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Die niedlichste Laserpistole der Filmgeschichte und viel, viel weniger gedankenschwer als Marvel- oder DC-Filme: „Die Unglaublichen 2“ ist nicht perfekt, aber große Unterhaltung.

Die Unglaublichen 2 (2018)

Eine Filmkritik von Rochus Wolff

Die unglaubliche Jack-Jack-Show

Gerade eben hatte sich die Familie Parr wieder zusammengerauft, da bebt die Erde – und mit einer riesigen Bohrmaschine taucht der maulwurfartige „Tunnelgräber“ auf. Zeit also, die Masken aufzusetzen und den Bösewicht einzufangen, der es auf sehr, sehr viel Gold abgesehen hat. Ich verrate aber wohl nicht zu viel, wenn ich sage, dass der Gangster samt seiner Beute entwischt und bei der wilden Jagd mitten durch Municiberg so einiges zu Bruch geht – eine Hochbahn ebenso wie Häuser, Autos und mehr.

Das ist nicht gerade das Szenario, das eine Gesellschaft davon überzeugt, dass Superheldinnen und Superhelden eine gute Sache sind – und so finden sich die „Unglaublichen“ Bob (Mr. Incredible) und Helen (Elastigirl) mit ihren drei Kindern bald wieder anonym in einem Motel untergebracht. Ohne Geld, ohne Unterstützung und ohne Hoffnung, dass sie bald wieder einmal super sein dürfen. In dieser Situation ist ihnen jeder Strohhalm recht …

Das Szenario, mit dem Die Unglaublichen 2 beginnt, schließt nahtlos an die letzten Sekunden von Die Unglaublichen an, der 2004 als ziemliche Überraschung auftauchte. Natürlich hatten sich die Menschen von Pixar mit den beiden Toy Story-Filmen und Findet Nemo schon einen Namen gemacht, aber mit einem so großartigen Film über Superheld_innen hatte wohl kaum jemand gerechnet. Zumal zu diesem Zeitpunkt zwar Sam Raimi schon seinen ersten Spider-Man gemacht hatte, das „Cinematic Universe“ von Marvel aber allenfalls eine vage Möglichkeit erschien.

Das ist jetzt anders, und man darf durchaus fragen, wie sich Brad Birds Fortsetzung seines eigenen Erfolgsfilms zu den Entwicklungen der vergangenen 14 Jahre positioniert. Die Antwort ist: erstaunlich wenig. Man kann, wenn man möchte, die beschriebenen Zerstörungen in Municiberg als Anspielung auf Zack Snyders Dampfhammerfinale in Batman v Superman: Dawn of Justice verstehen, nach denen ein Verbot von Superheld_innen ja durchaus nicht verkehrt erscheint; man findet diese Diskussion natürlich auch in den verschiedenen Iterationen der Marvel-Filme. Aber all das hatte Die Unglaublichen eben auch schon 2004 antizipiert und thematisiert.

Vielleicht ist auch das Team von Nachwuchs-Superheld_innen, das sich schließlich um Elastigirl bilden wird, eine freundliche Reverenz an die „Justice League“, die „Avengers“ oder die „Legends of Tomorrow“. Aber zugleich wirken die von Bird neu eingeführten „Möchtegerns“ dafür eigentlich zu lässig hingeschludert – mehr als seien sie vor allem dazu da, um mit den Fähigkeiten der zwei, drei etwas ausführlicher vorgestellten Figuren besondere visuelle Gags und Actionsequenzen zu ermöglichen.

Damit ist auch das zentrale Problem von Die Unglaublichen 2 schon beschrieben: Der Film wirkt, obwohl (oder weil) er so lange auf sich warten ließ, in mancher Hinsicht unfokussiert, fast nachlässig. Das liegt zum Teil an den vielen neuen Figuren und zum Teil daran, dass einer der beiden Hauptstränge der Erzählung nicht wirklich zünden will – und kann.

Um die Superheld_innen zu rehabilitieren, nehmen die Parrs die Hilfe des charmanten Unternehmers Winston Deavor (dessen Name natürlich im Englischen ein kleines Wortspiel ist) an, eine Art sozialverträglicher Elon Musk, der gemeinsam mit seiner Schwester Evelyn, einer genialen Erfinderin, einen Plan ausgeheckt hat: Elastigirl soll, ausgestattet mit Bodycam und neuen Gadgets, als Medienstar die öffentliche Wahrnehmung der „Unglaublichen“ ändern und so Einfluss auf die Gesetzgebung zu nehmen. Elastigirl bekommt es dann auch sehr schnell mit einem neuen Superbösewicht zu tun, dem „Screenslaver“, der Menschen über Bildschirme hypnotisieren und steuern kann.

Mr. Incredible hingegen muss nun, ein wenig widerwillig, den Part des Vollzeitvaters Bob Parr übernehmen. Er scheitert dann natürlich an allen möglichen Stellen: Dem Schwarm seiner pubertierenden Tochter Violetta lässt er versehentlich das Gedächtnis löschen, seinem Sohn kann er nicht bei den Matheaufgaben helfen, weil sich die Lösungswege seit seiner eigenen Kindheit verändert haben – und Baby Jack-Jack ist ein ganz eigenes, besonderes Bündel an Problemen.

Das Problem an dieser Konstellation ist, dass sie sich zwar konsequent in die retrofuturistische Realität von Die Unglaublichen einfügt, die in ihrer Ästhetik die 1950er/1960er Jahre aufruft (schon im ersten Film fühlte sich alles eher nach den grandiosen Szenarien von James Bond als nach Superheld_innen an; 2018 zitiert die Musik sogar das musikalische Thema des Agenten). Aber Scherze über überforderte Vollzeitväter in der Realität des 21. Jahrhunderts wollen halt doch nicht mehr so ganz zünden. Natürlich ist Elternschaft, vor allem mit kleinem Kind, erschöpfend – aber nicht nur für etwas unbeholfene Väter. Da wirkt der Film stellenweise unnötig altbacken und behäbig.

Nötig wäre das freilich nicht gewesen, denn es gibt genug aufregende und tolle Ideen. Die Unglaublichen 2 ist immer noch einer der elegantesten, spannendsten und am wenigsten verdrucksten Superheld_innen-Filme der letzten Jahre. Elastigirls Einsätze und Verfolgungsjagden sind spannend und visuell toll gemacht, ihre halbwüchsigen Kinder werden natürlich am Ende auch ebenso gebraucht wie die Kräfte von Mr. Incredible; am meisten Freude machen aber zwei andere Figuren. Edna Mode, Modedesignerin par excellence, hat wieder einen (leider viel zu) kurzen Auftritt und stiehlt allen anderen mit jeder Geste die Show, darling.

Und dann ist Jack-Jack. Das Baby der Parrs, seinen Windeln noch lange nicht entwachsen, zeigte am Ende des ersten Films auf einmal ungewöhnliche Fähigkeiten. Diese entwickeln sich weiter, er zaubert immer wieder neue Eigenheiten aus seinem Genpool, so dass ich am Ende beide Hände brauchte, um mit meinen Kindern alle seine Super-Eigenschaften zu sammeln und aufzuzählen. Jack-Jack ist, um das mal kurz zu sagen, schon jetzt die niedlichste Laserpistole der Filmgeschichte.

Dem Kind gehört dann auch die großartigste Szene des ganzen Films – ein Kampf gegen einen Bösewicht auf Augenhöhe, einem sehr hungrigen Waschbären nämlich. Diese Auseinandersetzung (durch mehrere Dimensionen, Wände und Fenster hindurch) ist umwerfend komisch, aber völlig rücksichtslos konsequent; in ihrer (natürlich stets familientauglich-unblutigen, aber cartoonhaft überzogenen) Radikalität erinnert dieser Kampf an alte Warner-Cartoons – Wiley E. Coyote und der Roadrunner lassen grüßen.

Warnung: Bestimmte Szenen des Films sind womöglich dazu geeignet, bei Personen mit entsprechender Neigung (Photosensibilität) epileptische Anfälle oder ähnliche Ereignisse auszulösen.

Die Unglaublichen 2 (2018)

Nachdem ihr schmuckes Eigenheim im ersten Teil dem Erdboden gleichgemacht wurde, wohnt die Superhelden-Familie Parr nun in einem neuen Zuhause. Während Bob alias „Mr. Incredible“ sich um den Nachwuchs kümmert, steht in der Fortsetzung Helen alias „Mrs. Incredible“ alias „Elastigirl“ im Mittelpunkt der Story.

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