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Mit der hervorragend gefilmten apokalyptischen Vision „Die Klapperschlange“ zeigte sich die Angstkino-Koryphäe John Carpenter Anfang der 1980er Jahre auf dem absoluten Karrierehöhepunkt.

Die Klapperschlange (1981)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Action in E-Moll

Mit „Halloween – Die Nacht des Grauens“ trug der US-Regisseur John Carpenter Ende der 1970er Jahre maßgeblich zur Etablierung eines Subgenres, des Slasher-Movies, bei. 1980 lieferte er mit dem düsteren Küstenstadtmärchen „The Fog – Nebel des Grauens“ ein filmisches Musterbeispiel für die Erzeugung einer bedrohlich-spukhaften Atmosphäre. Und 1982 schuf er mit „Das Ding aus einer anderen Welt“ eines der besten und einfallsreichsten Remakes der Kinogeschichte mit eiskalter Paranoia-Stimmung und voller drastisch-grandioser Spezialeffekte.

Zwischen den beiden letztgenannten Werken entstand noch eine weitere Regiearbeit, die sich ins kollektive Gedächtnis einschreiben sollte und bereits ein Jahr vor Ridley Scotts modernem Klassiker Blade Runner (1982) diverse Cyberpunk-Elemente auf die Leinwand brachte: In Die Klapperschlange entwerfen Carpenter und sein Co-Autor Nick Castle eine Dystopie, die heute bereits wieder in der Vergangenheit, und zwar im Jahre 1997 liegt, aber traurigerweise immer noch sehr wirkmächtig mit unseren Zukunftsängsten zu spielen vermag.

Innerhalb dieses Erzählkosmos wurde Manhattan nach einem gigantischen Anstieg der Verbrechensrate zu einem ausbruchssicheren Gefängnis umfunktioniert. „Einmal drin, kommst du nie wieder raus“, steht in großen, fetten Lettern auf dem alten deutschen Filmplakat. Die Gefangenen haben sich hier selbst eine Welt geschaffen – eine barbarische Metropole, beherrscht vom Duke (Isaac Hayes). Ausgerechnet hier lässt eine terroristische Gruppe die Air Force One abstürzen. Der Präsident der Vereinigten Staaten (Donald Pleasence) überlebt dank einer Rettungskapsel, muss nun jedoch aus dem von hohen Mauern umschlossenen Gefängnis befreit werden.

Der Gefängnisleiter Bob Hauk (Lee Van Cleef) bietet dem Sträfling und Ex-Elite-Soldaten S. D. „Snake“ Plissken (Kurt Russell), der gerade nach Manhattan befördert werden sollte, einen Deal an: Wenn er den Präsidenten sowie eine wichtige Audiokassette, die sich in dessen Besitz befindet, innerhalb von weniger als 24 Stunden aus Manhattan herausholen kann, ist er seine Strafe los. Um ihn unter Druck zu setzen, werden Snake unfreiwillig Mini-Kapseln injiziert, die nach Ablauf der knappen Frist ohne ein Gegenmittel explodieren würden. So begibt sich Snake mit einem Segelflugzeug auf eine gefährliche Mission, während der Countdown in roten Ziffern auf seiner digitalen Armbanduhr läuft.

Als finsterer Mix aus Science Fiction, Action und urbanem Western lebt Die Klapperschlange unter anderem, wie so oft bei Carpenter, von seinem Gänsehaut-Score, der mit seinen eindringlichen Synthesizer-Klängen die Endzeitanmutung des Settings perfekt unterstützt. Neben der Musik, die der Genremeister gemeinsam mit Alan Howarth komponierte, ist auch die ausgeklügelte Kameraführung bemerkenswert, die das Klaustrophobisch-Unentrinnbare der Gefängnisinsel einfängt. Das Drehbuch zeichnet derweil ein zutiefst pessimistisches Bild davon, wie der Staat mit Bürgerrechten umgeht – und wie die Menschen unter diesen perfiden Bedingungen zu grausamen Geschöpfen werden.

Schön ist, wie der Autorenfilmer viele bekannte Gesichter aus seinen Filmen zum Einsatz bringt und deren Facettenreichtum demonstriert. So etwa Kurt Russell, mit dem Carpenter schon im TV-Biopic Elvis – The King (1979) zusammengearbeitet hatte und der daraufhin auch die Hauptrolle in Das Ding aus einer anderen Welt übernehmen sollte. Oder Carpenters damalige Ehefrau Adrienne Barbeau, die bereits als Heldin in The Fog glänzte und hier die Kriminelle Maggie verkörpert. Und nicht zuletzt Donald Pleasence, der in Halloween den Killer Michael Myers verfolgte und nun als Staatsoberhaupt selbst gerettet werden muss. Leinwandveteranen wie der Italowestern-Star Lee Van Cleef (Zwei glorreiche Halunken), der Charakterdarsteller Ernest Borgnine (Marty) und der einzigartige Harry Dean Stanton (Paris, Texas) verleihen dem Werk in markanten Nebenparts mal bösen Witz, mal erstaunliche Tragik – und tragen dazu bei, dass Die Klapperschlange ein virtuoser audiovisueller Eighties-Trip wird.

Die Klapperschlange (1981)

Eine Filmkritik von Renatus Töpke

Flucht aus New York

Nach den Achtungserfolgen, die John Carpenter mit Dark Star und Assault – Anschlag bei Nacht erzielte, wurde es Zeit für den kommerziellen Breakthrough. Mit Halloween wurde 1978, zwei Jahre nach Assault, die Ernte endlich eingefahren. Als 1981 Die Klapperschlange die Kinos enterte, befand sich Carpenter auf seinem Höhepunkt.

1997: Die Zukunft. Der Präsident der USA stürzt mit seiner Air Force One über New York ab und landet somit im größten und sichersten Gefängnis der Welt. Bei sich trägt er ein Tonband mit Daten, die einen vierten (!) Weltkrieg verhindern könnten. Da der Präsident nicht von Harrison Ford, sondern von Donald Pleasence gespielt wird, muss Hilfe von außen ran. Einem Suchtrupp unter der Leitung von Bob Hauk (diabolisch: Lee Van Cleef) wird vom Herrscher über die Stadt, Isaac „Shaft“ Hayes, nahe gelegt, sich möglichst unverzüglich zu verziehen. Einzige Möglichkeit an das Tonband zu kommen – der Präsident ist eher Beiwerk – ist nun der Gefangene Snake Plissken (Kurt Russell, der mit dieser Rolle seinen Weltruhm begründete). Es ist nicht die Aussicht auf Straffreiheit, die Snake den Job annehmen lässt. Mit einer Injektion, die ihn langsam tötet, gefügig gemacht, wird er mit einem Segelflieger in die, von einer gigantischen Mauer von der Außenwelt abgegrenzte Stadt geschickt. Nicht der Weg, das Tonband ist das Ziel. Was Snake erwartet, führt selbst einen harten und furchtlosen Kämpfer wie ihn an seine Grenzen…

Die Klapperschlange ist einer der Meilensteine des Action- bzw. Science-Fiction-Kinos. Mit einem, selbst für damalige Verhältnisse schmalen Budget von fünf Millionen Dollar wird eine Welt erschaffen, die der heutigen gar nicht so fern ist. Ganze Straßenzüge in Flammen, marodierende Horden, Militärdiktatur. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Die 1996 gedrehte Fortsetzung Flucht aus L.A. ist im direkten Vergleich zwar aufwändiger, jedoch um einiges zahmer.

Endlich hat man es geschafft, Carpenters Meisterwerk ansprechend auf den DVD-Markt zu bringen. Neben zwei Making of-Features mit Interviews und Trailern gibt es den launigen Audiokommentar mit John Carpenter und seinem Buddy Kurt Russell und einen alternativen Anfang. Ton und Bild sind absolut zufrieden stellend.
 

Die Klapperschlange (1981)

Mit der hervorragend gefilmten apokalyptischen Vision „Die Klapperschlange“ zeigte sich die Angstkino-Koryphäe John Carpenter Anfang der 1980er Jahre auf dem absoluten Karrierehöhepunkt.

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Meinungen

Martin Zopick · 08.06.2021

In einer dystopischen Weltlage stürzt der US-Präsident in Manhattan ab. Spezialist Snake (Kurt Russell) holt ihn da raus. Das vorhersehbare Ende schmälert zwar die Spannung, ist aber gut zum Downchillen, denn Kurt haut schon ordentlich drauf, doch die Stunts auch die im Showkampf gegen einen Profi wirken heute wie Kindergeburtstag. Die Nebenfiguren bestimmen den Reiz des Films. Donald Pleasence gibt den Präsidenten relativ unbeeindruckt, da ist der sonst wortkarge Harry Dean Stanton als ‘Brain‘ mit dem Durchblick schon ein ganz anderes Kaliber. Auch der immer freundlich lächelnde, auf einfältig getrimmte Ernest Borgnine erfüllt seine kleine Rolle mit Leben. Ebenso wie die durch ihre Oberweite punktende Adrienne-TheFog-Barbeau. Wenn nichts mehr optische Reize aussendet, lockt sie mit tiefem Dekolleté. Und bis auf den Präsidenten komme alle um. Und dessen Rede war auf einer Cassette, die Kurt, the Snake, austauscht. So ist nur heiße Luft zu hören. Das wichtigste für ihn ist seine optische Darstellung im TV.
Vielleicht ist die hohe Frequenz der Sendetermine verantwortlich für den Kultstatus.