Die Kommune (2016)

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Zusammen allein

Nachdem Thomas Vinterberg mit der Hardy-Verfilmung Am grünen Rand der Welt eine internationale Produktion vorgelegt hat, kehrt er mit Die Kommune nach Dänemark zurück. Wie bei Die Jagd und Submarino hat er mit Tobias Lindholm das Drehbuch geschrieben, wie in Das Fest haben Ulrich Thomsen und Trine Dyrholm die Hauptrollen übernommen. Sie spielen den Architekturdozenten Erik und die TV-Nachrichtensprecherin Anna, die seit 15 Jahren ein Paar sind und zusammen ihre Tochter Freia (Martha Sofie Wallstrøm Hansen) haben.

Nachdem Eriks Vater gestorben ist und seinem Sohn ein großes Haus in einem gutbürgerlichen Viertel hinterlassen hat, beschließen sie auf Annas Betreiben hin, dort mit Bekannten und Freunden in einer Kommune zu leben. Anna ist langweilig, wie sie gegenüber Erik freimütig bekennt, sie kenne alle seine Geschichten und sehne sich nach anderen Gesprächen. Erik zögert, ihm scheint das Leben mit seiner Frau und seiner Tochter zu reichen, er will die Aufmerksamkeit und eben diese Gespräche, die Anna langweilen, nicht missen. Aber ihr zuliebe lässt er sich darauf ein und schon bald ziehen der aufbrausende Ole (Lars Ranthe), das Paar Ditte (Anne Gry Henningsen) und Steffen (Magnus Millang) mit ihrem herzkranken Sohn Vilads (Sebastian Grønnegaard Milgrabt), der wütend-sensible Allon (Farres Farres) und die hübsche Mona (Julie Agnete Vang) mit ihnen zusammen.

Nur selten lenkt der Film den Blick auf die Welt außerhalb der Kommune, stattdessen interessiert sich Die Kommune vor allem für die Dynamiken zwischen Menschen, die zusammenleben und deren Folgen für das Paar Anna und Erik. Allein die Auswahlgespräche mit den zukünftigen Mitbewohnern inszeniert Thomas Vinterberg mit großem Gefühl für Timing und Pointen, die Eigenheiten der jeweiligen Erwachsenen und ihre Schwächen werden mit wenigen Worten und Gesten deutlich. Der Fokus des Films liegt indes auf Anna und Erik, auf ihrer Beziehung, die endgültig ins Wanken gerät, als Erik sich auf eine Affäre mit seiner Studentin Emma (Helen Reingaard Neumann) einlässt. Emma erscheint wie eine verjüngte Ausgabe von Anna, sie ist ebenfalls blond und hübsch, vor allem aber sagt sie Eric schon vor dem ersten Kuss, dass sie ihn so will, wie er ist. Und nachdem seiner Frau genau das gerade nicht mehr reichte, findet er in Emma eine aufmerksame Partnerin, mit der er über Architektur reden kann, die seine Ideen gut findet und seinen Ausführungen lauscht. Sie hört es ja zum ersten Mal. Deshalb folgt auf die beschwingte und lustige erste Hälfte des Films ein Schwung ins Dramatische: Erik gesteht Anna die Affäre – und sagt ihr, dass es mehr als nur ein Ausrutscher ist. Hierbei zeigt sich wieder einmal, dass skandinavische Filme solche Situationen in der Regel pragmatisch anlegen: Nachdem Freia zufällig die Affäre entdeckt, zögert Erik nicht, seiner Frau die Wahrheit zu sagen, damit seine Tochter nicht lügen muss. Er betont gegenüber Freia, dass es ungesund sei, über solche Dinge zu lügen – und erspart ihr damit, ein Geheimnis vor ihrer Mutter zu bewahren. Stattdessen spricht Erik mit Anna, sie gehen offen und insbesondere anfangs sehr vernünftig damit um. Da Anna ihre Vorstellung von ihrem Leben und ihr Selbstbild als begehrte und gleichermaßen tolerante Frau nicht aufgeben will, bietet sie schließlich sogar an, dass Emma ebenfalls in die Kommune ziehen könne.

Ebenso wie bei Eriks Entscheidung für die Kommune weiß der Zuschauer auch bei Annas Angebot, dass diese Situation nicht für alle Beteiligten gut ausgehen kann. Nachdem sich Vinterberg in Die Jagd – und mit Abstrichen auch in Das Fest – hauptsächlich mit den Gefühlswelten seiner männlichen Protagonisten auseinandersetzte, konzentriert sich Die Kommune nun mit zunehmendem Verlauf auf Anna, für deren Verkörperung Trine Dyrholm auf der Berlinale 2016 mit dem Silbernen Bären als beste Darstellerin ausgezeichnet wurde. Anna ist nicht einfach nur die betrogene Ehefrau, die durch das Ende ihrer Ehe zusammenbricht. Vielmehr ist von Anfang an im Drehbuch durch wenige Sätze angelegt, dass ihr in ihrem Leben etwas fehlt. Erst ist es die bereits erwähnte Langeweile, hinzu kommen eine große Routine im Job – und auch Schwierigkeiten mit dem Älterwerden. Deshalb nimmt sie das Ende ihrer Ehe nicht nur so schwer, weil sie ohne Erik nicht leben könne – wie Emma vermutet –, sondern weil sie sich mit einem Bruch in ihrem Leben konfrontiert sieht, den sie nicht herbeigeholt hat, sondern der ihr in gewissem Maße geschieht, nachdem sie eine erste Veränderung vorgenommen hat. Diese Veränderung betrifft jedoch nicht nur sie, sondern auch ihre Tochter, die das Scheitern der Ehe ihrer Eltern aus der Distanz beobachtet. Immer wieder fängt die Kamera ihren Blick ein, ihren stillen Schmerz. Dabei scheint in ihr zunehmend die Erkenntnis zu erwachsen, dass sie keine Zeit zu verschwenden hat – und so sucht sie den Jungen auf, in den sie sich verliebt hat. Martha Sofie Wallstrøm Hansen versteht es, mit ihrer Mimik viel zu sagen, immer wieder fängt die Kamera die Gesichter der direkt und indirekt Beteiligten in diesem Zusammenleben ein, in denen sich ihre Verschiedenheiten und Ansichten widerfinden lassen.

Es ist dieses Gespür für menschliche Eigenheiten und die Feinheiten des Zusammenlebens, das in Die Kommune besonders gelungen ist. Die basisdemokratischen Entscheidungen, die dann im entscheidenden Moment nicht mehr allzu demokratisch sind, die Anteilnahme, die gelegentlich zur Aufdringlichkeit wird, die Geselligkeit, die durch Misstöne gestört wird. Hier erinnert Vinterbergs Film durchaus an Lukas Moodyssons Zusammen!, folgt insgesamt jedoch stärker einer vorgezeichneten Dramaturgie. Immer wieder kommt es zu Entwicklungen, die einen kleinen, überraschenden Haken haben, aber innerhalb der Figuren glaubwürdig angelegt sind. Dadurch zeichnet der Film einen Rhythmus des Lebens, in dem immer wieder Herzen gebrochen werden und bei dem man auch – dem Regisseur und seinen vorigen Filmen sei es gedankt – immer wieder mit Katastrophen rechnet. Leider fügt Vinterberg am Ende noch einen weiteren tragischen Moment ein, der nicht nötig gewesen wäre, zumal er zuvor mit der Einstellung des Gesichts von Viladas den perfekten Schlussmoment gefunden hatte. Insgesamt jedoch ist Die Kommune ein tragikomischer Film über das (Zusammen-)Leben.
 

Die Kommune (2016)

Nachdem Thomas Vinterberg mit der Hardy-Verfilmung „Am grünen Rand der Welt“ eine internationale Produktion vorgelegt hat, kehrt er mit „Die Kommune“ nach Dänemark zurück. Wie bei „Die Jagd“ und „Submarino“ hat er mit Tobias Lindholm das Drehbuch geschrieben, wie in „Das Fest“ haben Ulrich Thomsen und Trine Dyrholm die Hauptrollen übernommen.

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen