Die Reise des Personalmanagers (2010)

Eine Filmkritik von Lida Bach

Kein Ort, nirgends

Yulia Petracke ist der wichtigste Name in Die Reise des Personalmanagers. Eran Riklis‘ cineastische Fahrt über die Um- und Abwege des Lebens ist ist im Grunde die Reise der Yulia Petracke. Dabei sitzt Yulia als einzige des skurrilen Figurenensembles nicht mit in dem alten Wagen, in dem ihr abweisender Sohn (Noah Silver), der ehrgeizige Reporter einer Jerusalemer Zeitung (Guri Alfi) und ein von Frau und Tochter entfremdeter Bäckereiangestellter (Mark Ivanir) auf die Suche nach einem Platz für Yulia gehen. Yulia selbst sagt dazu nichts.

Überhaupt bleibt sie eher passiv, bis Die Reise des Personalmanagers des israelischen Regisseurs und Drehbuchautors und die Reise des Personalmanagers – jenes Bäckereiangestellten – gemeinsam ein (hinter)sinniges Ende finden. Der Name ihres Heimatortes bleibt unbekannt, als hätte sie nie eine Heimat gehabt. Im Leben ist sie überall eine Fremde und droht es auch danach zu bleiben. Denn Yulia Petracke ist tot.

Tot ist sie schon vor Beginn der schwarzen Komödie oder humorvollen Tragödie. Selbst nach ihrem Tod kann die Heimatlose nicht zur Ruhe kommen. Das Wiesel hat sie wieder ausgegraben; nur im übertragenen Sinne, denn beerdigt ist Yulia noch nicht. Das Wiesel ist der Reporter, der um das Opfer eines terroristischen Anschlags eine Skandalreportage strickt. Die negative Presse diffamiert den Personalmanager, der von dem Todesfall beruflich und emotional betroffen ist, obwohl er die Existenz der verstorbenen Arbeiterin nicht ahnte. Die Witwe (Gila Almagor) seines Vorgesetzten schickt den verschlossenen Hauptcharakter aus nach Yulias unbekanntem Herkunftsort, an dem sie beigesetzt werden soll. Ihr Sohn will sie in ihrem entlegenen rumänischen Herkunftsort beerdigen und Die Reise des Personalmanagers verwandelt sich in einen kafkaesquen Gang nach Canossa über verschneite Straßen und durch winzige Dörfer. Der Winter ist hart im Herkunftsland der Immigrantin, doch gerade hier entsteht eine überraschende seelische Wärme, die den Personalmanager immer mehr mit seinen eigenen Wünschen in Konflikt bringt. Die langwierige Versöhnung von Yulias Familie scheint nur möglich, wenn er die Klassenfahrt seiner Tochter verpasst, auf die er eigentlich mitfahren will – und mit ihr die letzte Chance auf seine eigene Familienversöhnung.

Der Weg ins Ungewisse folgt immer skurrileren Wendungen. Doch selbst das Unwahrscheinliche wirkt authentisch und glaubhaft, wo Alltäglichkeit nicht existiert. Riklis‘ einfühlsame Satire der Absurditäten dieser Welt und der nächsten ist zugleich eine bittere Kritik an der Gleichgültigkeit gegenüber dem Individuum und der Instrumentalisierung des Todes, ob zum Zwecke des Terrors oder der Sensationsgier. Niemand nimmt von Yulia solange sie lebt Notiz, sei es auch nur rein formell. Unter der Hand wird sie angestellt und wieder entlassen. Ihre Anwesenheit bleibt genauso unbemerkt wie ihr Verschwinden. Eine Bedeutung erhält ihr Leben erst, nachdem es geendet hat. Der Terror und die Opfer, die er fordert, sind zu etwas Gewöhnlichem geworden. Aufsehen erregen sie nur, wenn sie ausgeschlachtet werden. Selbst der Artikel, dem ihr Tod als Aufhänger dient, betrauert sie nicht, sondern schmäht einen anderen. Der auf die menschliche Anteilnahme der Zeitungsleser abzielende Artikel beklagt den Mangel an der menschlicher Anteilnahme, die ihm selbst fehlt. Der Vorwurf der Unmenschlichkeit trifft ausgerechnet den Protagonisten, der sich als menschlichster unter den Charakteren erweist. Er ist ein Namenloser wie alle übrigen Figuren außer der Toten in der tragisch-komischen Verfilmung von Abraham B. Jehoshuas Roman The Jerusalem Woman.

Die verschrobene (nach)weltliche Komödie blickt mit Spott auf die Verworrenheit von Gesellschaft und Bürokratie und voller Verständnis auf die des Herzens. Die Suche nach einem Platz für die Verstorbene wird zur Suche nach einem Platz für die Lebenden: ein einem Heim und dem Gefühl von Zugehörigkeit, sei es an einem Ort oder ein einer Gemeinschaft. Dass Die Reise des Personalmanagers aus einer Toten eine lebendige Protagonistin macht, deren Geschichte das Dunkel zwischenmenschlicher Gleichgültigkeit erhellt, ist Riklis‘ eigenes absurdes Kunststück.
 

Die Reise des Personalmanagers (2010)

Yulia Petracke ist der wichtigste Name in „Die Reise des Personalmanagers“. Eran Riklis‘ cineastische Fahrt über die Um- und Abwege des Lebens ist ist im Grunde die Reise der Yulia Petracke.

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen

caco · 10.12.2011

ein sehr geiler film

Herbert · 06.12.2011

Ich habe gerade versehentlich "gefällt mir gedrückt", obwohl ich versehentlich in einem anderen war letzten Samstag