Die Hölle von Henri-Georges Clouzot (2009)

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Eine Dokumentation mit Thriller-Qualitäten

Bereits vor Beginn der Dreharbeiten im Jahre 1964 galt er als zu erwartende, spektakuläre Innovation innerhalb der Filmwelten: Der Spielfilm L’Enfer / Die Hölle des französischen Regisseurs Henri-Georges Clouzot, der letztlich nicht vollendet wurde. Dieser schonungslose Betrachter des Existentiellen, dessen Filme sich durch eine enorme Sorgfalt bei den Vorbereitungen sowie bei der Inszenierung auszeichnen, erschien entschlossen zu sein, in diesem Projekt seine radikalen Vorstellungen von Filmkunst pointiert umzusetzen, wie es die geradezu abenteuerliche, Aufsehen erregende Dokumentation Die Hölle von Henri-Georges Clouzot auf äußerst ansprechende, anschauliche Art darstellt. Nachdem US-amerikanische Produzenten von Columbia Pictures die Probeaufnahmen zu L’Enfer gesichtet hatten, erhielt Henri-Georges Clouzot als seinerzeit bedeutender Filmemacher die Zusage eines unbegrenzten Budgets, um diesen Film zu realisieren. Doch die Dreharbeiten standen unter keinem guten Stern und durchsetzten sich mit ungeahnten Schwierigkeiten, bis sie schließlich nach drei Wochen auf Grund eines Herzinfarkts des Regisseurs eingestellt werden mussten – das tragische Ende eines passionierten Projekts, dessen außergewöhnliche Geschichte von Serge Bromberg und Ruxandra Medrea einem Thriller gleich rekonstruiert wird.

Eine rasende Eifersucht mit fatalen Folgen bildet das zentrale Thema von L’Enfer, und für die Hauptrollen des Paares hat sich Henri-Georges Clouzot Romy Schneider (Odette) und Serge Reggiani (Marcel) erwählt. Die beiden führen nach ihrer Hochzeit gemeinsam ein kleines Hotel in einem Ferienort am Meer, und während sich die junge Odette zunehmend den sinnlichen Reizen ihrer Umgebung hingibt, stürzen Argwohn und peinigende Ängste ihren um einiges älteren Gatten in einen Strudel des Wahnsinns, aus dem es letztlich kein Entrinnen gibt. So schlicht wie die simpel erscheinende Handlung sich gestaltet, so experimentell und sensationell nimmt sich das erhaltene, umfangreiche Filmmaterial aus, dessen eindrucksvolle Impressionen die Dokumentation Die Hölle von Henri-Georges Clouzot von 2009 zum ersten Mal präsentiert. Hier begegnet ein harmonisches Schwarzweiß grellen Farben, werden die Gesichter der Akteure in beweglichen Collagen miteinander verbunden und kommen zahlreiche raffinierte künstlerische Effekte um Licht und Spiegel zum Einsatz, so dass durch diese befremdlichen Wahrnehmungen eine halluzinatorische Parallelwelt zur vordergründigen Dramaturgie entsteht. In diesen aufwändigen, penibel konstruierten Details liegt die Faszination begründet, die L’Enfer umweht, der trotz oder wegen seines Scheiterns zu einer Legende der Filmhistorie geraten ist.

Um ausgewählte Passagen aus dem Filmmaterial webt Die Hölle von Henri-Georges Clouzot ein hervorragend recherchiertes, packendes Geflecht aus Erzählungen einiger damals beteiligter Protagonisten des ehrgeizigen Projekts, flankiert von dem karg anmutenden Schauspiel von Bérénice Bejo (Odette) und Jacques Gamblin (Marcel), die Dialogszenen des Paares einsprechen. Die Dokumentation wurde mit einem César und dem Étoile d’or du cinéma français für Serge Bromberg und Ruxandra Medrea prämiert und erhielt den Preis der internationalen Jury bei den Filmfestspielen von São Paulo. Ebenso spannend, kultiviert und rauschhaft visuell wie der Dokumentarfilm gestalten sich die Extras auf der DVD, zuvorderst der letzte Spielfilm von Henri-Geroges Clouzot aus dem Jahre 1968: Seine Gefangene / La prisonnière, ein aufwühlendes erotisches Drama in künstlerischem Ambiente. In ganz bedeutsamem Maße hat die Kunst in vielfältigen Ausprägungen das filmische Schaffen dieses ambitionierten, akribischen Regisseurs geprägt, und der Dokumentation über sein unvollendetes, von Mythen umgebenes Projekt ist es bravourös gelungen, die Kunstfertigkeit des Henri-Georges Clouzot in ihren prägnanten Einzelheiten darzustellen. Damit entsteht gleichzeitig das Porträt eines tatkräftigen Visionärs und Liebhabers der Präzision des Visuellen jenseits der üblichen Sehgewohnheiten, das immens inspirierende Impulse birgt.
 

Die Hölle von Henri-Georges Clouzot (2009)

Bereits vor Beginn der Dreharbeiten im Jahre 1964 galt er als zu erwartende, spektakuläre Innovation innerhalb der Filmwelten: Der Spielfilm „L’Enfer“ / „Die Hölle“ des französischen Regisseurs Henri-Georges Clouzot, der letztlich nicht vollendet wurde.

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