End of Watch (2012)

Eine Filmkritik von Sophie Charlotte Rieger

Gute Bullen gegen böse Gangster in L.A.

Dass Kriminalität in amerikanischen Großstädten ein vollkommen anderes Ausmaß annimmt als hierzulande, ist nichts Neues. Filme über die Brennpunkte der USA, insbesondere Los Angeles, haben wir schon zur Genüge sowohl aus Sicht des Gesetzes als auch aus Sicht der Gangs gesehen. Und dennoch schafft es David Ayer dem Genre mit seinem neuen Film End of Watch etwas Neues hinzuzufügen.

Brian Taylor (Jake Gyllenhaal) und Mike Zavala (Michael Peña) sind Polizisten im gefährlichsten Teil der Großstadt Los Angeles. Obwohl lebensbedrohliche Situationen zu ihrem Alltag gehören, gehen die beiden ihren Job sehr gelassen an und machen sich mit ihren Witzen und Streichen im Kollegium nicht immer nur Freunde. Eventuell entstehende Antipathien können sie jedoch stets mit ihrem besonderen beruflichen Einsatz ausgleichen. Manchmal scheint ihr Umgang mit der harten Realität L.A.s gar etwas zu unbeschwert, im Grunde aber ist die Distanz, die sie zu ihrer Tätigkeit einnehmen, der einzige Weg, die ständige Konfrontation mit Gewalt und Elend zu ertragen. Am Ende des Tages sind auch Brian und Mike ganz normale Männer, die nach getaner Arbeit zu ihren Familien nach Hause kehren wollen. Doch als Cop in South Central, Los Angeles, können sich die beiden Männer eines Happy Ends niemals sicher sein.

Inhaltlich hat David Ayer dem Cop-Genre nicht viel hinzuzufügen. Im Gegensatz zu beispielsweise Training Day, für den Ayer das Drehbuch schrieb, wirft End of Watch keinen kritischen Blick auf die Polizisten und ihre Arbeit. Vielmehr versucht der Film seine Protagonisten trotz ihres außerordentlich gefährlichen Jobs als ganz normale Menschen darzustellen und dem Zuschauer so den Zugang zu ihrer Lebenswelt zu erleichtern. Dass die Charaktere Brian und Mike tatsächlich so greifbar erscheinen, ist zu großen Teilen auf den Stil des Films zurückzuführen.

David Ayer macht sich die Found-Footage-Ästhetik zu Nutze, um seinem Konzept Authentizität zu verleihen. Polizist Brian filmt seinen Arbeitsalltag im Rahmen einer beruflichen Weiterbildung, so dass die Omnipräsenz seiner eigenen Kamera Teil der Geschichte wird. Neben dessen Camcorder verwendet Ayer jedoch weitere Bildquellen, wie die Filmaufnahmen des Polizeiautos, die stark an amerikanische Reality-TV-Formate erinnern, sowie das Videomaterial, das die Gangs im Zuge ihrer nächtlichen Aktionen erstellen. Im Gegensatz zum klassischen Found-Footage Horrorformat ist End of Watch nicht ausschließlich aus den angeblichen Amateueraufnahmen zusammengesetzt. Auch die Kameras, die nicht Teil der Geschichte sind, greifen jedoch den Stil der Privatvideos auf, der zu Beginn durch Brians Filmprojekt etabliert wird. Bald kann und will der Zuschauer nicht mehr unterscheiden, wann es sich um Aufnahmen der Protagonisten und wann um extradiegetische Kameras handelt. David Ayer erschafft hierdurch eine immens authentische Darstellungsform, die den Zuschauer in unmittelbaren Kontakt mit dem Geschehen bringt, ohne ihm vorzugaukeln, es handele sich um dokumentarisches Material. An dieser Stelle kann sich End of Watch positiv von thematisch verwandten Vorgängern abheben.

