Drug War (2012)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Dreckiger Krieg im Niemandsland

Da meinte man aufgrund der letzten Filme Johnnie Tos doch fast so etwas wie eine Wandlung zum Hellen und Lichten wahrzunehmen, eine Milde und Menschenfreundlichkeit, die ihren vielleicht deutlichsten Ausdruck in seiner federleichten Ballade Sparrow fand. Nicht jeder der Fans des Hong-Kong-Urgesteins sah darin auch eine cineastische Wandlung zum Guten, doch nun zeigt sich der Regisseur mit Drug War, seinem mittlerweile 54. Film (der 55. mit dem Titel Blind Detective war in Cannes zu sehen und enttäuschte eher), dass er das Handwerk des schmutzigen, fiesen und ungemein konzentrierten Thrillers nach wie vor perfekt beherrscht.

Anders als viele andere Filme Tos ist dieser nicht in Hongkong, sondern auf dem chinesischen Festland angesiedelt. Und mit diesem Ortswechsel geht auch eine äußerlich deutlich sichtbare Veränderung; statt bunt glitzernder Neonlichter, die in der zumeist nächtlichen Szenerie farbliche Akzente setzen, ist die Umwelt, in der Drug War überwiegend angesiedelt ist, eine taghelle, aber dennoch graue, vom Smog ins Diesige entfärbte suburbane Hölle aus endlosen Industriebrachen, Autobahnen, Mautstationen und anderen Ungegenden, die aussehen, als habe der Krieg, von dem der Film erzählt, bereits alles Leben aus dem Land gesaugt. In diesem auch moralischen Niemandsland braucht es nicht einmal mehr Dunkelheit, um eine Szenerie in düsterste Farben zu malen.

In dieser labyrinthischen Gegend am Rande der Metropole Tianjin kommt es zu einer erbarmungslosen Schlacht zwischen der Polizei und einem Ring von Drogenhändlern, deren Kopf der geheimnisvolle Uncle Bill ist, dessen Identität niemand kennt. Als das Team um den Drogencop Zhang (Sun Honglei) den ranghohen Dealer Choi (Louis Koo) festnimmt und dieser aus Angst vor der ihm drohenden Todestrafe einer Kooperation mit der Polizei zustimmt, scheinen die Ordnungsbehörden kurz davor zu sein, die international agierende Schmugglerbande aus dem Verkehr zu ziehen. Doch der Dealer spielt sein eigenes Spiel und so kommt es am Ende zu einem furiosen Shootout, der fast genauso unübersichtlich ist wie die verwickelten Ermittlungen, die dem Handstreich vorausgingen…

Viel Zeit lässt sich Johnnie To, bis er seine Katz-und-Maus-Geschichte schließlich zu ihrem finalen Höhepunkt bringt. Minutiös und bisweilen ein wenig verwirrend, weil unübersichtlich zeichnet er ein akribisches und vergleichsweise realistisches Bild der Polizeiarbeit, die lange auf ein bestimmtes Ziel hinarbeitet, die geduldig verhört, ausforscht, noble Hotelsuiten verwanzt, Verdächtige verfolgt, um dann im vermeintlich richtigen Moment zuzuschlagen. Dies und die äußerste Reduzierung der Figuren auf ihre Funktionalität, denen jegliche vermenschlichende Hintergrundinformation und damit jegliche ontologische Verankerung fehlt, macht Drug War zu einem recht ungewöhnlichen Thriller, der das Genre allen Rückgriffen auf die bekannten Bausteine zum Trotz auf das Wesentliche konzentriert: Die Prämisse, die den Fall ins Rollen bringt, die ermüdende Ermittlungsarbeit, die Wendungen und Twists der handelnden Personen, die immer wieder die Fronten aufs Neue infrage stellen, die geschickt inszenierte Unsicherheit, auf welcher Seite Choi nun wirklich steht, die konzentriert eigestreuten Auflockerungen, die immer wieder für kurze Verschnaufpausen sorgen und schließlich punktuell durchschimmernd die eruptiven Ausbrüche von Gewalt, die die vorausgegangene Bedächtigkeit und Zielgerichtetheit ad absurdum führen. Eigentlich eine ganz einfache Geschichte – und dennoch ist sie immer wieder enorm komplex gestaltet und verdeutlicht so die Ausweglosigkeit dieses Kampfes für beide Seiten, von denen sich am Ende keine als Sieger wähnen kann.
 

Drug War (2012)

Da meinte man aufgrund der letzten Filme Johnnie Tos doch fast so etwas wie eine Wandlung zum Hellen und Lichten wahrzunehmen, eine Milde und Menschenfreundlichkeit, die ihren vielleicht deutlichsten Ausdruck in seiner federleichten Ballade „Sparrow“ fand.

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen