Die Hollars - Eine Wahnsinnsfamilie (2016)

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Es ist nur das Leben

Der US-Independentfilm bekommt zunehmend einen schlechten Ruf: Zu formelhaft sei er, zu vorhersehbar, zu kalkuliert ziele er auf Wohlgefühl und Erbauung ab. Keinen dieser Vorwürfe kann Die Hollars — Eine Wahnsinnsfamilie tatsächlich entkräften, der sich schon mit seinem Plot perfekt in die Reihe der Indie-Krebsdramödien einfügt: Der erfolglose Graphic-Novel-Autor John Hollar (John Krasinski) lebt in New York, seine Verlobte Rebecca (Anna Kendrick) ist hochschwanger und er schlägt sich mit einem ungeliebten Büro-Job durchs Leben. Dann erfährt er, dass seine Mutter Sally (Margo Martindale) einen Gehirntumor hat, also reist er in seine heimatliche Kleinstadt zurück und verbringt die Zeit mit seinem Vater Don (Richard Jenkins) und seinem Bruder Ron (Sharlto Copley) am Krankenbett der Mutter. Hier ist er wieder, der erfolglose Künstler, der ach so liebenswerte Verlierer als Hauptfigur eines Indie-Films, die durch die temporäre Rückkehr in ihre Heimatstadt und den Schoß der Familie mit den Träumen und Hoffnungen der Vergangenheit sowie den Versäumnissen der Gegenwart konfrontiert wird. Natürlich läuft auch in Johns Familie nicht alles rund: Vater Don ist nicht nur angesichts des Gesundheitszustands seiner Frau, den er zu lange ignoriert hat, verzweifelt, sondern steht auch kurz vor der finanziellen Pleite, Bruder Ron ist wieder bei den Eltern eingezogen und stalkt seine Ex-Frau sowie die beiden Töchter und Mutter Sally steht eine lebensgefährliche Operation bevor.

Insbesondere in der ersten Hälfte des Films ist die Handlung überfrachtet, vorhersehbar und oftmals motivisch äußerst schlicht. Dass Don seine Frau „Chief“ nennt, soll 40 Jahre Ehe beschreiben, dass Johns Verlobte reich ist, auf ein mögliches Defizit hinweisen. Die Figuren sind nur wenig entwickelt: John soll möglichst liebenswürdig, seine Ex-Freundin möglichst verführerisch sein, Johns Bruder Ron soll der verzweifelte Durchschnittsamerikaner sein, der ja ach so „lustige“ rassistische Dinge sagt, und untermalt wird alles gefälligen, indietypischen Singer-Songwriter-Klängen. Welche Art Humor der Film wählt, zeigt schon die Namensgebung Don, Ron und John; zudem wird der Witz niemals aus den Charakteren oder Situation entwickelt, sondern bleibt überwiegend Behauptung.

Dass Die Hollars — Eine Wahnsinnsfamilie dennoch einige gute Szenen entwickelt, ist insbesondere der Besetzung des Elternpaares zu verdanken: Richard Jenkins mischt Sturheit mit Schwäche und Verzweiflung, die großartige Margo Martindale verbindet Warmherzigkeit, Reflexion und Humor. Ihr Vermögen, aus den wenigen Ansätzen des Drehbuchs Charaktere zu entwickeln, sorgt dafür, dass tatsächlich ein wenig Interesse an dieser Familie entsteht.

Besonders schmerzlich ist, dass inmitten der vielen Krisen, Klischees und Neurosen eine wunderbare Geschichte übersehen wird: Die Hollars — Eine Wahnsinnsfamilie hätte ein Film über die (bedingungslose) Liebe in einer Familie und die Ursache von (männlichen) Versagensängsten werden können, die sich vor allem darauf gründen, andere Menschen zu enttäuschen. In den wenigen Momenten, in denen der Film sich hierauf konzentriert, ist er überraschend berührend: Wenn John mit seiner Mutter aus dem Krankenhaus für ein gemeinsames Abendessen vor der Operation flieht, wenn Don, Ron und John Sally mit den Indigo-Girls-Songzeilen „The best thing you’ve ever done for me / Is to help me take my life less seriously / it’s only life after all“ Mut vor der Operation ansingen wollen – oder wenn John angesichts der bevorstehenden Vaterschaft seine Ängste gesteht und sich seine Freundin als diejenige entpuppt, die ihn weitaus besser kennt und versteht als er vermutet hat. Von diesen Momenten hätte Die Hollars — Eine Wahnsinnsfamilie mehr vertragen können. Stattdessen aber hält sich der Film lieber an die Konventionen des Feel-Good-US-Independent-Kinos. Schade.
 

Die Hollars - Eine Wahnsinnsfamilie (2016)

Der US-Independentfilm bekommt zunehmend einen schlechten Ruf: Zu formelhaft sei er, zu vorhersehbar, zu kalkuliert ziele er auf Wohlgefühl und Erbauung ab. Keinen dieser Vorwürfe kann „Die Hollars — Eine Wahnsinnsfamilie“ tatsächlich entkräften, der sich schon mit seinem Plot perfekt in die Reihe der Indie-Krebsdramödien einfügt:

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