Die Arthur Cohn Edition 2

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Ein Filmproduzent wird präsentiert

Dass ein Filmproduzent die Verantwortung und Koordination für die so komplexe wie kostspielige Entstehung eines Films übernimmt, ist gemeinhin bekannt. Doch reichen die Aufgaben eines solchen Herstellers audiovisueller Werke häufig weit über die Finanzierung eines Filmprojekts, seine Terminierung und Organisation hinaus und wird oftmals die kreative Komponente eines Produzenten unterschätzt, der bereits an der Entwicklung einer ersten Idee für einen Film beteiligt sein kann und von dort aus das Team für die gesamte Realisierung rekrutiert und begleitet. Während das Gros der Filmproduzenten für das Kinopublikum meist im Hintergrund verbleibt, stellt der 1927 in Basel geborene Arthur Cohn – seit nunmehr über fünfzig Jahren im Geschäft – auch in dieser Hinsicht eine Ausnahme dar.
Beim diesjährigen Filmfest München fand eine Gala zu Ehren von Arthur Cohn statt, der längst als Legende, Ikone und eigensinnige Persönlichkeit der Filmwelten eine enorme internationale Popularität erreicht und bei dieser Veranstaltung in Gesellschaft illustrer Prominenz ausführlich aus seinem reich bestückten Nähkästchen geplaudert hat. Sechs Oscar-Trophäen besitzt der politisch wie kulturell engagierte Produzent bereits, und in der Laudatio anlässlich der Verleihung eines Ehrendoktors der Philosophisch-Historischen Fakultät der Universität Basel 2006 wurden seine Filme als „künstlerisch kompromisslos und denkwürdig“ charakterisiert. Nun erscheint bei Concorde Home Entertainment nach Die Arthur Cohn Edition (2003) eine zweite Sammlung mit von Arthur Cohn produzierten Filmen, hier aus den Jahren 1967 bis 2008.

Es sind sieben Spielfilme unterschiedlichster Ausprägung, aus denen Die Arthur Cohn Edition 2 besteht, wobei sich die breit gestreute Thematik in frechen Komödien, nostalgischem Erzählkino und soziopolitisch brisanten Dramen manifestiert. Gemeinsam sind diesen Filmen eine gewisse tiefgründige Intension sowie eine humanistisch orientierte Grundhaltung, die gleichzeitig die Motivation sowie sozusagen das Markenzeichen dieses Produzenten transportieren. Denn mit seinen Filmstoffen will Arthur Cohn – wie auch die als Extras in der Edition enthaltenen Interviews mit ihm zum Ausdruck bringen – zuvorderst seine Zuschauer nachhaltig berühren und für menschliche Missstände sensibilisieren, was ihm in respektabler Weise gelungen ist, wie durch die zahlreichen Auszeichnungen und den enormen Erfolg seiner Projekte bestätigt wird.

Den chronologischen Auftakt der Edition bildet die episodische Komödie Siebenmal lockt das Weib / Woman Times Seven unter der Regie von Vittorio De Sica aus dem Jahre 1967, die Shirley MacLaine als Verkörperung von sieben Pariser Damen in sieben schrägen kleinen Geschichten mit erotischem bis absurdem Flair präsentiert. Ebenfalls eine Zusammenarbeit Arthur Cohns mit dem neorealistisch orientierten italienischen Regisseur markiert das melancholische Drama Ein kurzer Urlaub / Una breve vacanza (1973) mit einer großartig unspektakulär aufspielenden Florinda Bolkan in der Hauptrolle als unglückliche Ehefrau des herrischen Franco (Renato Salvatori), die durch einen krankheitsbedingten Kuraufenthalt fern ihrer fordernden Familie ein erholsames Moratorium erfährt.

