Die Frau in Schwarz

Eine Filmkritik von Lida Bach

Das Dorf der verlorenen Kinder

Eel Marsh House steht seit vielen Jahren in den sumpfigen Marschen Englands und wird für noch für viele stehen. Dort, in den jakobinischen Erkern und dumpfen Räumen des Gebäudes, ist der Tod zu Hause. Er ruft Arthur Kipps (Daniel Radcliff) in die entlegene Ortschaft Crythin Gifford, wo der junge Anwalt den Besitz der verstorbenen Mrs. Drablow auflösen soll. Die alte Dame war die letzte lebende Bewohnerin von Eel Marsh House, aber nicht dessen einzige. Der Tod ist nicht erst mit ihrem Sterben eingezogen, sondern haust schon lange in dem verfallenden Bau, zu dem keiner der abweisenden Dorfbewohner Kipps vorlassen will. Aber dem Unheil lässt sich nicht ausweichen. Es kommt ihm entgegen in der dunklen Silhouette, in der er es zu spät erkennt — als Die Frau in Schwarz.
Manche Häuser sind böse, schrieb Shirley Jackson in The Haunting of Hill House, an dessen psychologisches Grauen Susan Hills Romanvorlage The Woman in Black anknüpft. Das wahre Ausmaß ihrer Erkenntnis über die emotionale Eindruckskraft bestimmter Stätten scheint Jackson verschwiegen zu haben. Nicht allein Häuser können böse sein, sondern auch Orte. Innsmouth aus dem Horrorkosmos H. P. Lovecrafts ist ein solcher Ort. Ein anderer das menschenleere Moorland um Eel Marsh House, dessen furchtsamer Klang James Watkins cineastische Spukgeschichte durchzieht. Nur verhalten sprechen die Bewohner von Crythin Gifford den Namen aus, als reiche er schon aus, um das Übel zu beschwören. „Sie glauben nicht an Geister und solche Dinge, oder?“, fragte der Gutsbesitzer Daily (Ciaran Hinds), der dem Fremden als einziger hilfsbereit begegnet. „Früher nicht“, erwidert Kipps. Doch seit dem Tod seiner Frau sei er sich nicht mehr sicher.

Diese schmerzlich-sanfte Mischung aus Schauer und Sehnsucht, die das Übersinnliche für jene, die den Verlust eines geliebten Menschen nicht verwinden können, gewinnt, verbindet die wenigen, sorgsam gezeichneten Charaktere miteinander. Auf der Zugreise von London streift Kipps Blick über einen Zeitungsartikel über eine Seance und Mr. Daileys (Janet McTeer) agiert als Medium, um mit ihrem verstorbenen Sohn zu kommunizieren. Er soll das Thema Kinder ganz vermeiden, rät Mr. Daily seinem jungen Besucher, der selbst Vater ist. Seine Bitte steht im Einklang mit dem beunruhigten Schweigen der Dorfbewohner, hinter dem die Wahrheit umso lauter schreit. In Gestalt von Porträts, leer stehenden Spielzimmern und alten Puppen sind die toten Kinder gegenwärtig. In der mit wohldosierten Schreckensmomenten in Tradition der Geisterbahnschauer klassischer Hammer-Filme gespickten Horrorelegie sehnen sich nicht die Geister nach der Welt der Lebenden, sondern die Lebenden nach dem Geisterreich.

Etwas Schleimiges, Modriges liegt im Namen des Familiensitzes, den Mrs. Drablow mit ihrem adoptierten Neffen Nathaniel, dem Kind ihrer unverheirateten Schwester Jennet, bewohnte. Nach Nathaniels Unfalltod ist Eel Marsh House mit seinen von Fäulnis und Moder durchwachsenen Mauern selbst ein Grabmal, im Grunde jedoch gilt dies für das ganze Dorf. Der Schrecken von Watkins stimmungsvoller Wiederbelebung des britischen Gothic-Films in der Hammer-Tradition ist der Tod derer, die einem am nächsten stehen. Jener Schrecken verfolgt in der schwermütigen Szenerie die Anwohner in der wohl grauenvollsten Form: dem Tod der eigenen Kinder. Das viktorianische Trauerkleid der Titelfigur verweist gleichzeitig auf den Schmerz, den sie durch erzwungene Weggabe und Tod ihres Sohnes erlitt, und den Schmerz der Anwohner. Dann, wenn wieder eines der Kinder stirbt, weil jemand die tragische Titelfigur gesehen hat.

Die Vorstellung, eine Hand zu den sehnlich Vermissten ins Jenseits strecken zu können, hat nichts Tröstendes. Der grausige Umkehrschluss ist, dass die Toten ins Diesseits greifen können – und zwar nach dem, was einem am liebsten ist. Beide kreiert Watkins Geisterkino, das im besten Sinne tief in der Schuld von Lewis Allens Der unheimliche Gast / The Uninvited (1944) und Robert Wises Bis das Blut gefriert / The Haunting (1963) steht, in gleichsam düster-suggestiver Schaurigkeit.

Die Frau in Schwarz

Eel Marsh House steht seit vielen Jahren in den sumpfigen Marschen Englands und wird für noch für viele stehen. Dort, in den jakobinischen Erkern und dumpfen Räumen des Gebäudes, ist der Tod zu Hause. Er ruft Arthur Kipps (Daniel Radcliff) in die entlegene Ortschaft Crythin Gifford, wo der junge Anwalt den Besitz der verstorbenen Mrs. Drablow auflösen soll.
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Meinungen

Martin Zopick · 08.08.2023

Ein ganz früher Film von Regisseur James-BastilleDay-Watkins. Hier erweist er seine Referenz Henry James oder den Brontës. Er hat Promis mit an Bord, vor allem Daniel Radcliffe und den Superstar für Stoffe, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts spielen Ciaran Hinds, als Séancen das Gesellschaftsbild prägten. Der Plot ist sekundär, die Machart von Bedeutung. Den Titel nimmt Watkins wörtlich: außer der Frau in Schwarz (Liz White) präsentiert sich auch so die Atmo und das Ambiente. Die üblichen Register werden gezogen: akustisch und optisch, Leichen werden exhumiert und aus spiritistischen Gründen begraben, Spieluhren untermauern die geheimnisvoll unheimliche Szenerie im Halbdunkel. Der Aberglaube war zur Zeit der Aktionen von Anwalt Radcliffe noch weit verbreitet. Er und Ciaran Hinds kämpfen dagegen an. Wie sie die Kinderleichen aus dem Moor mit einem Automobil herausziehen ist schon ein echtes Highlight des Films. Diese realistische Darstellung verlässt die Regie am Ende aber wieder und tanzt zwischen Wirklichkeit und Wunschtraum hin und her. Wobei als Zugeständnis an den Publikumsgeschmack das Wünschenswerte die Oberhand behält und egal ob tot oder lebendig die Hauptakteure stapfen munter und in Freuden zuversichtlich davon.
Ohne echte Lösung bietet der Film angenehmen Grusel.

Sepp · 18.04.2012

Die Story ist nicht die beste, aber die Schock-Momente sind der Hammer...allein deswegen lohnt sic der Film...

Barsch · 16.04.2012

... unglaublich langweilig. Liebloser Horror-Versuch ohne Nervenkitzel. Story wirkt platt und abstrus.

Barsch · 16.04.2012

... unglaublich langweilig. Liebloser Horror-Versuch ohne Nervenkitzel. Story wirkt platt und abstrus.

Nici · 10.04.2012

Film ist spannend und unheimlich
Würde ihn aber nicht unbedingt weiterempfehlen.
Man wartet die ganze Zeit auf die Auflösung warum was passiert, diese erfolgt aber nicht.
Ende war undurchsichtig und überhaupt nicht gut.
Enttäuschend