Drei von Sinnen

Eine Filmkritik von Simon Hauck

„Nächster Halt: Himmelreich“, schallt es idyllisch durch den Regionalzug. Drei junge Männer sind unterwegs: Als Reisende, das sieht man. Nur irgendetwas ist anders, das erkennt man ebenso im selben Moment: Wieso trägt denn der eine so merkwürdige Augenklappen, wie man sie zum Beispiel von Faschingskostümen für Kinder kennt? Warum schweigt der andere andauernd? Und was hat es mit diesen überdimensional großen Kopfhörern auf sich, die der Dritte trägt?
Der Grund ist einfach, und so einfach dann doch auch wieder nicht: David, Bart und Jakob waren weg. Einfach so: Zu Fuß, in der Bahn oder per Anhalter, insgesamt drei Wochen lang. Die Reiseroute war vage, nur zur französischen Atlantikküste sollte es vom Bodensee aus gehen. Der Rest war vor allem ein ungewöhnliches Selbsterfahrungsexperiment. Denn das smarte Männertrio hatte sich für diesen Reisetrip drei Handicaps auferlegt: Der eine durfte während dieser Zeit nichts sehen, der andere nichts sagen – und der dritte eben nichts hören, jeweils eine Woche lang. Danach wurden die Rollen untereinander gewechselt.

Ursprünglich wollten sich die drei Reisenden selbst mit der Kamera begleiten, zum Beispiel mit kleinen Action-Cams wie sie häufig im Outdoor- oder Extremsportbereich verwendet werden. Doch aufgrund der jeweils unterschiedlich eingeschränkten Sinne wurde diese Grundidee vor dem ersten Reisetag schließlich wieder verworfen und stattdessen ein Filmteam ins Boot geholt, das die drei optisch merkwürdigen Wanderer-Gestalten im selben Zeitraum dokumentarisch begleitete.

Das filmische Resultat jenes im ersten Augenblick wirklich seltsamen Reisekonzepts – sozusagen ohne Sehen, Hören und Reden für jeweils einen Einzelnen der Fernwanderer eine Woche lang und tendenziell auch ohne Zweck – heißt Drei von Sinnen und läuft bereits über ein halbes Jahr von Kino zu Kino in Deutschland. Ohne Verleih oder eine professionelle Marketingmaschinerie im Hintergrund, im Grunde auf reiner Goodwill-Basis aller Beteiligten und finanziell unterstützt durch eine erfolgreiche Crowdfunding-Kampagne (mit immerhin etwas über 10.000 Euro) zur Reise- und aktuellen Kinotour-Deckung.

Wozu dieser höchst eigensinnige Selbsterfahrungstrip am Ende jedoch führen soll (oder von vornherein sollte?) bleibt Kerim Kortels Regie allerdings ziemlich schuldig. Sehr vorhersehbar ist nämlich der relativ aktionsarme Handlungsverlauf, dazu wirken manche Passagen auch mitunter schlichtweg zu gescriptet („Ich find’s so krass, auf was wir uns da einlassen.“), wie man es verbal eher aus unzähligen RTL2-Produktionen kennt.

Doch das Auffälligste an diesem alles in alles sehr unauffälligen Kinodokumentarfilm der etwas anderen Art ist seine Harmlosigkeit, sowohl in der Gestaltung (z.B. mittels seiner sicherlich nett gemeinten, aber wenig aussagekräftigen Animationen) wie auch auf der eigentlichen Erzählebene. Der Tonfall wirkt mitunter unfreiwillig komisch („Wenn es so weitergeht, dann hab’ ich keinen Bock mehr.“) und der Sinngehalt des Ganzen am Ende der dreiwöchigen Spezialtour hält sich auch in Grenzen: „Ja, das Leben ist ein Geschenk – und jeder Sinn ist ein Geschenk“, lautet beispielsweise das persönliche Fazit von David. So weit, so banal. Und eben überhaupt nicht überraschend. Mehr als ein paar feine beauty shots bleiben dann auch nicht weiter im Gedächtnis hängen. Ein Film wie ein Emoji: Nett, aber ziemlich sinnlos.

Drei von Sinnen

Die drei Freunde Bart, David und Jakob begeben sich auf eine Reise zur französischen Atlantikküste und versuchen dabei jeweils (in der Runde im Wechsel), ohne Sprechen, Hören oder Sehen auszukommen.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen