Die zweite Frau

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Mutti ist doch die Beste?

Erwin Kobarek (Matthias Brandt) ist einundvierzig Jahre alt und lebt immer noch zuhause bei seiner Mutter (Monica Bleibtreu). Gemeinsam betreiben die beiden eine Tankstelle auf dem Lande, leben in symbiotischer Verschränkung und haben all die Rituale, die sonst nur alten Ehepaaren zueigen sind. Doch das soll sich nun ändern. Mithilfe einer rumänischen Heiratsagentur fliegt Erwin mit dem Segen seiner Mutter ins ferne Bukarest, um dort nach einer geeigneten Frau Ausschau zu halten. Man ahnt schnell, dass seine Wahl das Verhältnis zu seiner Mutter auf eine harte Probe stellen wird.
Irina Bobescu (Maria Popistasu) heißt die Auserwählte, die zum arrangierten Rendezvous zu spät erscheint und die auch sonst ihre ganz eigenen Vorstellungen vom Leben und der Liebe hat. Eine starke Frau, genau wie Erwins Mutter. Doch zwei starke Frauen, die über das Muttersöhnchen bestimmen wollen – das geht nicht gut. Und so ist die Stimmung im Hause Kobarek bald angespannt. Denn Irina, die im Titel erwähnte „zweite Frau“ respektiert die eingeschliffenen Gewohnheiten, die den Alltag prägen, nicht, sie strebt nach Veränderung und wird so zur Rivalin der ersten Frau im Hause Kobarek. Die dreiwöchige Probezeit wird für alle Beteiligten zu einer Tortur, an deren Ende es ein einschneidendes Ereignis Erwin vielleicht ermöglicht, sich aus der Umklammerung seiner Mutter zu befreien…

Trotz bester Schauspieler – vor allem Maria Popistasu ist eine echte Entdeckung – ist Die zweite Frau kein überzeugender Film. Was vor allem an der allzu glatten Fernsehdramaturgie, an zahlreichen Klischees und einzelnen Ungereimtheiten des Drehbuchs liegt. So soll Irina, wie wir während des Braut-Castings in Bukarest erfahren, eine ausgebildete Krankenschwester sein. Doch als sie die leblos auf dem Boden liegende Mutter von Erwin vorfindet, reagiert sie eher so, als haben sie noch nie eine Kranke gesehen. Klischeebeladen ist auch, dass sie sommers wie winters in Stiefeln herumläuft – typisch für Osteuropa, zumindest dann, wenn man all den Filmen glauben darf, die sich genau dieses Bildes bedienen. In Wirklichkeit aber ist das ein höchst ärgerliches Vorurteil, ohne das es anscheinend nicht geht. Ähnlich vorhersehbar sind auch die anderen Charaktere geraten – Erwins Aquarium fügt sich ebenso nahtlos in unser Bild vom Muttersöhnchen ein wie Mutterns Kochkünste mit Klößen und Braten und die spießige Einrichtung des gemeinsamen Hauses. Das Gewitter schließlich, während dem endlich Erwins emotionale und vor allem sexuelle Hemmungen fallen, gehört am ehesten in die Kategorie „peinliche (Alt)Männerphantasien“ – subtil jedenfalls geht anders. Besonders bedauerlich, da die Kamera immer wieder Szenen einfängt, die auch auf der großen Leinwand ihre Wirkung entfalten können. Wenn Irina etwa auf dem Dach der Tankstelle hockt, dann gehört das zu den gelungenen Momenten des Films.

Unterm Strich bleibt Die zweite Frau trotz toller Akteure nur TV-Mittelmaß. So man muss angesichts des Trends, die Kinos mit deutschen Filmen zu überschwemmen, die auf der großen Leinwand nichts zu suchen haben, beinahe schon froh sein, dass dieser Film – abgesehen von verschiedenen Festivaleinsätzen – eben nicht ins Kino gelangen wird. Isabelle Mergaults Sie sind ein schöner Mann / Je vous trouve très beau, der eine ähnliche Geschichte erzählt, war jedenfalls wesentlich humorvoller und unterhaltsamer.

Der Film ist am 24.6. 2009 um 20:15 Uhr in der ARD zu sehen.

Die zweite Frau

Erwin Kobarek (Matthias Brandt) ist einundvierzig Jahre alt und lebt immer noch zuhause bei seiner Mutter (Monica Bleibtreu). Gemeinsam betreiben die beiden eine Tankstelle auf dem Lande, leben in symbiotischer Verschränkung und haben all die Rituale, die sonst nur alten Ehepaaren zueigen sind. Doch das soll sich nun ändern. Mithilfe einer rumänischen Heiratsagentur fliegt Erwin mit dem Segen seiner Mutter ins ferne Bukarest, um dort nach einer geeigneten Frau Ausschau zu halten. Man ahnt schnell, dass seine Wahl das Verhältnis zu seiner Mutter auf eine harte Probe stellen wird.
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Meinungen

A. P. Mattejat · 18.04.2013

Der Kommentar von J. Kurz geht am Geschmack eines am guten deutschen Fernsehfilm interessierten weit vorbei.
Mag sein, dass er einen anderen Film meint.
Ich habe selten einen so einfühlsamen und so nuancenreichen Film gesehen. Monica Bleibtreu und Matthias Brandt sind einsame Spitze - sie reizen das etwas schrumpelige Mutter-Sohn Verhältnis in jedem Detail höchst vergnüglich aus.
Ja - Maria Popistasu ist eine Entdeckung -gewesen-!
Jetzt is 2013 und man sieht kaum mehr etwas von ihr.