Die Hüter des Lichts

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Zeit der Wunder, Zeit des Staunens

In Deutschland ist Jack Frost, die vor allem in den USA verbreitete Personifikation des Winters, bislang weitgehend unbekannt. Doch mit seiner Hauptrolle in Die Hüter des Lichts, dem neuen Film aus der Animationsschmiede DreamWorks, der pünktlich zur Weihnachtszeit in die Kinos kommt, könnte dem eiskalten Gesell eine europäische Karriere bevorstehen, die fast schon an die rasante Verbreitung des uramerikanischen Festes Halloween erinnert. Trotz eines (animierten) Casts, der sichtbar in den amerikanischen Kindheitsmythen wühlt, ist die Story so allgemein gehalten und so universell und temporeich ausgeführt, dass hier nicht nur US-Kids, sondern auch Kinder aus „Old Europe“ das Staunen lernen und wiederentdecken können.
Genau um dieses kindliche Staunen geht es auch im innersten Kern des Plots, der in verblüffender Weise an Erwachsenen-Action wie The Avengers erinnert. Weil ein finsterer Gesell namens „Pitch Black“ (im Deutschen entspricht diese Gestalt dem „Schwarzen Mann“, mit dem widerborstige Kinder früher gerne diszipliniert wurden) eifersüchtig auf die wahren Helden der Kindheit ist und weil es ihn nach Anerkennung dürstet, schickt sich dieser Fiesling an, mit Hilfe seiner Albträume die Kinderwelt zu verdunkeln. Klar, dass die vier vom Mann im Mond eingesetzten „Hüter des Lichts“ — der Weihnachtsmann, der Osterhase, die Zahnfee und der Sandmann — die einzigen sind, die die schurkischen Absichten durchkreuzen können. Weil Pitch Black aber schon lange an seinem Plan arbeitet und keinerlei Skrupel kennt, geraten die Helden schnell ins Hintertreffen, bis ihnen offenbart wird, dass ausgerechnet Jack Frost ihnen bei ihrem Kampf helfen kann. Der freche Junge mit den schneeweißen Haaren aber glaubt genauso wenig an seine Berufung zu Höherem wie die übrigen Hüter des Lichts. Erst als sich Jack mit Hilfe der Anderen auf die Suche nach seiner eigenen Herkunft macht und sich damit den Dämonen der eigenen Vergangenheit stellt, kann er über sich hinauswachsen…

Mit seinen Anleihen von den erwachsenen Vorbildern aus dem Action-Bereich, den sympathisch-schrägen Helden nebst ihren auf den Punkt konstruierten Sidekicks und Running Gags, seiner Mischung aus Geschwindigkeit, Witz und Sentimentalität ist Die Hüter des Lichts auf den ersten Blick als typischer Vorweihnachtsfilm erkennbar, der wie viele andere den Spagat schaffen muss zwischen zeitgeistiger Konsumkritik einerseits und hemmungsloser Massenkompatibilität andererseits. Wenn man bereit ist, diese immanenten Widersprüche hinzunehmen, ist Die Hüter des Lichts ein weitestgehend vergnüglicher und erfreulich unbesinnlicher Film über das Staunen und die kindliche Freude und über deren Bedrohung durch finstere Kräfte.

Obwohl visuell aus allen Rohren (auch aus denen, wo 3D draufsteht) geschossen und neben rasanten Verfolgungsjagden jede Menge Glitter, Glimmer und Traumsand verstreut wird und sich auch die Soundebene nicht lumpen, sondern es viel lieber ordentlich krachen lässt, mag sich Festtagsstimmung nicht wirklich einstellen.Denn so ganz fügen sich die einzelnen Bestandteile nicht zu einem schmackhaften Naschwerk zusammen. Das liegt zum einen daran, dass Ostereier und Weihnachtsgebäck, Zahnfee-Geschenke und Sandmann-Träumereien dann doch des Wunderbaren ein wenig zu viel ist. So viel geballte Kindheitsfreuden muss man zumindest als Erwachsener erstmal verwinden. Zweitens merkt man bei aller Perfektion und Meisterschaft in nahezu jedem Bereich stets hinter allem die Absicht, den festen Willen zu verzaubern, statt es einfach zu tun.

Es ist wie manchmal bei den Filmen von DreamWorks, besonders dann, wenn man diese mit den Konkurrenzprodukten aus dem Hause Pixar vergleicht: Ein wenig kommt es einem so vor, als würde ein nicht sehr beliebter Klassenprimus ein schwieriges Gedicht auswendig auf dem Podium einer Schulweihnachtsfeier vortragen — perfekt intoniert, mit sorgfältig antrainierten Pausen an genau den richtigen Stellen, mit genau abgezirkelter Bravour vorgetragen, fehlt dem Stück vor lauter Willen zur Perfektion diese gewisse Lässigkeit, dieses Selbstbewusstsein und das nötige Selbstvertrauen – und zuletzt auch das Herz, um wirklich zur Gänze begeistern zu können. Gut und auf visuell wie narrativ ansprechendem Niveau unterhalten zu werden ist ganz bestimmt keine Schande. Aber erwartet man nicht gerade in der Vorweihnachtszeit und wider besseren Wissens doch ein wenig mehr Magie?

Die Hüter des Lichts

In Deutschland ist Jack Frost, die vor allem in den USA verbreitete Personifikation des Winters, bislang weitgehend unbekannt. Doch mit seiner Hauptrolle in „Die Hüter des Lichts“, dem neuen Film aus der Animationsschmiede DreamWorks, der pünktlich zur Weihnachtszeit in die Kinos kommt, könnte dem eiskalten Gesell eine europäische Karriere bevorstehen, die fast schon an die rasante Verbreitung des uramerikanischen Festes Halloween erinnert.
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