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Das Werden und Vergehen einer Beziehung: In „Die Einzelteile der Liebe verschachtelt Miriam Bliese den Beginn und das Ende eines Liebespaares. Es geht um den Umgang mit der Trennung, besonders um den Umgang mit dem sechsjährigen Sohn.

Die Einzelteile der Liebe (2019)

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Die Liebe kommt, die Liebe geht

Sophie und Georg: Ein Paar. Und dann kein Paar mehr. Wir sehen das Mietshaus, die Einfahrt, ein Auto. Wir sehen Georg, der Jacob zu sich ins Auto holt, abfährt. Wir sehen Sophie, wie sie hinter dem Auto herrennt. Verzweifelt. Schimpfend. Wurde das Kind vom Vater entführt? So einfach ist die Sache in „Die Einzelteile der Liebe“ nicht, in dem das Verliebtseit, das Familiegründen, die Trennung und der Streit in der Filmmontage gegenübergestellt werden. Was eine Gegenwärtigkeit der Zukunft in der Vergangenheit suggeriert, ein Zusammenkommen von Liebe und Hass. Denn darum geht es der Regisseurin Miriam Bliese: Zusammensein, Getrenntsein, wie man damit umgeht und wie man damit umgehen könnte.

„Am Anfang stand die Lust, einen ganzen Film an einer einzigen Haustür zu erzählen. Die Herausforderung anzunehmen, immer wieder neue Situationen zu finden, die glaubhaft vor einer Haustür stattfinden können, ohne dass es langweilig wird“, erklärt Bliese zu ihrem Film. Das Problem ist: Sie hat dieses Konzept, aber sie hält sich nicht daran. Vieles spielt vor der Haustür, auf der Wiese vor dem Mietshaus, manches davon ist schön herausgespielt, mit dieser gewissen romantischen Atmosphäre: Wie Sophie, hochschwanger, in die Klinik muss, der Vater des Kindes aber mit seiner Band nach Schottland abgehauen ist und nun nur Georg da ist, der ihr helfen könnte, alter Musikerkumpel des Kindsvaters und alter Freund von Sophie. Dann wieder, einige Jahre später, eine Gartenparty vor der Haustür? Eines Mietshauses, in dem auch noch andere Leute wohnen? Das wiederum funktioniert nicht mehr so richtig.

Insbesondere aber verwirft sie ihr Konzept irgendwo unterwegs. Nicht nur, dass sie ihren Szenen nicht immer die richtige Motivation verleiht, außen spielen zu müssen – manchmal hält sie sich auch gar nicht an die eigenen Vorgaben: Einiges passiert eben doch in der Wohnung des Paares, und das sind nicht mal zwingende Szenen. Und es ist halt so, dass der Zuschauer die Idee hinter dem Film eben doch relativ schnell bemerkt: Szenen einer Beziehung, wobei der private Raum der Beziehung ausgespart werden soll. Und zudem: Ein Drama um ein Kind, wobei das Kind selbst gar nicht gezeigt wird. Zunächst zumindest. Irgendwann kommt Jacob ins Bild, nicht nur als Phantom im Hintergrund, sondern als eigenmächtiger Protagonist, und wieder geht dem Film einiges an Konsequenz und Stringenz verloren.

An sich gibt es vieles, was der Film wirklich gut rüberbringt. Das liegt an der dynamischen Montage der Szenen aus sechs Jahren Beziehung. Das liegt am Schauplatz, einem Häuserkomplex in Berlin, dessen Adresse im Film sogar genannt wird. Und das liegt an den komplexen Charakteristiken der Figuren: Georg ist eben kein Kindesentführer. Er hat nur Sehnsucht nach seinem Jungen. Sophie ist misstrauisch und hält ihn deshalb viel bei sich. Eine wirkliche Einigung über Kinderzeiten ist in dem Hass, der aus der Liebe geworden ist, nicht möglich, noch nicht. Die Trennung: Sie ist das Ergebnis kleiner, an sich unscheinbarer Begebenheiten, die sich in der Kommunikation, in kleinen Verhaltensweisen immer mehr aufbauschen. Das ist sehr treffend beobachtet und von Birte Schnöink und Ole Lagerpusch sehr präzise dargestellt. Aber eben die immer weiter ausgreifende Beliebigkeit im Wegwerfen des geplanten Konzeptes! Das Zwingende geht da verloren, und damit auch das Originelle, dem Bliese offenbar nicht vertraut hat.

Im Übrigen wirkt die Idee, kitschige Schlager das Geschehen kommentieren zu lassen, wie direkt aus Dresens Sommer vorm Balkon übernommen.

Die Einzelteile der Liebe (2019)

Sophie (Birte Schnöink) und Georg (Ole Lagerpusch) haben sich einmal geliebt, jetzt sind sie getrennt. (Quelle: Berlinale 2019)

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Meinungen

Dirk · 13.02.2019

Ich halte dieses inflationäre Zusammenfassen vieler verschiedener Gefühle unter "Hass" für weder zielführend noch gesund, sondern eher pathologisierend.

Die beiden hassen sich ja nicht. Sie sind enttäuscht, wütend, gleichgültig, gelangweilt, ja. Aber Hass habe ich in diesem Film nicht gesehen.