Die Liebe und Viktor

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Don Quichotte im Prenzlberg

Wie dieser Typ schon aussieht: Die Haare wirr, die Brille viel zu groß, der Blick stets trauerumflort und die Haltung erbarmungswürdig. Es besteht kein Zweifel – Viktor (Hendrik von Bültzingslöwen) ist ein richtiger Nerd, wie er im Buche steht. Und weil so ein Typ natürlich keinen Schlag bei den Frauen hat, hat sich Viktor nach einem Ohnmachtsanfall im Baumarkt umständliche Theorien zurechtgelegt, warum es mit der Liebe an sich nicht hinhauen kann. Bei ihm nicht und auch bei niemand anderem sonst. Seiner Mutter (Madeleine Lierck-Wien) ist so ein Jammerlappen bald schon zuviel und so steht der Kerl schnell auf der Straße und findet nur mit viel Glück Unterschlupf bei seinem Freund aus Kindertagen Otto (Isaak Dentler). Aber auch hier eckt Viktor mit seinen Meinungen und Theorien an, besonders bei Ottos Freundin Therese (Julia Becker).
Als Viktor Miguel Cervantes‘ Roman Don Quichotte in die Hände fällt, wird ihm schlagartig klar, dass auch er ein Ritter von der traurigen Gestalt ist. Und wie die Romanfigur, so muss auch er (natürlich mit Hilfe seines getreuen Sancho Panza Otto) gegen die Windmühlen der Liebe ankämpfen. Da Otto ein großes Herz hat, lässt er sich auf das Spiel ein. So ziehen die beiden hoch zu Drahtesel durch Berlin und sagen der Liebe den Kampf an.

Eines aber gibt ihnen schon zu denken: Wer in Teufels Namen ist dieser schmuddelige ältere Kerl (Rolf Zacher), der Viktor nachts auf der Gästecouch erscheint und der von sich behauptet, ER sei der wahre Don Quichotte? Und zwar nicht jener aus La Mancha, sondern der Don Quichotte von Treuenbrietzen. Aha…

Zugegeben, die Geschichte dieses Very-Low-Budget-Films hört sich reichlich wirr an. Und das ist sie auch. Debütfilme junger deutscher Regisseure sehen meistens anders aus – braver, straighter und in gewisser Weise auch kalkulierter. All dies kann man dieser schrägen Independent-Komödie nun wahrlich nicht vorwerfen. Die Liebe und Viktor ist auch deshalb ein außergewöhnlicher Film, weil er ohne jede Filmförderung oder andere Unterstützung von außen und für das geradezu lächerliches Budget von gerade mal 10.000 Euro gedreht wurde. Ehrlich gesagt sieht man das dem Film auch deutlich an. Wer hohe Filmkunst oder eine Geschichte mit allzu viel Anspruch sucht, ist hier mit Sicherheit fehl am Platz. Auch spricht der eher juvenile und meist wenig subtile Humor des Films mutmaßlich eher ein jüngeres Publikum an. Und Vollnerds an der Grenze zur Lebensunfähigkeit sollte man ebenfalls sympathisch finden, sonst verlässt man wohl nach spätestens einer halben Stunde den Saal.

Für absurden Trash wie Die Liebe und Viktor, bei dem man sich fragt, ob die offensichtlichen Schnittfehler und miserablen Schauspielerleistungen eigentlich beabsichtigt sind oder nicht, muss man schon in der richtigen und möglichst ausgelassenen Stimmung sein. Am besten geht man in diesen Film in fröhlicher Runde und unter Zuhilfenahme von einigen alkoholischen Getränken. Dann kann er richtig viel Spaß machen.

Regisseur Patrick Banush, von dem auch das Drehbuch zu diesem Debütfilm stammt, hat vor kurzem der für sein Radiofeature „Lost In Music — Die Cornel Chiriac-Story“ (SWR/WDR/BR) gerade die zwei begehrtesten internationalen Hörfunkpreise erhalten – den Prix Italia 2009 für das weltweit originellste und den Prix Europa 2009 für das beste europäische Radiofeature. Banush schrieb früher Gags und Sketche für Komiker wie Harald Schmidt, Anke Engelke und auch Harald Juhnke. Später jobbte er als Drehbuchlektor, Werbetexter und Musiker.

Die Liebe und Viktor

Wie dieser Typ schon aussieht: Die Haare wirr, die Brille viel zu groß, der Blick stets trauerumflort und die Haltung erbarmungswürdig. Es besteht kein Zweifel – Viktor (Hendrik von Bültzingslöwen) ist ein richtiger Nerd, wie er im Buche steht.
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