Dass End of Watch große Authentizität entwickelt, liegt nicht nur an der Kameraführung. Selbst aus South Central stammend, weiß Regisseur und Drehbuchautor David Ayer genau, wovon er in seinem Film spricht und arbeitet größtenteils mit Originalschauplätzen. Auch seine Hauptdarsteller haben sich intensiv auf ihre Rollen vorbereitet, um dem Arbeitsalltag ihrer Figuren Glaubwürdigkeit zu verleihen. Vor allem Jake Gyllenhaal gelingt es, die Entwicklung seines Leinwandcharakters überzeugend zu portraitieren. Während Brian seinen Job zu Beginn des Films als Abenteuer empfindet, verursachen die Ereignisse der Geschichte bei ihm zunehmend Gefühle von Frustration und Resignation. Auch die Hochzeit mit seiner großen Liebe Janet (Anna Kendrick) trägt dazu bei, dass er die Arbeit als Cop immer weniger als heldenhaftes Spiel und mehr als bitteren Ernst empfindet.

Trotz einzelner gelungener Charakterentwicklungen, lassen sich die „Guten“ und die „Bösen“ in David Ayers Film viel zu leicht voneinander unterscheiden. Während die Polizisten durchgehend als heldenhaft – wenn auch nicht immer als sympathisch – dargestellt werden, werden den Gangmitgliedern kaum Geschichten zugesprochen, die ihnen über ihre Funktion hinaus auch eine Persönlichkeit verleihen könnten. Sie bleiben weitgehend anonyme Antagonisten der großen Helden Brian und Mike, denen keine Aufgabe zu gefährlich ist. Wenn sie Kleinkinder aus lichterloh brennenden Häusern und vor ihren durchgeknallten Crack-Müttern retten, entsteht bei allen Bemühungen um Authentizität dann doch ein wenig zu viel Pathos.

Aber End of Watch ist keine Glorifizierung amerikanischer Alltagshelden. Auch wenn die Protagonisten immer wieder kleine Heldentaten vollbringen, wird doch schnell klar, dass sie im Grunde nichts bewirken. Dem organisierten Verbrechen gegenüber sind sie vollkommen hilflos. Sie mögen Einzelschicksale verändern, doch die Gesamtsituation bleibt gleichbleibend hoffnungslos. An dieser Stelle wird das Potential der Geschichte leider zu großen Teilen nicht genutzt. Eine stärkere Betonung dieser Ausweglosigkeit und eine differenziertere Darstellung der kriminellen Gegenspieler hätten dem Film zu mehr Substanz verholfen.

In der vorliegenden Form ist End of Watch vor allem ein Unterhaltungsfilm, der mit seinen sympathischen Hauptfiguren und der dynamischen Musikuntermalung das Publikum zu fesseln vermag. Gleichzeitig droht die moralische Schwarz-Weiß-Zeichnung jedoch ein komplexes gesellschaftliches Problem unrealistisch zu vereinfachen. Auch fehlt David Ayer in seiner Darstellung der Welt von South Central die letzte Konsequenz. Statt sein Publikum schichtübergreifend aufzurütteln und für das Ausmaß der dort vorherrschenden Probleme zu sensibilisieren, hilft er dem Zuschauer, sich sorglos in seinen Mittelstandselfenbeinturm zurückzuziehen: „Die Welt ist schlecht, aber so lange es noch tapfere und integre Polizisten gibt, besteht kein Grund zur Sorge.“
 

End of Watch (2012)

Dass Kriminalität in amerikanischen Großstädten ein vollkommen anderes Ausmaß annimmt als hierzulande, ist nichts Neues. Filme über die Brennpunkte der USA, insbesondere Los Angeles, haben wir schon zur Genüge sowohl aus Sicht des Gesetzes als auch aus Sicht der Gangs gesehen. Und dennoch schafft es David Ayer dem Genre mit seinem neuen Film „End of Watch“ etwas Neues hinzuzufügen.

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