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Liebliche Romanze und raues Überlebensdrama auf hoher See. Geht diese Mischung in Baltasar Kormákurs Rekonstruktion einer realen Begebenheit am Ende auf?

Die Farbe des Horizonts (2018)

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Unbeugsam

Bereits im Fischerdrama The Deep und im Bergsteigerinferno Everest befasste sich der spanisch-isländische Filmemacher Baltasar Kormákur mit realen Unglücken, die den Involvierten unmenschliche Qualen abverlangten. Insofern erscheint er geradezu prädestiniert für die ebenfalls auf Tatsachen beruhende Geschichte, die „Die Farbe des Horizonts“ erzählt. Während der Originaltitel „Adrift“ recht nüchtern, aber unmissverständlich die Seenotlage der Protagonisten beschreibt, rückt das blumige deutsche Pendant das romantische Element in den Blick, das in Kormákurs Aufarbeitung ebenfalls eine prominente Rolle spielt.

Als die junge Weltenbummlerin Tami Oldham (Shailene Woodley) im Jahr 1983 auf Tahiti landet, glaubt sie, im Paradies angekommen zu sein. Mit Gelegenheitsjobs hält sie sich über Wasser und kann es kaum erwarten, neue, spannende Erfahrungen zu sammeln. Eines Tages trifft sie den britischen Segler Richard Sharp (Sam Claflin), der mit seinem selbstgebauten Boot auf der Pazifikinsel vor Anker geht. Der Beginn einer gegenseitigen Zuneigung, die schon bald in eine leidenschaftliche Beziehung mündet. Als Richard von Bekannten das Angebot erhält, eine Luxusjacht nach San Diego zu bringen, ist Tami zunächst unschlüssig, ob sie ihn begleiten soll, lässt sich dann aber doch überreden. Mitten auf dem Meer, 2000 Seemeilen vom nächsten Festland entfernt, geraten die beiden in einen verheerenden Hurrikan, der ihr Gefährt stark beschädigt. Als die abenteuerlustige Kalifornierin aus ihrer Ohnmacht erwacht, muss sie den Umfang der Zerstörung erst einmal verdauen und entdeckt kurz darauf den schwer verletzten Richard, der in einiger Entfernung im Wasser treibt. 

Genau mit diesen niederschmetternden Impressionen startet Die Farbe des Horizonts, wobei Kormákur und Bildgestalter Robert Richardson die Auftaktsequenz in einer fließenden Einstellung präsentieren und den Betrachter auf diese Weise gleich in das Geschehen hineinziehen. Tami kommt unter Deck zu sich, bahnt sich langsam, noch etwas benommen, ihren Weg nach oben, blickt entgeistert auf die Verwüstung, die der Sturm angerichtet hat, während die Kamera sich langsam hebt und immer weiter entfernt, um schließlich das ganze Ausmaß ihrer Verlorenheit zu zeigen. Dass das Hochseedrama, anders als etwa die One-Man-Show All Is Lost, nicht nur den verzweifelten Überlebenskampf beschreiben will, wird wenig später deutlich. 

Ähnlich wie die im März 2018 veröffentlichte Segelodyssee Vor uns das Meer, die ihrerseits auf wahren Begebenheiten basiert, fährt Kormákurs Rekonstruktion in narrativer Hinsicht zweigleisig. Soll heißen: Fortlaufend springt der Film zurück, um das Kennenlernen der Protagonisten, ihre Annäherung und ihren Aufbruch zu schildern. Ab und an überschreiten die Macher mit ihrer lieblichen Postkarteninseloptik und auf Dialogebene die Grenze zum Kitsch, können allerdings auf zwei Hauptdarsteller setzen, die die aufblühende Liebe recht sympathisch und glaubhaft in den Kinosaal transportieren. 

Dadurch dass Die Farbe des Horizonts ständig zwischen dem Schicksal auf hoher See und der Romanze hin- und herspringt, geht mitunter die Wucht der lebensbedrohlichen Situation etwas verloren. Gerade die konsequente Konzentration auf das Boot und die von Robert Redford verkörperte Hauptfigur verwandelte All Is Lost in einen beklemmenden existenziellen Albtraum. Kormákurs Katastrophenstreifen entfaltet im Vergleich weniger Intensität und wirkt nicht ganz so abgründig, obwohl auch hier das Grauen des Verlorenseins nachhaltig zum Vorschein kommt und das Treiben im Meer weitgehend mitreißend in Szene gesetzt wird. 

Stehen in Geschichten, die vom Ringen ums Überleben handeln, häufig Männer im Fokus, ist es hier erfreulicherweise eine Frau, die nach dem Unglück schier unglaubliche Energien freisetzt und patente Entscheidungen trifft, um sich und ihren bewegungsunfähigen Partner aus der misslichen Lage zu befreien. Shailene Woodley macht als unbeugsame Kämpferin eine überzeugende Figur und bindet mit ihrem kraftvollen Spiel das Interesse des Publikums. Diskussionswürdig ist allerdings ein erst gegen Ende offenbarter dramaturgischer Kniff, der Tamis Einsatz keineswegs schmälert, aber dennoch Irritationen hervorruft. Irgendwie ist diese Drehbuchentscheidung ein treffender Ausdruck der nicht immer gelungenen Verbindung von Survival-Drama und Love Story.

Die Farbe des Horizonts (2018)

Tahiti im Jahre 1993: Eigentlich ist Tami Oldham hierher gefahren, um Abenteuer zu erleben, doch dann trifft sie auf Richard Sharp — und es ist Liebe auf den ersten Blick. Die beiden beschließen, auf einem Segelboot den Pazifik zu überqueren, doch dabei geraten sie in einem Jahrhundertsturm, der sie in eine nahezu aussichtslose Lage bringt. 

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Meinungen

Martin Zopick · 17.06.2023

Ein lyrischer Titel für ein süßsaures Happy End nach einer wahren Geschichte. Tami (Shailene Woodley) und Richard (Sam Claflin) zwei Weltenbummler verlieben sich in einander und wollen von Tahiti nach Kalifornien segeln. Dabei geraten sie in einen fürchterlichen Sturm, der die Romanze beendet. Nur Tami übersteht das Abenteuer.
Von Regisseur Kormakur kennt man ein Reihe guter Filme wie z.B. 101 Reykjavik oder Der Eid. Ersterer war noch ein rotzfreches Jugendwerk, letzterer kommt als Drama daher. Hier hat er eine wahre Geschichte genommen, wobei er sich nicht entscheiden konnte, sich einfach über die Vorlage hinwegzusetzen und ein echtes Abenteuer mit echtem Happy End abzuliefern bzw. Spannung mit Emotionen zu verbinden. Was noch viel schlimmer war, er hat dem Cutter John Gilbert viel zu freie Hand gelassen. Und so wurde der Plot kreuz und quer zerschnitten: mal vor der Katastrophe, mal danach, mal mit und mal ohne Richard und weil’s inhaltlich zu mager war, treffen Tami und Richard auch noch ein älteres Ehepaar, aus ihrer Heimatstadt, dass sein Boot verkaufen will und jemanden sucht, der es überführt.
So geht die Handlung größtenteils am Zuschauer vorbei. Und selbst die Aufnahmen von der Havarie des Bootes sind pillepalle. Die Lovestory bleibt so prickelnd wie kalter Kaffee. K.V.