Die Österreichische Methode

Eine Filmkritik von Peter Gutting

Extreme Erfahrungen

Nur Clara hat einen Hirntumor. Aber in Lebensgefahr schweben sie irgendwie alle: die Hauptfiguren in diesem beeindruckenden Episodenfilm. Fünf Nachwuchsregisseure verweben ihre Geschichten so, dass unter der Oberfläche eine gemeinsame Einsicht heranreift: Nur wer sich in Gefahr begibt, kommt nicht darin um.
„Wie würdest du dich umbringen, wenn du dich umbringen würdest?“ Mit dieser Frage fängt es an. Als gehe es längst nicht mehr um das Ob, sondern nur noch um das Wie. Aber der Eindruck täuscht. Zwar kommen alle fünf Hauptfiguren irgendwann an den Punkt, an dem sie sich ernsthaft mit dem Thema Selbstmord auseinandersetzen oder sogar einen Versuch machen. Aber Die österreichische Methode ist nicht in erster Linie ein Film über Lebensmüde. Es geht viel eher darum, durch eine Grenzerfahrung ins Leben zurückzukehren oder vielleicht zum ersten Mal darin anzukommen. Es geht um das Gefühl, in einem falschen Leben zu stecken und das eigentlich Wichtige zu verpassen. So wie man bei der Diagnose einer schweren Krankheit plötzlich nicht mehr begreift, wie man sein Leben mit all diesen alltäglichen Sorgen und kleinlichen Verstrickungen vertun konnte.

Auf den ersten Blick haben die Schicksale von Clara, Julia, Maleen, Eva und Mona wenig miteinander zu tun. Clara flieht vor ihrer Krankheit und möchte sich umbringen. Julia möchte ihre Abgründe erkunden. Maleen kommt in der Liebe zu kurz. Eva geht an einem verheirateten Liebhaber kaputt und Mona hat es mit einem Psychopathen zu tun.

Das sind alles eigene Geschichten mit eigenen Drehbüchern. Aber sie sind so ineinander geschnitten, dass sich schon nach den ersten Minuten die Spannung von der einen auf die andere überträgt. Da schleicht sich plötzlich eine unheilvolle Ahnung ein, wenn Maleen aufs Hausdach steigt, obwohl die Szene ganz harmlos ist. Die junge Frau wollte einfach nur frische Luft schnappen.

Gefährlich wird’s aber trotzdem. Alle Figuren geraten in seelische Extreme, bei denen man nicht weiß, was als Nächstes passieren wird. Psychologisiert wird dabei nicht, die Gründe für das Unbehagen bleiben im Dunklen. Gezeigt wird nur, was ist. Das allerdings auf eine intensive und zuweilen schonungslos genaue Weise. So entsteht das Psychogramm einer Generation der um die 30-Jährigen, die irgendwie noch nicht im Leben angekommen sind. Sie alle verbindet eine Sehnsucht nach echten, großen Erfahrungen. Das gönnen ihnen die fünf Regisseure, allesamt Absolventen der Kölner Filmhochschule, wenn sie die Frauen und ihre Partner durch die Nacht begleiten: jede getrennt von der anderen, aber seelenverwandt und vereint durch Schnitt und Bildsprache.

Weil jedes Leiden auch komisch ist, darf vor allem Julia ein paar skurrile Erfahrungen beisteuern. Etwa wenn der Tankwart nach 20 Uhr keinen Alkohol mehr verkaufen will, aber wundersamer Weise eine Kundin auftaucht, die über die zwei Kästen Bier in ihrem Auto verhandeln würde. Und wenn die junge Frau dann zu Fuß mit dem Bier durch die Nacht irrt und von einer resoluten alten Dame aufgegabelt wird, die das merkwürdige „Gepäck“ und das rätselhafte Gebaren einfach nur gut findet.

Übrigens: Was die „österreichische Methode“ des Suizids ist, verrät der Film natürlich auch: Nachts in den Alpen volltrunken im Schnee einschlafen und erfrieren. Zum Glück ist das in einer deutschen Großstadt leichter gesagt als getan.

Die Österreichische Methode

Nur Clara hat einen Hirntumor. Aber in Lebensgefahr schweben sie irgendwie alle: die Hauptfiguren in diesem beeindruckenden Episodenfilm.
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