Die Passion der Beatrice

Eine Filmkritik von Falk Straub

Zwischen Heiligen und Barbaren

Bertrand Tavernier gilt als Chronist des Alltäglichen, dessen Filme – egal ob in der Gegenwart oder weit in der Vergangenheit angesiedelt – häufig einen Generationenkonflikt verhandeln. In Die Passion der Beatrice tut er dies im düsteren Mittelalter und gleich über zwei Generationen hinweg.
François de Cortemart (Sébastien Konieczny) ist schon als Kind kein Kind von Traurigkeit. Als sein Vater in den Krieg zieht, verteidigt der Zehnjährige die Ehre seiner Mutter. Mit einem Dolch ersticht François deren Geliebten im elterlichen Bett, noch bevor es zum Vollzug kommt. Sein Vater wird nicht aus dem Feld zurückkehren, sein Verhältnis zu Frauen wird nie mehr so sein wie zuvor.

Jahre später zieht der Adelige als Erwachsener (jetzt: Bernard-Pierre Donnadieu) gemeinsam mit seinem Sohn Arnaud (Nils Tavernier) selbst gegen die Engländer aus. Wie einst François harrt nun Beatrice sehnsüchtig der Rückkehr des Vaters. Doch der Krieg hat François verändert. Auf dem Schlachtfeld gab es weder Ruhm zu erringen noch Ehre zu verteidigen. Dort hat er jeden Glauben an Gott und an die Menschen verloren. Mit einer Bande Strauchdiebe zieht François brandschatzend übers Land, um seine leere Kriegskasse aufzubessern. Wieder zu Hause wendet er sich schließlich gegen seine Familie, vergewaltigt seine Tochter und erklärt den Sohn zum Freiwild.

Bertrand Taverniers Historienfilme sind stets Gegenentwurf zur weichgespülten Hollywood-Variante des Mittelalters. Strahlende Ritter und Jungfrauen in Nöten sucht man hier vergebens. Tavernier zeigt seine Figuren als Getriebene zwischen himmlischem Heilsversprechen und irdischem Verlangen. Es ist eine Welt, in die der Prozess der Zivilisation bereits Einzug gehalten hat, aber noch auf tönernen Füßen steht. Eine Welt, in der die Regenten noch lustvoll mit den Händen essen und die Mütter ihre unerwünschten Neugeborenen qualvoll im Schnee ersticken. Frauen sind hier entweder Heilige, Hexen oder Huren. Doch wen wundert das? Nach Ansicht der Kirche sind sie dem Mann untergeordnet, ist doch nur der Mann nach Gottes Abbild geschaffen.

Dieser Logik folgend sieht François kein Verbrechen darin, sich mit seiner Tochter zu vereinigen. Ebenso wenig wie die Kirche ein Verbrechen begeht, wenn sie in Gottes Namen eine Klausnerin verbrennt, die ihr Gelübde gebrochen hat. Das Heilige und die Barbarei liegen nahe beieinander. Bruno de Keyzers ruhige, teils düstere Bilder übertragen diese Beklemmung auf die visuelle Ebene. Der Schlamm in den Straßen ist förmlich greifbar, die Kälte der Gemäuer spürbar. In den Außenaufnahmen lässt die Kamera ihren Blick aber auch über die Landschaften schweifen und die Hitze des Sommers auf der Leinwand flirren.

Julie Delpy spielt Beatrice. In einer ihrer ersten tragenden Rollen ist sie grandios. Dieses Mädchen ist eine im falschen Geschlecht Geborene. Beatrice ist wild und ungestüm, viel mutiger als ihr Bruder. François hätte lieber seine Tochter zum Sohn gehabt als den sensiblen Arnaud, der beim Anblick der Engländer hoch zu Ross defäkiert. Bernard-Pierre Donnadieu gibt Delpys Widerpart als seelenlosen Tyrannen, dem man seine Lieb- und Leblosigkeit schon am leeren Blick ansieht.

Neben dieser Familiengeschichte erzählt Die Passion der Beatrice ganz beiläufig zahlreiche kleine Episoden: von einem Mann, der in der Abwesenheit seines Herrn zu viel Zeit im Frauenzimmer verbracht hat, von einer Amme, die über die Kraft von Jungen und Mädchen nachdenkt, oder von reichen Bürgerlichen, die mit ihrem Geld schleichend die Macht des Adels unterwandern. Eine düstere Vorausschau auf das, was noch kommen wird.

Die Passion der Beatrice

Bertrand Tavernier gilt als Chronist des Alltäglichen, dessen Filme – egal ob in der Gegenwart oder weit in der Vergangenheit angesiedelt – häufig einen Generationenkonflikt verhandeln. In „Die Passion der Beatrice“ tut er dies im düsteren Mittelalter und gleich über zwei Generationen hinweg.
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