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Der gleichnamige Roman von Jane Austen aus dem Jahr 1816 präsentiert eine junge Heldin, die über genügend Geld verfügt, um nicht unbedingt heiraten zu müssen. Hat die neue Verfilmung genügend Überzeugungskraft?

Emma (2020)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Zwischen Herzensbildung und Kostümtheater

Immer, wenn wieder ein Roman von Jane Austen neu verfilmt wird, stellt sich die Frage, was heutige Menschen am gemächlichen Leben des britischen Landadels vor 200 Jahren eigentlich so faszinierend finden. Ist es die von Austen geschilderte Kunst der Konversation bei den Teeeinladungen in der überschaubaren Nachbarschaft? Oder das Mitfiebern mit den jungen Heldinnen, ob sie eine gute Partie machen? Beides steht in starkem Kontrast zu den vielen Möglichkeiten der Selbstverwirklichung, die heutige Menschen haben, und ihrem Problem mit der Reizüberflutung. Jane Austens Heldinnen durchlaufen einen aufregenden Prozess der Herzensbildung, während sie sich fragen, wie sie einen guten Platz in der Welt finden.

Die 21-jährige Emma Woodhouse (Anya Taylor-Joy) sucht gar keinen Mann für sich selbst, denn sie ist reich genug, um auch ohne einen solchen über die Runden zu kommen. Stattdessen möchte sie dem Glück anderer Frauen auf die Sprünge helfen. Ihre Gouvernante und beste Freundin (Gemma Whelan) hat gerade einen guten Mann gefunden und nun möchte Emma, die glaubt, das liege an ihren Bemühungen, auch ihre neue Freundin Harriet (Mia Goth) unterbringen. Die jüngere Harriet wohnt im örtlichen Mädchenpensionat und hat den Makel einer unbekannten Herkunft. Ihr Vater könnte ein Adliger sein, aber auch ein liederlicher Bursche oder armer Teufel. Emma meint, Harriets Liebreiz und die gewandten Umgangsformen, die sie ihr selbst beibringen will, machten sie zu einer guten Partie für einen Mann der örtlichen Gesellschaft.

Als Harriet einen Antrag von einem landwirtschaftlichen Pächter bekommt, überredet Emma sie, ihn abzulehnen. Anstatt eines einfachen Bauern hat sie für Harriet den jungen Pfarrer, Mr. Elton (Josh O‘Connor), im Visier. Sie setzt alles daran, die beiden zusammenzubringen. Dabei schlägt sie auch die Warnung von Mr. Knightley (Johnny Flynn) in den Wind, einem Freund und häufigen Gast im Hause ihres Vaters. Mr. Knightley sagt, dem Pfarrer schwebe eine Frau mit Geld vor. Er ist wütend, dass sein Pächter so schnöde von Harriet und Emma abgewiesen wurde. Mr. Knightley ist der einzige weit und breit, der Emmas neues Hobby und ihren jugendlichen Mangel an Selbstkontrolle kritisch sieht und er sagt ihr offen die Meinung. Zu Emmas Leidwesen soll er recht behalten, denn Mr. Elton macht ihr selbst einen Heiratsantrag und nimmt sich nach ihrer empörten Ablehnung eine hochnäsige Nervensäge zur Frau (Tanya Reynolds).

Nun ist die schwer verunsicherte Harriet immer noch nicht an den Mann gebracht. Emma lernt derweil den jungen, lebenslustigen Frank Churchill (Callum Turner) kennen, der einmal reich erben soll. Knightley glaubt, dass Emma ein Auge auf Frank geworfen hat, und Emma ist eifersüchtig auf die junge Jane Fairfax (Amber Anderson), die besser als sie Klavier spielt und damit Knightleys Aufmerksamkeit erregt. Der korrekte Knightley und die unbekümmerte, zur Selbstüberschätzung neigende Emma sind Antagonisten, die sich geschliffene Wortgefechte liefern und irgendwann auch die Stimme ihres Herzens vernehmen.

