Die besten Absichten

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Bille August verfilmt die Liebesgeschichte der Bergmans

Dass bei einer Kooperation des großen schwedischen Filmemachers Ingmar Bergman und des vielseitigen dänischen Regisseurs Bille August ein ganz besonders intensiver Film zu erwarten war, steht außer Zweifel. Mit Die besten Absichten von 1992 hat Bille August nach dem Drehbuch von Ingmar Bergman einen Stoff verfilmt, der eng mit den Betrachtungen des Schweden zur schwierigen Liebesgeschichte seiner eigenen Eltern vor seiner Geburt verknüpft ist. Innerhalb von knapp drei Stunden Länge entfaltet sich ein familiäres Drama von abgrundtiefer Ambivalenz, dessen emotionale Spannungen den Zuschauer ebenso zu fesseln wie zu beunruhigen vermögen.
Uppsala im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts: Der unter kargen Bedingungen lebende Theologiestudent und Pfarrer-Kandidat Henrik Bergman (Samuel Fröler) steht in einem offenbar unversöhnlichen Verhältnis zu seinen wohlhabenden Großeltern väterlicherseits. Als sein Großvater (Keve Hjelm) ihn bittet, sich mit der Aussicht auf zukünftige finanzielle Unterstützung mit der nunmehr sterbenskranken Großmutter zu versöhnen, lehnt der strenge und stolze Henrik dies trotz persönlicher Nöte empört ab. Seine heimliche Verlobte Frida Strandberg (Lena Endre), die als Kellnerin arbeitet, versorgt den verschlossenen jungen Mann häufig mit Lebensmitteln und ist die einzige Person, die ihm wahrhaft nahe steht.

Als Henrik zu einem Mahl bei der Familie seines Freundes Ernst Åkerblom (Björn Kjellman) eingeladen ist, tritt dessen so eigensinnige wie charmante Schwester Anna (Pernilla August) mit verwirrender Verliebtheit in sein Leben. Die Annäherung dieser beiden extrem unterschiedlichen Charaktere gestaltet sich gleichermaßen kompliziert, kapriziös und knisternd, doch Annas Familie – vor allem ihre Mutter Karin (Ghita Nørby) – hegt hartnäckige Vorbehalte gegen diese sich anbahnende Verbindung. Auch Henrik ist zunächst hin und her gerissen, fühlt er sich doch nach wie vor Frida loyal verbunden, und als Anna an Tuberkulose erkrankt, bricht die Liebschaft gänzlich auseinander.

Im Anschluss an ihre Genesung reist Anna mit ihrer Mutter nach Italien, nicht ahnend, dass diese einen Brief an Henrik unterschlagen hat, um einen erneuten Kontakt der beiden zu unterbinden. Als die Nachricht vom Tode Annas Vaters Johan (Max von Sydow) eintrifft, gesteht Karin ihrer Tochter spontan, dass sie den Brief vernichtet hat, und als die Frauen zurück nach Uppsala reisen, finden Anna und Henrik erst nach einer Intervention Fridas, die sich bewusst zurückzieht, zueinander und heiraten schließlich. Doch nach einer kurzen unbeschwerten Zeit beginnen die schwelenden Schwierigkeiten dieser Beziehung zu wachsen …

Es ist die schonungslose Offenheit im Umgang der Figuren miteinander, von einem großartigen Ensemble getragen, sowie die filigrane, feinfühlige Betrachtung der mächtigen Empfindungen von Liebe, Eifersucht und unüberwindbarer Abneigung, die Die besten Absichten zu einem ganz hervorragenden Drama allzu menschlicher Verstrickungen werden lässt. 1992 bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes uraufgeführt und dort mit der Goldenen Palme für Bille August sowie dem Preis als Beste Schauspielerin für Pernilla August prämiert, rückt dieser trotz seiner historischen Verortung seltsam zeitlos erscheinende skandinavische Film das System Familie mit brennender Brisanz in den Fokus zwischen Unbehagen, Anklage und Wertschätzung.

Steht zunächst die Romanze von Anna und Henrik im Vordergrund, öffnet sich die Dramaturgie während der ersten Ehejahre der beiden in der rauhen Provinz Schwedens, wo Henrik eine Pfarrstelle antritt, zunehmend auch der außerfamiliären sozialen Umgebung. Auch an diesen widrigen Umständen muss sich das Paar gemeinsam und gegeneinander wetzen, und durch die Einführung so markanter Protagonisten wie des verlorenen kleinen Jungen Petrus – absolut bewegend von Elias Ringquist verkörpert –, den die Bergmans vorübergehend bei sich aufnehmen, zeigt sich deutlich und unsentimental die Unmöglichkeit zweier starker Einzelwesen, dauerhaft eine einigermaßen harmonische Verbindung aufrechtzuerhalten.

Wenn Ingmar Bergman und Bille August am Schluss eine anklingende Ausweglosigkeit mit dem Wunsch nach Fortsetzung als scheinbar unvereinbare Grundkonstanten der Beziehung präsentieren, offenbart sich noch einmal die permanent präsente, oftmals nahezu unerträgliche Ambivalenz von Die besten Absichten. Wenn die Geschichte an diesem Punkt den Zuschauer verlässt, ergeht es diesem wie bei einigen „Familien-Filmen“ Ingmar Bergmans, die auf Grund ihrer existentiellen Thematik nach der Sichtung noch lange und nicht selten bedrückend nachwirken, man denke nur an Von Angesicht zu Angesicht / Ansikte mot ansikte oder Wie in einem Spiegel / Såsom i en spegel. Am Ende des Films ist Anna mit ihrem zweiten Sohn schwanger, den die tatsächlichen Eltern Karin und Erik Bergman, denen die Geschichte nachempfunden ist, Ingmar genannt haben und der zeitlebens seine traumatischen Kindheitserlebnisse in eindrucksvollen, berührenden Filmen verarbeitet hat.

Die besten Absichten

Dass bei einer Kooperation des großen schwedischen Filmemachers Ingmar Bergman und des vielseitigen dänischen Regisseurs Bille August ein ganz besonders intensiver Film zu erwarten war, steht außer Zweifel. Mit „Die besten Absichten“ von 1992 hat Bille August nach dem Drehbuch von Ingmar Bergman einen Stoff verfilmt, der eng mit den Betrachtungen des Schweden zur schwierigen Liebesgeschichte seiner eigenen Eltern vor seiner Geburt verknüpft ist.
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