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Ein junger Mann mit Muskeldystrophie bekommt einen neuen Pfleger und sie freunden sich an. Das klingt nach einer Feelgood-Dramödie im Stile von Ziemlich beste Freunde, doch Eibe Maleen Krebs entwickelt daraus etwas gänzlich anderes.

Draußen in meinem Kopf (2018)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Nähe

Wäre „Draußen in meinem Kopf“ eine französische Feel-Good-Dramödie, begäben sich die beiden Helden des Werks höchstwahrscheinlich irgendwann auf einen überaus inspirierenden Roadtrip, der vermutlich am Strand sein trauriges, aber versöhnliches Ende fände. Auch das deutsche Kino ist gegen solch formelhaft erzählten und gefällig bebilderten Kitsch keineswegs immun. Das Spielfilmdebüt von Eibe Maleen Krebs ist davon allerdings erfreulicherweise meilenweit entfernt.

Die 1982 geborene Diplom-Fotografin und Absolventin der Hochschule für bildende Künste Hamburg, die für die Entwicklung des Stoffes gemeinsam mit ihrem Ko-Autor Andreas Keck das Wim-Wenders-Stipendium zur Förderung innovativer filmischer Erzählkunst erhielt, präsentiert ein Kammerspiel, das den Raum in einem Pflegeheim, in welchem der an Muskelschwund erkrankte Protagonist liegt, (fast) nie verlässt. Dennoch ist Draußen in meinem Kopf kein monoton abgefilmtes Dialogstück, sondern auch auf visueller Ebene spannungs- und abwechslungsreich. Mit ihrer erfahrenen Kamerafrau Judith Kaufmann, die etwa bereits für Vier Minuten (2006) und Die Fremde (2010) als Bildgestalterin tätig war, findet sie Wege, den sehr begrenzten Schauplatz unter anderem durch eine gekonnte Lichtsetzung immer wieder neu erscheinen zu lassen; obendrein kommen Nah-, Groß- und Detailaufnahmen klug zum Einsatz, um die Gesichter Teile der Geschichte erzählen zu lassen.

Deren Mittelpunkt ist der 28-jährige Sven (Samuel Koch), der – wie er sagt – „seit er denken kann“ Muskeldystrophie hat und weiß, dass er nicht mehr lange leben wird. Er wuchs in Heimen auf; mit seiner Familie steht er nicht in Kontakt. Christoph (Nils Hohenhövel) wird im Rahmen seines Freiwilligen Sozialen Jahres der neue Betreuer von Sven und nach anfänglichen Schwierigkeiten auch zu einem engen Freund.

Auf Standardsituationen, in denen zwei Individuen sich zusammenraufen müssen und die Eigenheiten des jeweils anderen zu akzeptieren lernen, verzichten Krebs und Keck; ebenso wird das Geschehen nicht durch bemühte one-liner aufgelockert. Draußen in meinem Kopf funktioniert vor allem durch die Erzeugung von Nähe. Die körperliche Nähe ist hier etwas Unumgängliches, da Sven sich körperlich fast nicht bewegen kann und somit in dieser Hinsicht völlig auf Christoph angewiesen ist. Die emotionale Nähe ist hingegen etwas, was allmählich entsteht – und sich uns in den Blicken von Sven und Christoph, nicht zuletzt dank der guten schauspielerischen Interpretation, glaubhaft mitteilt. Beide Figuren geben Einblicke in ihre biografischen Hintergründe und in ihre aktuelle (Gefühls-)Lage; gleichwohl wird nicht alles in aller Deutlichkeit ausformuliert und erklärt.

Zu den vielen starken Momenten des Films gehören zwei Szenen, die Svens krankheitsbedingte Situation einfangen: Zu Beginn schwirrt eine Fliege durch das Zimmer und landet auf Svens Hand – ohne dass dieser daraufhin die Möglichkeit hat, sie zu vertreiben; an späterer Stelle hört er die von ihm geliebten Bach-Kantaten auf CD – bis diese hängen bleibt und Sven dem unangenehmen Geräusch ausgeliefert ist, ehe Christoph in den Raum zurückkehrt. Samuel Koch, der seit einem Unfall im Dezember 2010 querschnittsgelähmt ist, spielt diese Passagen voller Intensität, die dem ungewöhnlichen Ende des Films und der darin angedeuteten Wunscherfüllung umso mehr Wucht verleiht.

Draußen in meinem Kopf (2018)

Christoph beginnt sein Freiwilliges Soziales Jahr als persönlicher Betreuer des 28-jährigen Sven. Der todkranke junge Mann leidet an Muskeldystrophie. Als die beiden sich anfreunden, vertraut Sven Christoph ein Geheimnis an …

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