Ein Sommer in der Provence (2014)

Eine Filmkritik von Lisa Hedler

Best of Provence

Es beginnt, wie so oft, mit einer Zugfahrt. Die Reise einer Familie. Nur dass die Eltern hier eine Nebenrolle spielen. Denn die drei Enkel Léa, Adrien und der kleine Théo sind mit der Großmama Irène (Anna Galiena) unterwegs – auf dem Weg zu Großvater Paul (Jean Reno) in die idyllische Provence. Der ahnt noch nichts von seinem Glück. Paul ist nämlich alles andere als erfreut, eher erbost, als seine Herzensdame mit den drei Kinderlein vor ihm steht. Warum, wird erst im Verlauf des Films deutlich. Paul und seine Tochter, die Mutter der drei Kinder, haben vor vielen Jahren miteinander gebrochen. Die Mutter erzählt nichts vom Großvater und so wissen die Kinder weder etwas über ihn, noch haben sie ihn bisher gesehen.

Aber es nützt nichts. Ab ins Auto und auf geht’s. Das Häuschen von Paul und Irène liegt umgeben von Olivenbäumen mitten im Nirgendwo der Provence. Sommer, Sonne und eine herrliche (?) Ruhe. Das scheinen doch die besten Voraussetzungen für einen erholsamen, schönen Sommer. Weit gefehlt. Léa und Adrien – beide im lieblichsten, pubertären Alter – werfen kaum einen Blick auf die Umgebung. Bildschirme sind ihnen lieber. Die Kommunikation mit der Außenwelt erweist sich jedoch als schwierig. Es gibt massenweise Oliven, Obst, Gemüse und schöne Landschaft – aber Handyempfang ist eines der Dinge, die man akribisch, Meter für Meter, suchen muss. So viel Natur pur ist dann doch nichts für die Pariser.

Ihre Medienabhängigkeit steht im harten Kontrast zum naturverbundenen, bärbeißigen Paul. Er liebt seine Olivenhaine und die Natur. Mit Menschen, so scheint es, kommt er des Öfteren nicht allzu gut zurande. Léa und Adrien hingegen können nicht ohne ihre Mobiltelefone sein. Großartig an dieser Stelle ist die Rolle der Léa (Chloé Jouannet), die umweltfreundlich und bewusst ökologisch die Welt und insbesondere die Natur retten möchte – deren Naturverbundenheit dann aber nicht so weit geht, als dass sie in selbiger leben wollen würde. Dieser kleine Zwist greift ein allgemeines Problem auf, wird aber dadurch aufgehoben, dass Léas Schwarm Tiago hinterfragt, ob sie nicht einfach mal Spaß haben und glücklich sein möchte. Dadurch verschwindet zwar das etwas nervige pubertäre Mädchen, aber gleichzeitig verschwindet auch ihre (wenn auch oberflächliche, weil einem Lifestyle angepasste) Kritik. Der Film wird so zwar leichter, aber ihre Wandlung vollzieht sich eventuell etwas zu schnell.

Die dramatische Komödie von Rose Bosch beschäftigt sich mit der Beziehung zwischen Enkeln und Großeltern sowie mit einem Konflikt der Generationen. Wie entwickelt sich eine derartige Verbindung durch die Abwesenheit der Eltern? Werden die Großeltern zu einer Art Ersatz? Man mag es fast annehmen bei Betrachtung der sich entwickelnden Familiendynamik – wenn zum Beispiel Paul (unerwünschterweise) versucht, seine Enkelin vor den Avancen eines jungen Mannes zu beschützen. Dieses Beziehungsgeflecht, die Provence und die Menschen dort spielen die Hauptrolle(n) in der Familienkomödie. Allerdings flicht Bosch weitere Erzählstränge in die Handlung ein. Dadurch entstehen schöne Momente, doch der Fokus des Films geht verloren. Hier Paul, der ein Alkoholproblem hat, dort alte Freundschaften, alte Geschichten, neue Lieben, neue Dramen der Kinder, die Liebe zu den Oliven und dann gibt es auch noch den kleinen stummen Théo, der als erster eine Beziehung zu Paul entwickelt und und und. Vielleicht etwas zu viel Handlung für den kurzen Zeitraum.

Die zweite Zusammenarbeit zwischen Rose Bosch und Jean Reno nach Die Kinder von Paris ist schön. Der Film ist charmant. Wirklich. Doch er hinterlässt auch das Gefühl, nicht vollkommen stimmig zu sein. Teilweise aufgrund der vielen Handlungsstränge, zum Teil des Soundtracks wegen, der ebenso wie der Film charmant und gut anzuhören (sehen) ist, aber nichtsdestotrotz etwas willkürlich erscheint.
 

Ein Sommer in der Provence (2014)

Es beginnt, wie so oft, mit einer Zugfahrt. Die Reise einer Familie. Nur dass die Eltern hier eine Nebenrolle spielen. Denn die drei Enkel Léa, Adrien und der kleine Théo sind mit der Großmama Irène (Anna Galiena) unterwegs – auf dem Weg zu Großvater Paul (Jean Reno) in die idyllische Provence. Der ahnt noch nichts von seinem Glück. Paul ist nämlich alles andere als erfreut, eher erbost, als seine Herzensdame mit den drei Kinderlein vor ihm steht.

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Meinungen

Martin Zopick · 30.06.2022

Ein Feel-Good Movie für die ganze Familie, das wie ein Urlaub wirkt. Und für jeden ist etwas dabei, was ihm oder ihr unter die Haut geht. Im Mittelpunkt steht Opa Paul (ganz groß Jean Reno) ein grimmiger Alter, dessen Herz aufgeweicht und eingefangen wird. Und zwar von seinen Enkeln: allen voran der kleine Théo (Lukas Pelissier). Er ist stumm, aber auf Opas Herz von einem Eisblock wirkt er wie purer Sonnenschein. Dann die Teeny Geschwister Léa (Chloé Jouannet) und Adrien (Hugo Dessioux). Sie bieten Unterhaltung in der Sparte Erste Liebe, Frust und Neugier. Und mit dem Auftauchen von Pauls alten Freunden aus der Hippie-Flower-Power Zeit der 60er Jahre werden bei der älteren Generation herzerwärmende Erinnerungen geweckt, die schon mal nostalgische Freudentränen erzeugen können, wenn die Oldies auf Woodstock machen. Da kann sich niemand dem Soundtrack entziehen. Oma Irène (Anna Galiena) vermittelt an allen Fronten und verhindert das Schlimmste.
Das Ganze hat aber auch noch einen ernsten Hintergrund: der Konflikt zwischen Paul und Tochter Emilie (Raphaëlle Agogué). Er ist der eigentliche Auslöser für dieses Sommerabenteuer in der Provence und schwingt durch Andeutungen latent durch den ganzen Film mit. Am Ende wird er großartig gelöst. Opa Paul steht seiner Tochter Emilie am Bahnhof lange gegenüber. Man hört nicht, was sie sagen, aber Mimik und Gesten verraten ein deutliches aufeinander Zugehen. Eine geniale Lösung ohne Worte. Der Zuschauer kehrt beschwingt in den Alltag zurück – wie aus dem Urlaub. Toll!