Erst als sich Knightley verliebt und Verletzlichkeit und Gefühl aus seinen blauen Augen sprechen lässt, nimmt der britische Kostümfilm Fahrt auf. Das Spielfilmdebüt der Regisseurin Autumn de Wilde braucht lange, um seinen eigenen Reiz zu entfalten und die Zuschauer einigermaßen zu fesseln. Dabei hebt sich diese Verfilmung der romantischen Komödie durchaus von dem eher biederen Film Jane Austens Emma mit Gwyneth Paltrow aus dem Jahr 1996 ab, indem sie einige frische Akzente setzt. Zum einen sind da die neckischen kleinen Momente, die einen modernen Blick auf die damaligen Konventionen verraten. Emma, die sich so sicher auf dem gesellschaftlichen Parkett bewegt, hebt einmal, als sie allein vor dem Kamin steht, ihr Kleid, um ihren Hintern zu wärmen. Die dünkelhafte Frau des Pfarrers bekommt die Karikatur einer auffallenden Frisur verpasst. Und da sind die Mädchen des Pensionats, die in ihren roten Capes im Gänsemarsch brav hinter ihrer Lehrerin durch den Ort marschieren, wieder und wieder. Auch die ansprechende Filmmusik beschränkt sich nicht nur auf Klassik, sondern streut interessant mit ihr kontrastierende volkstümliche Lieder ein. Diese betonen die Erdung und Unschuld der ländlichen Idylle.

Für nachhaltigere Frische sorgt das Spiel verschiedener Darsteller. Etliche von ihnen wirken gegen den Strich besetzt und bereichern ihre Filmcharaktere auf originelle Weise. Gerade im Vergleich zum vorhin erwähnten Jane Austens Emma wirkt Mr. Knightley im neuen Film viel vitaler, beseelter. Die wilde ungekämmte Frisur, die Blondschopf Johnny Flynn hier trägt, signalisiert eigentlich eher einen Rebellen, als das Vorbild an Tugend und Haltung, das Mr. Knightley verkörpern soll. Umso überraschender wirkt es, wenn dann im Verlauf der Handlung erneut das Image gebrochen wird und dieser selbstbewusste Wuschelkopf so herrlich lebendig seine weichen Züge und emotionalen Nöte offenbart.

Auch die Darstellerin der Harriet, Mia Goth, zeigt im Verlauf der Handlung überraschend, dass sie nicht nur das arme, unbedarfte Hascherl geben kann. Harriet kann sich nämlich so überschwänglich freuen, dass sie das ganze Szenario überstrahlt. Und der unvergleichliche Bill Nighy spielt Emmas Vater Mr. Woodhouse. Bei Austen ist der Witwer Mr. Woodhouse ein gutmütiger, etwas einfältiger alter Mann, der Veränderungen nicht mag und zu Hypochondrie und Trübsinn neigt. Emma gibt ihm moralischen Halt, seit ihre Schwester geheiratet und das Haus verlassen hat. Nighy gibt diesem Charakter eine Fähigkeit zum Durchblick und eine spleenige Souveränität, die ihm sehr gut zu Gesicht stehen. Wenn dieser Mr. Woodhouse von einer Tafel aufspringt und nach Hause will, weil jemand von Schneefall gesprochen hat, wenn er einen Saal betritt und unangenehm berührt von den Gestalten auf einem alten Gemälde ist, zeigt Nighy einmal mehr, wie gut er britische Exzentrik persiflieren kann. Dieser herausragende Darsteller, der die physische Komik so unnachahmlich beherrscht, verleiht dem ganzen Film Klasse.

Auch Emma, die sich so manche Fans des Romans wohl eher als fröhliches Wesen vorgestellt haben, ist gegen den Strich besetzt. Anya Taylor-Joy, die in M. Night Shyamalans Thriller Split (2016) als Entführungsopfer mit psychologischem Einfühlungsvermögen eine starke Vorstellung gab, lächelt auch hier wenig. Ihr ernster Ausdruck, ihre selbstbewusste Entschlossenheit lassen diese Emma gar ein wenig berechnend wirken. Verglichen mit Gwyneth Paltrows fröhlichem Charme im Film von 1996 fehlt es dem Titelcharakter diesmal leider doch deutlich an Reiz.

Dieser Roman von Jane Austen, in dem die Schriftstellerin die Heldin so viele unausgesprochene Gedanken wälzen lässt, ist wohl nicht so leicht zu verfilmen. Emmas Herzensbildung, die Formung ihres guten, aber ungestümen Charakters vollzieht sich anhand vieler innerer Überlegungen. Ihre Menschenkenntnis nimmt zu, sie lernt, sich selbst und andere besser zu beurteilen. Diese Inhalte haben etwas zeitlos Attraktives und Gültiges, aber in der Form eines Films sind ihre Feinheiten und Facetten nur schwer zu fassen. So wird aus einem Jane-Austen-Stoff nicht zum ersten Mal ein netter Kostümfilm, der seine Relevanz nur unzureichend begründen kann.

Emma (2020)

In der Adaption von Jane Austens gleichnamigem Roman geht es um eine junge Frau, deren Verkupplungsversuche nicht ohne Folgen bleiben.

 

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