Dog Eat Dog

Eine Filmkritik von Maria Wiesner

Völlig irre

Die titelgebenden Hunde in Paul Schraders Dog Eat Dog sind keine Haustiere. Das wird schon im Prolog klar. Willem Dafoe schnupft im pinksten Wohnzimmer Amerikas Kokain und schaut dabei eine Talkshow über Waffen, die ganz auf Trump’scher Linie argumentiert: Hätte jeder eine Waffe zuhause, würde es weniger Tote geben. Falls das die These zum Film ist, versucht Schrader, sie in den nächsten rund 90 Minuten zu widerlegen.
Dafoe steigert derweil seinen Rausch mit Heroin, versucht sich im blauesten Badezimmer Amerikas im Spiegel zu erkennen – eine Sequenz, die Hunter S. Thompson bestimmt sehr glücklich gemacht hätte – und bringt dann aus einer Gefühlswallung heraus sowohl seine übergewichtige Ex-Freundin als auch deren Tochter um. Es folgt in Blocklettern der Titel und klar ist: Schraders Hunde bellen nicht nur, sie beißen auch, ja eigentlich könnte man sie fast für tollwütig halten. Dass Dafoes Charakter in diesem Film keinen Namen hat, sondern von seinen ehemaligen Knastbrüdern Troy (Nicolas Cage) und Diesel (Christopher Matthew Cook) nur „Mad Dog“ genannt wird, erscheint da konsequent.

Wie es sich für einen Gangsterfilm gehört, will dieses Trio Infernale seinen letzten großen Coup landen, noch einmal richtig Geld machen und sich dann absetzen. Mafiaboss El Greco (Paul Schrader selbst in seiner ersten Rolle vor der Kamera) vermittelt ihnen den Auftrag, das Baby eines Konkurrenten zu entführen und ein saftiges Lösegeld zu kassieren. Und wenn sich drei verrückte Hunde mit zu vielen Waffen für einen solchen Coup zusammenraufen, geht einiges schief und wird viel Blut fließen. Schraders Gewaltexzesse erinnern dabei an ähnlich bluttriefende Szenen in Gangsterfilmen von Scorsese, Tarantino oder Ferrara.

Doch im Unterschied zu diesen Vorbildern gibt es hier keine positiven Figuren. Alle drei Protagonisten sind emotional gestört und durchweg brutal. Wenn sie in ihren Kurzschlusshandlungen nur zuschlagen und nicht gleich Köpfe wegschießen, haben die Personen, die ihnen begegnen, Glück gehabt. Obwohl sich die drei geschworen haben, den letzten Coup zusammen durchzuziehen, gehen sie sehr schnell aufeinander los und zerfleischen oder verraten sich gegenseitig. Es gibt hier keine Unschuldigen, nur heimliche Sadisten, auch die Polizisten sind nicht Hüter des Gesetzes, sondern brutale Schläger. Die einzige unschuldige Figur ist das entführte Baby, und über dessen Schicksal wird der Zuschauer am Ende im Dunkeln gelassen, als wäre es überhaupt nicht wichtig, nur ein Handlungspunkt, der gestreift wird, um Troy zu seinem letzten Showdown zu bringen: eine Verfolgungsjagd im roten Nebel mit der Polizei.

Spätestens wenn Troy dabei in Ton und Gestus von Humphrey Bogart verfällt, verrät der Film seinen parodistischen Ansatz. „Wenn Sie diesen Film ernst nehmen, sind Sie hier falsch“, sagte Paul Schrader nach der Premiere von Dog Eat Dog in Cannes. So lässt sich auch erklären, warum man zu keiner Figur einen emotionalen Zugang findet. Gerade die permanente Erwähnung Bogarts von Troy, der findet, er sehe dem Noir-Helden ähnlich, führt diesen Makel des Films deutlich vor Augen. Im Gegensatz zu den Charakteren, die Bogart gespielt hat, sind einem diese Männer hier egal. Bogarts Charaktere waren immer vielschichtig. Sein Detektiv Marlowe ließ sich zwar auch schnell in Schlägereien verwickeln, schien aber irgendwie unter seiner harten Schale doch an irgendein Gesetz zu glauben, wenngleich er ganz im Gestus des hardboiled detective immer wieder das Gegenteil vor sich hin nuschelte. Und auch wenn er einen Gangster spielte, war ein emotionaler Zugang möglich. Für Troy, „Mad Dog“ und Diesel wünscht man sich vielmehr, dass sie geschnappt werden, bevor sie aus Versehen weitere Köpfe wegschießen.

Fast möchte man sagen, Schraders titelgebende Hunde sind eher Wölfe. Aber auch das Bild hinkt, denn dafür sind sie nicht schlau genug, ihnen fehlt der Instinkt; ihre Brutalität ist irre und keinem Überlebenskampf geschuldet. Solche Typen sollten einfach keine Waffen besitzen dürfen. Am Ende ist Schrader also ein Film gelungen, dessen Botschaft der Anti-Waffen-Lobby in Amerika gut gefallen dürfte.

Dog Eat Dog

Die titelgebenden Hunde in Paul Schraders „Dog Eat Dog“ sind keine Haustiere. Das wird schon im Prolog klar. Willem Dafoe schnupft im pinksten Wohnzimmer Amerikas Kokain und schaut dabei eine Talkshow über Waffen, die ganz auf Trump’scher Linie argumentiert: Hätte jeder eine Waffe zuhause, würde es weniger Tote geben. Falls das die These zum Film ist, versucht Schrader, sie in den nächsten rund 90 Minuten zu widerlegen.
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