Die Liebenden - Von der Last, glücklich zu sein

Eine Filmkritik von Carolyn Höfchen

Gibt es eine glückliche Liebe?

Lieber ein Leben lang ein leichtes Mädchen sein als Liebeskummer haben —  so zumindest sehen das Madeleine (Catherine Deneuve) und ihre Tochter Véra (Chiara Mastroianni). Die Geschichte von Christophe Honorés Film Die Liebenden – Von der Last, glücklich zu sein führt uns vom Paris der 1960er Jahre in das London von heute. Alles dreht sich um die beiden Frauen und um die Männer, die sie lieben. Die sentimentale Reise zwischen dem Damals und dem Heute macht Station in Prag, Montréal und Reims.
Der Film beginnt in den 1960er Jahren, wo Madeleine als Schuhverkäuferin in Paris arbeitet. Sie ist eine strahlende, verführerische junge Frau, die das Leben leicht nimmt. Gleich zu Beginn des Films stiehlt sie ein Paar Schuhe in dem Geschäft, in dem sie arbeitet, als sei es selbstverständlich. Um sich ein bisschen Taschengeld zu verdienen, prostituiert sie sich hin und wieder. Diese Madeleine, in ihren jungen Jahren wunderbar gespielt von Ludivine Sagnier, folgt ihrem Liebhaber Jaromil (Milos Forman), einem Medizinstudenten, nach Prag. Dort wird ihre Tochter geboren, Véra. Vor dem Hintergrund des Prager Frühlings 1968 und mit dem Einrücken russischer Panzer kehrt sie mit Véra nach Paris zurück, während Jaromil zurückbleibt.

Dort baut sie ein neues Leben auf, heiratet wieder, diesmal einen Soldaten (Michel Delpech). Zwar liebt Madeleine ihn nicht, aber wenigstens ist sie nun finanziell abgesichert und kann ein Leben ohne materielle Sorgen führen. Ihre Liebe aber gilt nur Jaromil, der immer wieder in ihrem Leben auftaucht, um dann kurz darauf wieder zu verschwinden. Unterdessen wird Véra älter und lernt ihrerseits ebenfalls die Liebe kennen. Aber ähnlich wie ihre Mutter erlebt sie nur sprunghafte Liebeleien, nichts Ernstes.

Zeitsprung, wir sind in London. Véra ist erwachsen, verkörpert nun von Chiara Mastroianni. Sie ist eine nachdenkliche und sensible junge Frau. In London verliebt sie sich in einen Amerikaner (Paul Schneider) – der schwul ist. Véra wiederum wird vergeblich von Clément (Louis Garrel) geliebt, ihrer Daueraffäre. Ein Auf und Ab der Gefühle beginnt, nicht nur bei ihr, sondern auch bei ihrer Mutter Madeleine (jetzt gespielt von Catherine Deneuve). Keine der beiden Frauen schafft es, eine konstante Linie in ihr Leben zu bringen. Jede von ihnen hat ihre ganz eigene Art, mit diesem persönlichen Dilemma fertig zu werden. Wohin das Gefühlschaos letztendlich führt, überrascht den Zuschauer am Ende ganz plötzlich. War doch der erste Teil des Films so beschwingt wie eine leichte Komödie, nimmt Die Liebenden – Von der Last, glücklich zu sein im zweiten Teil eine tragische Wendung.

Christophe Honoré verknüpft Liebe und Zeit, er zeigt uns vor dem Hintergrund verschiedener historischer Ereignisse, dass Liebe nicht immer gleichermaßen einfach ist. In den 1980er Jahren etwa wird die Krankheit Aids bekannt, das Liebesleben wird komplizierter als noch in den 1960ern. Die Geschichten der beiden Frauen kreuzen sich den ganzen Film hindurch. Sie werden älter, ein bisschen reifer (oder auch nicht…), aber gegen ihre Gefühle kommen sie nicht an. Sie singen sich durch die zeitlichen Epochen und ihren Herzschmerz, begleitet von den wundervollen Liedern aus der Feder von Alex Beaupain.

Es gibt keine glückliche Liebe, darin sind sich Mutter und Tochter einig. „Ich kann ohne Dich leben, aber ich kann nicht leben, ohne Dich zu lieben“, so lautet die mehrmals wiederkehrende Zeile eines Liedes, gesungen von Madeleine und Véra, Deneuve und Mastroianni. Traurig, poetisch, schön.

Chiara Mastroianni ist überzeugend wie nie, empfindsam und romantisch. Seit Honorés Film Non ma fille, tu n’iras pas danser (2009) scheint sie die neue Entdeckung des Regisseurs. Was die Tochter von Catherine Deneuve und Marcello Mastroianni, dem „alter ego“ der italienischen Regisseurlegende Federico Fellini, hier zeigt, ist herausragende Schauspielkunst.

Catherine Deneuve selbst ist — wie immer — eine Perle der Leinwand. Man denke an die Meisterwerke von François Truffaut, an die vieles in Die Liebenden – Von der Last, glücklich zu sein erinnert. Überhaupt ist Honorés Film eine unterschwellige Hommage an die Nouvelle Vague, die Gefühle, die Liebeslieder. Hohe Absätze stöckeln durch Paris, die Kamera folgt leidenschaftlich den Beinen der Schauspielerinnen. Eine Faszination, die an Truffauts Begeisterung für seine Darstellerinnen erinnert. Unter allen Künstlern der Nouvelle Vague ist es jedoch vor allem Jacques Demy, der Musik in seinen Filmen immer großen Platz einräumte, der Honorés Film von Anfang an seinen Stempel aufdrückt.

Die Liebenden – Von der Last, glücklich zu sein ist ein gesungener Film über das Glück und das Unglück in all ihren verschiedenen Facetten; kein Musical zwar, aber dennoch sind es die Gesangseinlagen, die die Geschichte letztlich knüpfen. Der Film ist unbekümmerte Komödie und tiefsinnige Tragödie zugleich; und wie die umwerfenden Frauenfiguren, so schwebt auch der Zuschauer in diesem Strudel der Gefühle zwischen Leichtigkeit und Melancholie.

Die Liebenden - Von der Last, glücklich zu sein

Lieber ein Leben lang ein leichtes Mädchen sein als Liebeskummer haben —  so zumindest sehen das Madeleine (Catherine Deneuve) und ihre Tochter Véra (Chiara Mastroianni). Die Geschichte von Christophe Honorés Film „Die Liebenden – Von der Last, glücklich zu sein“ führt uns vom Paris der 1960er Jahre in das London von heute. Alles dreht sich um die beiden Frauen und um die Männer, die sie lieben. Die sentimentale Reise zwischen dem Damals und dem Heute macht Station in Prag, Montréal und Reims.
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Meinungen

Carsten Kriska · 23.04.2012

Ein Liebesfilm wie "Die Liebenden" braucht die Welt zwar nicht wirklich, doch ist es interessabt zu sehen, wie belastend es ist, glücklich zu sein ... obwohl ich das etwas anders sehe ... wenn es eine Last ist, glücklich zu sein, dann ist es eine Kunst, es zu bleiben.

Enzo Cortile · 18.04.2012

Interessant ist dabei noch die familiäre Tatsache, dass Mme Deneuve in Demys Film "Les demoiselles de Rochefort" zusammen mit ihrer älteren Schwester singt, die kurz nach den Dreharbeiten tragischerweise früh verstarb.