East

Eine Filmkritik von Red.

Schwulsein in Moskau

Wer mit offenen Augen durch Moskau geht, kann die Veränderungen der letzten eineinhalb Dekaden seit dem Ende der Sowjetunion auf den ersten Blick sehen zumindest bei oberflächlicher Betrachtung. Prada-Boutiquen statt Lenin-Statuen, westliche Edelkarossen aller Marken statt den früher allgegenwärtigen Ladas und auffallend viele sehr schick und teuer gekleidete Menschen. Ohne Zweifel hat Russland in den letzten Jahren zumindest in Sachen Kapitalismus gewaltig aufgeholt. Wie aber sieht es um die Demokratie und die Einhaltung der Menschenrechte in Russland aus? Hat sich mit der Liberalisierung der Wirtschaft auch eine Freiheit des Geistes eingestellt? Dieser Frage geht der Dokumentarfilmer Jochen Hick in East/West – Sex & Politics nach und untersucht die Freiheiten in Russland unter Vladimir Putin anhand der Situation von Homosexuellen. Das Ergebnis freilich kann wenig erstaunen. Denn mit der Freiheit des Andersdenkenden und Anderslebenden ist es in Russland nicht so weit her. Was man irgendwie schon ein wenig geahnt hat.
Zwar wurde der Artikel 121 des russischen Strafgesetzbuches, der die homosexuelle Liebe unter Männern verbot (die lesbische Liebe hingegen war nicht kriminalisiert, sondern wurde auf subtilere Weise unterdrückt), bereits 1993 von Boris Jelzin aufgehoben, doch damit verbesserte sich die Lage der Schwulen nur unwesentlich. Immer wieder kommt es zu Übergriffen durch rechtsnationale Gruppen wie die christlich geprägten Gregorianer, die durch beliebte Treffpunkte der Szene patrouillieren und diese de facto abgesperrt haben. Angesichts von gerade mal knapp einem Dutzend Schwulen-Bars in der Stadt hat sich die Szene weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen und trifft sich vor allem privat – auch aus Angst vor Übergriffen. Und so sind es verschiedenste Überlebens- und Tarnstrategien, die den Alltag von Schwulen und Lesben in Moskau bestimmen – von einer selbstbewussten Szene, die für ihre Rechte kämpft, kann nicht die Rede sein.

Jochen Hick hat bereits mehrere Dokumentationen über homosexuelle Lebensstile gedreht, so etwa Sex/Life in L.A. (1998) oder Ich kenn keinen – Allein unter Heteros (2003). Als er sich eingehender mit der Lage der Homosexuellen in Russland beschäftigte, stellte er fest, dass es seit 1991 einen einzigen Film gegeben hatte, der sich mit diesem Thema beschäftigt. Und ähnlich passiv bis zurückgezogen erscheint die Bewegung selbst bei Demonstrationen in Moskau. In einer Stadt mit 14 Millionen Einwohnern verlieren sich die 50 bis 100 Demonstranten für die Rechte der Schwulen auf den riesigen Plätzen. Die Angst vor Übergriffen rechtsnationaler Gruppen, die 2006 und 2007 die Gay-Pride-Paraden angriffen, ist deutlich spürbar. Zumal die Staatsmacht nichts dazu beitrug, um die Angriffe zu unterbinden. Nach Hicks Film jedenfalls wird deutlich, dass es auch 15 Jahre nach der Abschaffung der Strafbarkeit schwuler Liebe immer noch lebensgefährlich sein kann, sich zu der eigenen Homosexualität zu bekennen.

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Wer mit offenen Augen durch Moskau geht, kann die Veränderungen der letzten eineinhalb Dekaden seit dem Ende der Sowjetunion auf den ersten Blick sehen zumindest bei oberflächlicher Betrachtung.
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