Don't Go Breaking My Heart 1 & 2

Eine Filmkritik von Gregor Ries

Johnnie To im Doppelpack

Leider brach die Berlinale längst mit der Tradition, in verschiedenen Sektionen aktuelle Hongkong-Arbeiten zu präsentieren. Ab 1999 konnte man hier jeweils die neusten Werke von Produzent und Regisseur Johnnie To sowie weitere Veröffentlichungen seiner Firma „Milky Way Images“ entdecken, bevor sich der Meister weiter in Richtung Cannes und Venedig begab. Ein wenig schloss die vom Verband der Deutschen Filmkritik initiierte „Woche der Kritik“ während der diesjährigen Berlinale diese Lücke mit den beiden romantischen Komödien Dont’t Go Breaking My Heart 1 & 2 als deutsche und europäische Premiere. Ohnehin schafften es Johnny Tos Melodramen und RomComs selten auf den hiesigen Markt, wo lediglich Interesse an seinen rasanten, perfekt choreographierten Actionthrillern besteht.
In Don’t Go Breaking My Heart 1 von 2011 leidet Analystin Zixin (Gao Yuan-yan) unter der Trennung von ihrem Exfreund, dem sie von Suzhou nach Hongkong folgte, bevor er eine neue Flamme fand. In ihrer Wohnung stapeln sich noch seine Accessoires wie Actionspielzeug oder ein Frosch, um den sie sich kümmern muss. Auf dem Weg zur Arbeit fällt die Lady dem Finanz-CEO Shenran (Louis Koo) auf, der sich an ihre Fersen heftet. Da sein Arbeitsplatz im gläsernen Hochhaus gegenüber liegt, versucht der Womanizer mit allen Mitteln, ihre Aufmerksamkeit zu erwecken. Seine Flirtversuche über die Distanz hinweg und verspielte Post-it-Mosaiken an der Glaswand stoßen ebenfalls bei anderen Frauen auf Resonanz. Als Shenran dem Werben einer aufgekratzten Schönheit nachgibt, wendet sich Zixin enttäuscht ab.

Zudem lernt sie zufällig den Stararchitekt Qihong (Daniel Wu) kennen, der dem Alkohol verfiel. Dank ihrer aufkeimenden Zuneigung verstehen es die von Männern enttäuschte Angestellte und der schüchterne Trinker, sich gegenseitig aufzurichten. So schnell gibt sich Shenran allerdings nicht geschlagen. Beständig versucht er, erneut Zixins Interesse zu entfachen und reist ihr sogar in ihre Heimat Suzhou nach, wo Qihong ihr zu Ehren längst ein Hochhaus nach ihren Konturen errichten lässt.

Die Frage, ob ein solches Gebäude überhaupt existieren könnte, stellt sich nicht, da das visuelle Design gegenüber der Glaubwürdigkeit dominiert. Johnny To sowie sein dauerhafter Partner und Autor Wai Ka-fei entwickelten eine märchenhafte Komödie vor dem realen Hintergrund der Finanzkrise, ausgelöst durch die Pleite der Lehman-Brothers. Trotzdem sorgen sich die Protagonisten stärker um ihr Liebesglück denn um ihre finanzielle Zukunft, zumal sich in der zweiten Hälfte ein maskulines Kräftemessen um die Kunst der Verführung entspinnt. Stärker als die Konflikte der Finanzindustrie, deren Transaktionen und Spekulationen besonders in der Fortsetzung allzu leicht von der Hand gehen, stehen Chic und Glamour im Mittelpunkt.

Bewusst wurden beide Filme unter dem Obertitel „Lust“ präsentiert, was nicht im sexuellen Sinne gemeint war. Casanova Shenran kann mit weiblichen Formen ohnehin schlecht umgehen: Sobald er allzu tief in einen Ausschnitt blickt, bekommt er Nasenbluten, was in der anschließenden Diskussion mit einer Menstruation verglichen wurde. Vielmehr steht „Lust“ hier für Konsumgüter, Statussymbole, Reichtum und gutes Essen. Im Sequel übertrieb es To allerdings, indem er verstärkt auf Product Placement setzte.

Nicht nur seine Stammschauspieler Louis Koo und Lam Suet als Zixins Boss, der wie gewohnt für überdrehte Komik sorgen muss, trifft man erneut. Ebenso greift To im ersten Teil vertraute Motive wie eine den Alltag dominierende Technologie, die Choreografie von Körpern in urbaner Umgebung oder den gläsernen Menschen auf. Allerdings bieten die nach allen Seiten offenen Räume einen Resonanzboden für den Humor, wenn die Protagonisten durch die gläserne Fassade pantomimisch miteinander kommunizieren. Dabei wirkt es, als würden die Hochhäuser selbst in Verbindung treten.

Insgesamt fiel Don’t Go Breaking My Heart 1 mit 115 Minuten zu lang aus, weshalb man ein wenig das präzise Timing von Johnny Tos ökonomisch angelegten, schnörkellosen Thrillern wie PCU oder Exiled vermisst. Doch ansonsten besitzt das charmante Liebesduell dank anhaltender Verwicklungen und poetischer Bildeinfälle manche Qualität einer bestens geölten Screwball-Komödie.

Das lässt sich von Don’t Go Breaking My Heart 2 von 2014 nicht gerade behaupten. Zunächst fällt auf, dass der auf 35-mm gedrehte Vorgänger eine kräftigere, kontrastreichere Farbgebung besitzt, während der digital produzierte Nachzieher mit grellen, unnatürlichen Farben visuell wenig überzeugen kann. Aber auch die Dramaturgie krankt an den vertrauten Schwächen der Sequelitis: Zahlreiche Nebenfiguren wie Zixins Boss oder ihre leicht schräge Familie müssen erneut auftauchen, während der Plot zwar mehr wilde Turbulenzen und eine doppelte Liebes-Triangel, aber weitaus weniger originelle Pointen aufweist. Der inzwischen dem amourösen Chaos zum Opfer gefallene Frosch wurde durch Tintenfisch „Genie“ mit seherischen Qualitäten ersetzt  — Orakel-Krake „Paul“ lässt grüßen!

Nachdem Daniel Wu als Stararchitekt Qihong in der Fortsetzung nur Gaststar-Status zugeteilt bekam, steht die erfolgreiche Analystin Zixin erneut zwischen ihm als Bräutigam in spe und dem in die Firma zurückgekehrten Broker Shenran. Allerdings becirct der Charmeur gleichzeitig Zixins neue Chefin Yang Yang (Miriam Yeung), der er beim Einparken half. Die gewiefte Geschäftsfrau mit dem Motto „Be Greedy When Others Panic“ startet wiederum eine Affäre mit Zixins Bruder Paul (Vic Chou), der lange in Frankreich lebte.

Amouröse Konfusion ist somit angesagt, was die mühsam konstruierte Geschichte nur in wenigen Sequenzen wie Shenrans Zusammentreffen mit einer Gruppe liebeshungriger Stewardessen für gelungene Einfälle zu nutzen vermag. Tos Inszenierung erweist sich als schwung- und einfallslos. In der anschließenden Diskussion wies Variety-Kritikerin Maggie Lee darauf hin, dass es sich bei Teil zwei um den größten chinesischen Blockbuster des Jahres handelte. Wo der erste Teil mitunter eine Hommage an den Hollywood-Stil darstellte, wirkt die Fortsetzung wie ein Kniefall vor Chinas Filmindustrie, wo Action-Thriller in der Regel nicht erwünscht sind. Schon Drug War mit seinem finalen Plädoyer für die Todesstrafe erschien wie eine zwiespältige Anpassung an die Gesetze des dortigen Marktes. Für einen von Hongkongs visionärsten Genreregisseuren wirken diese Zugeständnisse mehr als bedenklich.

Don't Go Breaking My Heart 1 & 2

Leider brach die Berlinale längst mit der Tradition, in verschiedenen Sektionen aktuelle Hongkong-Arbeiten zu präsentieren. Ab 1999 konnte man hier jeweils die neusten Werke von Produzent und Regisseur Johnnie To sowie weitere Veröffentlichungen seiner Firma „Milky Way Images“ entdecken, bevor sich der Meister weiter in Richtung Cannes und Venedig begab.
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