Dog Bite Dog

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Ein Hundeleben

Neben den hier schon vielfach gepriesenen Veröffentlichungen des DVD-Labels Bildstörung und der teilweise großartigen DVD-Reihe Störkanal gibt es in der letzten Zeit vor allem ein Label, das durch sorgfältig ausgewählte und schön ausgestattete Editionen von Filmen aus den eher etwas abseitigen Bereichen der Filmkunst auf sich aufmerksam macht: Es ist die Reihe „Kino Kontrovers“, die bereits vor einigen Jahren von „Legend Films“ ins Leben gerufen worden war und die gerade unter neuer Regie ihre wundersame Auferstehung feiert. Nachdem nun die von Legend publizierten Titel nun weitgehend neu auf den Markt gebracht wurden und sogar der erste Film seinen Weg ins Kino fand (Paddy Considines sehr großartiger Tyrannosaur, Markus Schleinzers verstörender Michael folgt im Januar), erscheinen gerade die ersten neuen Titel von Kino Kontrovers – unter ihnen auch Pou-Soi Cheangs Dog Bite Dog aus dem Jahre 2006. Um es kurz zu machen – der Film passt ausgezeichnet in die Veröffentlichungspolitik von „Kino Kontrovers“ und dürfte nicht nur Fans des etwas härteren asiatischen Kinos ansprechen.
In dem Film geht es um den aus Kambodscha stammenden Killer Pang (Edison Chen), der von Kindesbeinen an lernen musste, dass das Leben vor allem eine Frage des Überlebens ist, die sich zumeist auf die Frage „Er oder ich“ reduzieren lässt. Weil Pang gleich einem Tier einen ausgeprägten Überlebensinstinkt besitzt, hat er auf der anderen Seite keinerlei Skrupel oder moralische Bedenken, andere Menschen zu töten – er ist eine gut dressierte Kampfmaschine, die von seinen „Herren“ wie ein Hund an der knappen Leine gehalten wird, um seinen Beißreflex, seine animalische Mordlust nicht zu verlieren.

Nun soll Pang nach dem Willen seiner Auftraggeber einen Mord in Hongkong ausführen. Zwar gelingt der Anschlag, doch die Polizei ist dem Killer bald schon auf den Fersen, so dass sich dieser auf eine Müllkippe zurückzieht. Für einen wie ihn, der von ganz unten kommt und der sich in der Stadt nicht auskennt, ist das ein beinahe schon natürliches Rückzugsgebiet. Wenn man in die Ecke getrieben wird, dann zieht es einen eben dorthin, wo es sich vertraut anfühlt – selbst wenn dies der elendeste Ort der Welt sein sollte.

Dort auf der Müllkippe lernt Pang die junge Yue (Pei Weiying) kennen, die bei ihm Schutz sucht vor den inzestuösen Übergriffen ihres Vaters. Wie eine Ertrinkende klammert sich die junge Frau an den Schweigsamen Killer und bittet ihn, er möge sie mit nach Kambodscha nehmen. Immer weiter in die Enge getrieben, gelingt den beiden tatsächlich die Flucht, doch Pang ist mittlerweile in seiner Heimat zu einem Geächteten geworden, der ganz auf sich allein gestellt ist…

Wer nun aufgrund der Beschreibung des Films eine ausgedehnte Gewaltorgie in ästhetisierter Hochglanzoptik erwartet, wie sie für zahlreiche Genrefilme aus Hongkong typisch ist, sieht sich im Falle von Dog Bite Dog zwar getäuscht, aber deshalb nicht zwangsläufig enttäuscht. Denn der Film über einen schweigsamen Killer (erst nach 20 Minuten vernehmen wir die ersten Worte aus Pangs Mund) hat durchaus ihre nicht geringen Qualitäten – nur entsprechen diese eben nicht dem , was man bisher vielfach aus Hong Kong gewohnt ist. Begleitet von einem sehr präsenten Soundteppich aus Musik, Geräuschen und gespenstischer Stille sowie durch die vorwiegend düstere und ausgewaschene Farbpalette malt Pou-Soi Cheang seine schmutzige und unendlich abgründige Geschichte förmlich auf die Leinwand: Grün, braun, grau, ein fahles Gelb, dazu ab und an ein kaltes, verschliertes Neonblau haben der Metropole Hongkong jeglichen Glanz und Zauber genommen.

Vielmehr erscheint die Stadt und mit ihr jeder andere Ort, den Pang im Laufe seiner Odyssee erdulden muss, als Abbild der Hölle auf Erden, als emotionale Einöde, aus der längst jede Mitmenschlichkeit gewichen ist. Wenn man so will, ist Dog Bite Dog eine Endzeit-Apokalypse, angesiedelt in einer tristen Gegenwart, die dennoch durch die zarte Liebesgeschichte zwischen Pang und Yue so etwas wie einen zumindest kleinen Hoffnungsschimmer bereithält. Ein Film, der seinen Zuschauern zwar einiges abverlangt – gerade, wer die sonst actiongeladenen Filme aus Fernost
schätzt, wird hier an einigen Stellen an die Tugend der Langmut erinnert – der aber dennoch durch seinen unbedingten Stilwillen lange Zeit im Gedächtnis bleiben wird.

Sehenswert ist aber nicht nur der Film, sondern auch die zweite Disc, die „Kino Kontrovers“ der schön gestalteten Papphülle mit gelungenem Booklet beigelegt hat: Sie enthält reichhaltiges Zusatzmaterial, unter anderem ein Making of-Featurette, Behind the Scenes, eine Fotogalerie, den Trailer sowie ein lesenswertes Booklet.

Mit Dog Bite Dog beweist „Kino Kontrovers“, dass man sich die nächsten Veröffentlichungen jedenfalls ganz genau anschauen sollte, sofern man bereit ist, neue und aufrüttelnde Filmentdeckungen jenseits der vertrauten Areale des Bekannten und Beliebten zu machen. Schön, dass es solche Reihen gibt, bei denen man dem Geschmack und dem Geschick der Macher so sehr vertrauen kann, wie dies bei dieser Reihe der Fall ist.

Dog Bite Dog

Neben den hier schon vielfach gepriesenen Veröffentlichungen des DVD-Labels „Bildstörung“ und der teilweise großartigen DVD-Reihe „Störkanal“ gibt es in der letzten Zeit vor allem ein Label, das durch sorgfältig ausgewählte und schön ausgestattete Editionen von Filmen aus den eher etwas abseitigen Bereichen der Filmkunst auf sich aufmerksam macht:
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