Eine süffige Satire hat Ken Selden 1997 mit White Lies – Das Leben ist zu kurz, um ehrlich zu sein / White Lies inszeniert, die in unterschiedlichen Vierteln des urbanen Raums von New York angesiedelt ist und kräftig mit den Klischees des dortigen Kunstmarkts zwischen Anspruch, Kommerz und Hype spielt. Das existenzielle, bedrohliche Thema der Blutrache hingegen fokussiert der Spielfilm Hinter der Sonne – Behind the Sun / Abril Despedaçado des brasilianschen Regisseurs Walter Salles, der 2001 beim Filmfestival von Venedig seine Permiere feierte und unter anderem dort mit dem Kleinen Goldenen Löwen prämiert wurde. Nicht nur in Frankreich seinerzeit überraschend erfolgreich lief das gesangsträchtige Drama Die Kinder des Monsieur Mathieu / Les Choristes von Christophe Barratier, das Arthur Cohn trotz massiver Flop-Voraussagen mit Herzblut produziert hat und das neben zahlreichen internationalen Nominierungen und Auszeichnungen 2004 den Europäischen Filmpreis für die Beste Filmmusik gewann.

Ein rührendes Roadmovie jenseits glatter Gefälligkeiten hat der indisch-britische Regisseur Udayan Prasad mit Das gelbe Segel / The Yellow Handkerchief (2008) inszeniert, das drei unterschiedliche Käuze in der Krise zusammentreffen und ein kleines Abenteuer mit Läuterungspotenzial erleben lässt. Mit Jonathan Rhys Meyers als engagierter englischer Weltreisender im von Japan besetzten China ab 1937 hat Roger Spottiswoode ein anklagendes Kriegsdrama realisiert, das insbesondere das Elend der Kinder in entsetzliche Bilder fasst und darüber hinaus eine zarte Liebesgeschichte erzählt. Die Kinder der Seidenstraße / The Children of Huang Shi beruht auf tatsächlichen Begebenheiten aus der Biographie George Hoggs, die allerdings filmisch-fiktiv angepasst wurden.

Unter dem Bonusmaterial der acht DVDs umfassenden Edition befinden sich die beiden erschütternden historischen Dokumentationen Die Endlösung / The Final Solution (1983) nach einem Buch des deutschen Filmhistorikers Gerhard Schoenberner und dem Drehbuch von Dieter Hildebrandt sowie Children of the Night (1999) von Jolanta Dylewska, die sich beide mit dem Grauen des Holocausts auseinandersetzen. Auf Grund seiner deutlich formulierten Haltungen in Bezug auf den gerade aktuell erneut drastisch eskalierten Konflikt um Palästina/Israel steht Arthur Cohn nicht selten in der Kritik dieses Diskurses. Dass dieser Produzent bewegter und bewegender Bilder auf die als förderlich erachtete Konstante seines Lebens baut, nicht auf Andere zu hören, sondern unbeirrt seinen eigenen Inspirationen und Vorstellungen zu folgen, kommuniziert er in den Interviews unter den Extras energisch – und der Erfolg bestätige ihn. Dieses unumwundene und unerschütterliche Selbstvertrauen erscheint charakteristisch und programmatisch für diesen Filmproduzenten und strahlt ein Art idealistische Hoffnung für jene aus, deren Projekte (noch) weniger fruchtbar verlaufen. Hoffnung ist es auch und Trost, was immer wieder fragmentarischen Fetzen gleich die Spielfilme Arthur Cohns punktiert wie interpunktiert. Mit dieser wirkungsmächtigen Emotionalität, die sich hier mitunter beim Zusammenspiel von Bildern, Klängen und Worten in den Filmen von Die Arthur Cohn Edition 2 ereignet, geht nicht selten eine drastische Darstellung von Verzweiflung und Elend einher, und diese atmosphärischen Extreme verfehlen nicht ihre Wirkung.

Die Arthur Cohn Edition 2

Dass ein Filmproduzent die Verantwortung und Koordination für die so komplexe wie kostspielige Entstehung eines Films übernimmt, ist gemeinhin bekannt. Doch reichen die Aufgaben eines solchen Herstellers audiovisueller Werke häufig weit über die Finanzierung eines Filmprojekts, seine Terminierung und Organisation hinaus. Die kreative Komponente eines Produzenten wird oftmals unterschätzt.
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