Ecstasy

Eine Filmkritik von Lida Bach

Leben im Rausch

„It´s magic“, schwärmt Lloyd Buist (Adam Sinclair) und diese alte schwarze Magie hält den alternden Junkie gefangen in künstlicher Nacht: der von schwarzlichtschimmernden Clubräumen und einer emotionalen Finsternis. Ist diese narkotisierte Hatz in geistigem Leerlauf die Titel gebende Ekstase von Rob Heydons dramaturgischem Delirium? Oder ist es die Liebe zu der frustrierten Kanadierin Heather (Kristin Kreuk), die Lloyd aus der medikamentösen Verzückung in eine hormonelle versetzt? Heather hat einen lieblosen Ehemann und auch Lloyd ist mit einer gefühlskalten anderen verheiratet: der Drogenszene, wo er entweder auf Parties unterwegs ist oder als Kurier. Als solcher schmuggelt er für den Großdealer Solo (Carlo Rota) Stoff aus dem sonnigen Amsterdam ins vergleichsweise triste Edinburgh. Die abweisende Kulisse entdecken beide durch den anderen von einer neuen Seite, doch es ist die Lloyds, auf die sich Heather und die Handlung weiter vorwagen. Zugedröhnt von Rave-Beats und Narkotika drohen beide im medikamentösen und sexuellen Rausch nicht nur den Kontakt zur Alltagsrealität, sondern zueinander zu verlieren. Unter der äußerlichen Verschiedenheit ähneln die Partner einander. Beide lassen sich treiben durch ein monotones Gewohnheitsschema, dem sie ein brüchiges Gefühl von Geborgenheit abtrotzen.
Die Eintönigkeit und Gleichgültigkeit, die Lloyd als tödlich bezeichnet, ist tatsächlich essentieller Teil seines eigenen Daseins. Dessen stupider Rhythmus aus Clubnächten, oberflächlichem Sex und apathischem Abfeiern lässt sich nur in einem Zustand permanenter Betäubung ertragen. Sobald sie nachlässt, ist der abgeklärte Szenekenner ein in Alltagspraxis unerfahrenes Mittelschichtkind mit einem krebskranken Alkoholiker zum Vater (Stephen McHattie) und einem Pseudophilosophie plappernden besten Suchtkumpan (Billy Boyd). Ein Spießer, dessen Existenz so inhaltsleer ist, dass selbst Normalität als verlockende Abwechslung erscheint. „Wegen ihr möchte ich zu einem besseren Mann werden“, sagt Lloyd. Pauschal und abgedroschen wie der in seinem Verlauf vom Höhenflug über den tiefen Fall bis zur romantisierten Erlösung formelhafte Plot klingen solche Liebeszeugnisse, die geschaffen scheinen für eine Kunstrealität, ob des Kinos oder der Drogen.

Seltsam passend wirkt die Zielgewissheit, mit der Heydon für sein cineastisches Debüt ein literarisches ausgewählt hat. Von den Drei Geschichten von chemischer Romantik, mit denen Irvine Welsh 1996 seinen ersten Bestseller landete, adaptiert der kanadische Regisseur die letzte in seinem Drogendrama. Alles daran scheint prädestiniert, etwas Genuines und Plastisches zu kreieren und starrt dennoch unter einer Patina noch stumpfer als die Protagonisten. Sie stehen, die Augen zum Betrachter gerichtet, in einer Reihe auf dem Kinoplakat, einem betont atypischen im Längsformat. Keines derer, bei denen man das Gefühl hat, sie irgendwo schon mal gesehen zu haben, sondern eines, bei dem man genau weiß, wo man es schon gesehen hat: Über den Kinos, in denen 1996 Trainspotting lief. In Danny Boyles rauem Suchtporträt pulsiert all das, was in Ecstasy ein mattes Echo ist.

Die Vorlage von Irvine Welsh, die Erzählerstimme des Hauptcharakters, der Handlungsschauplatz, der kalkulierte Soundtrack, inszenatorische Spielereien wie Standbilder und Schnelllauf, offensive Licht- und Farbkontraste zwischen flackerndem Neon und weichem Tageslicht, grellen Kunsttönen und matten Realnuancen, skurrilen Namen („Woodsy“ und „Solo“ contra „Spud“ und „Sick Boy“), das Etablieren von deren Trägern durch eingeblendete Schriftzüge sind nur die auffälligsten der Gemeinsamkeiten, die bis zu einer Szene über Drogensuche in der Toilette reichen. Der Griff ins Klo ist auf mehreren Ebenen ein unfreiwillig bezeichnender Moment. Egal, an was für abwegigen Orten Ecstasy nach Originalität sucht – andere haben sie schon vor dem flüchtigen Suchtexkurs ausgeschöpft.

Die expliziten Sexszenen, die hektischen Kameraperspektiven, der treibende Soundtrack, all dies fühlt sich von der ersten Minute so selbstgefällig und teilnahmslos an wie die Figuren. Selbst wenn ihr Blick nicht durch diverse Substanzen umnebelt ist, erscheinen sie hohl. Nicht ausgebrannt, sondern seicht. Und ihr Bemühen, etwas Radikales darzustellen, ist letztendlich so vergeblich wie das des Films.

Ecstasy

„It´s magic“, schwärmt Lloyd Buist (Adam Sinclair) und diese alte schwarze Magie hält den alternden Junkie gefangen in künstlicher Nacht: der von schwarzlichtschimmernden Clubräumen und einer emotionalen Finsternis. Ist diese narkotisierte Hatz in geistigem Leerlauf die Titel gebende Ekstase von Rob Heydons dramaturgischem Delirium?
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