dieser Persönlichkeit, insbesondere im Zusammenspiel mit Jesse Eisenberg entsteht eine bestechende Chemie, die die Gemeinsamkeiten und Unterschiede dieser Charaktere zusätzlich herausstellt. Somit gelingen Segel und dem Film eine Deutung von David Foster Wallace, die sehr überzeugend ist. Sie begehen niemals den Fehler zu behaupten, dass er dem „echten“, dem „wahren“ David Foster Wallace nahekommt. Vielmehr wird gerade das Verhältnis zwischen Fakten und Fiktionen, Wahrheit und literarischer Ausgestaltung beständig thematisiert.

Deshalb ist The End of the Tour auch kein Porträt von Wallace, das den Schriftsteller feiert; deshalb spricht der Film zwar Depressionen an, will aber keinen Niedergang dokumentieren. Vielmehr erzählt er von der Begegnung zweier Männer, der man gerne noch länger beigewohnt hätte.

The End of the Tour

Zwei Männer unterhalten sich fünf Tage lang – und da einer von ihnen David Foster Wallace ist, ist „The End of the Tour“ oberflächlich betrachtet ein Film über den Schriftsteller, der 1996 mit „Unendlicher Spaß“ die literarische Welt in Aufruhr versetzte und sich 2008 das Leben nahm. Doch das Werk von James Ponsoldt („The Spectacular Now“), nach einem Drehbuch von Donald Margulies, ist weit mehr als ein Biopic.
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