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Rebecca Zlotowskis Coming-of-Age-Drama feiert seine Premiere in Cannes und spielt auch genau dort. In dem Film verbringt die 16-jährige Naïma einen Sommer mit ihrer älteren Cousine Sofia und macht dort Erfahrungen, die sie (womöglich) prägen werden.

Ein leichtes Mädchen (2019)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Der Film beginnt mit einer Einstellung, die perfekt passt zu den gegenwärtigen und  kommenden heißen Tages des Sommers: Es ist der Blick von oben in eine Bucht des Mittelmeeres mit verführerisch glitzerndem und Abkühlung versprechendem Meer. Erst nach einigen Sekunden schwimmt eine junge Frau in den Bildkader, die das Bad genießt und freizügig ihren Körper präsentiert — gerade so, als sei sie es gewohnt, ständig angeschaut zu werden. Begleitet wird diese Ouvertüre von einem Zitat des Mathematikers und Philosophen Blaise Pascal: „The Most important thing in life is choosing a profession. Chance holds the key.“ Die dann folgende Titeleinblendung „Une fille facile“ macht unmissverständlich deutlich, wer dieses „leichte Mädchen“ ist, von dem der Film (unter anderem, aber eben nicht nur) erzählt.

Sofia (Zahia Dahar) ist diese junge Frau um die 20, die unvermutet bei der Familie ihrer Cousine, der 16 Jahre alten Naïma (Mina Farid) auftaucht. Die lebt in einer bescheidenen Wohnung in Cannes, wo ihre Eltern als Angestellte in einem Hotel der Oberklasse ihr bescheidenes Auskommen haben — ein Lebensweg, wie er wohl auch für Naïma vorgezeichnet ist. Wenn da eben nicht plötzlich Sofia auftauchen würde — und mit ihr der ganze Lebenshunger einer jungen Frau, die sich nicht damit abfinden will, dass sie aufgrund ihrer Herkunft und sozialen Klasse der Weg nach oben versperrt bleiben soll. Und für dieses Ziel ist Sofia bereit, alles in die Waagschale zu werfen, was sie hat: ihre Jugend, ihren Körper, ihre Seele.

Durch sie und ihren Willen zum Aufstieg eröffnet sich Naïma auf einen Schlag ein Zutritt zu einer anderen Welt — jener der Schönen und Reichen, in denen Sex gegen Geld, Zuneigung gegen Aufmerksamkeit, blitzende Haut gegen eine Ausfahrt auf einer Yacht getauscht wird. Es ist das alte Spiel um Jugend, Geld und Macht, um Verführung und Protektion, das es zwar schon immer gegeben haben mag, das aber in Zeiten des Spätkapitalismus immer dekadentere Blüten treibt.

Rebecca Zlotowski und ihr Kameramann George Lechaptois tauchen diese Anordnung von Körpern und sozialen Unterschieden in warmes Licht und Bilder, deren verführerischen Oberflächen man sich kaum entziehen kann, auch wenn sie sich der Stilisierung und Überhöhung weitestgehend entziehen. Hintersinnig ist auch die Besetzung, die Rebecca Zlotowski für die Rolle der verführerischen Sofia gefunden hat: Zahia Dahar ist eine Model, das noch minderjährig als Escort wie eine Trophäe von Spielern der französischen Nationalmannschaft herumgereicht wurde, was einen handfesten, aber mehr oder minder folgenlosen Skandal verursachte.

Doch der Film verurteilt nicht (zumindest nicht die jungen Frauen, von denen die eine Akteurin, die andere eher staunende Beobachterin ist), sondern macht vor allem und auf sehr schlüssige Weise sichtbar: die Mechanismen des Tauschens, die sozialen Unterschiede, die sich manchmal erst auf den zweiten und dritten Blick erschließen, die Sehnsucht, Melancholie und Traurigkeit gar, die in all dem liegt.

Ein leichtes Mädchen (2019)

Naima ist 16 Jahre alt und lebt in Cannes. Während des Sommers versucht sie herauszufinden, was sie später im Leben machen will und erhält Besuch von ihrer Cousine Sofia. Gemeinsam werden sie einen unvergesslichen Sommer erleben. 

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Meinungen

Hagedorn Holger · 08.05.2020

Auf diesem Film hat die Welt nicht gewartet. Es ist einfach unglaublich langweilig, Superreiche beim Zeit totschlagen und arme Mädchen zu benutzen zu beobachten.