Die Affäre

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Die Schöne und der Ex-Knacki

Es gibt nicht viele Schauspielerinnen, die den Spagat zwischen opulenter Kinokost aus Hollywood und kleinen, vornehmlich französischen Autorenfilmen derart virtuos beherrschen wie die stets elegante Kristin Scott Thomas. Nach Blockbustern wie Mission: Impossible, Der Englische Patient und vielen anderen Filmen war sie zuletzt in Zabou Breitmanns So viele Jahre liebe ich dich als aus dem Gefängnis entlassene Mörderin zu sehen und tritt nun abermals in einem französischen Film auf, der bislang zumindest in seiner Heimat von sich reden gemacht hat. Auch in Catherine Corsinis Die Affäre / Partir geht es um Häutungen und Lebenswege, die sich radikal verändern, um existenzielle Einschnitte und darum, was das Leben mit einem anrichten kann.
Suzanne (Kristin Scott Thomas) ist Anfang bis Mitte Vierzig und führt mit ihrem Gatten Samuel (Yvan Attal) und zwei beinahe erwachsenen Kindern ein gesichertes, ruhiges und behagliches Leben in Südfrankreich. Nachdem die Erziehung des Nachwuchses beinahe abgeschlossen ist, will die gelernte Krankengymnastin wieder ihre Arbeit aufnehmen und trotzt ihrem Arztehemann die Zustimmung zu einem Anbau auf dem Grundstück ab, wo sie ihre Praxis unterbringen will. Für die anstehenden Bauarbeiten wird der aus Spanien stammende Ex-Knacki Ivan (Sergí Lopez) engagiert. Auf den ersten Blick verbindet die Frau aus gutem Haus und den Vater einer kleinen Tochter wenig miteinander. Und doch kommen sie sich näher, beginnen einen Affäre miteinander und machen diese sogar gegenüber Suzannes Mann öffentlich. Der ist entsetzt und kann seine Frau nicht verstehen, die sich für ihre Leidenschaft entscheidet und zu Ivan zieht. Doch dann droht Samuel damit, ihr den Geldhahn zuzudrehen. Auf diese Weise will er seine Frau dazu zwingen, wieder zu ihm zurückzukehren. Suzanne hingegen ist wild entschlossen, sich ihr neues Glück nicht wieder nehmen zu lassen. Und dafür ist sie zu allem bereit.

Was von diesem Film im Gedächtnis bleibt, ist neben der Geschichte und den ausgezeichneten Darstellern Kristin Scott Thomas und Sergí Lopez vor allem das Licht, das die eigentliche ganz einfache Geschichte einer bedingungslosen Liebe trotz aller Düsternis in ein sommerlich-helles, manchmal beinahe blendendes Licht taucht. Wirklich neu ist die Story um eine bedingungslose Liebe gegen alle gesellschaftlichen und privaten Widerstände zwar nicht. Dank Catherine Corsinis zumeist behutsamer Regie gerät Die Affäre jedoch zu einem beachtlichen Film, der neben seiner im Vordergrund stehenden Liebegeschichte vor allem als Porträt einer Frau funktioniert, die mit bewundernswerter Konsequenz ihren Weg geht. Vielleicht weil sie weiß, dass die Liebe, zumal die unerwartete, unvernünftige und eigentlich aussichtslose, ein kostbares Gut ist, dass man ergreifen muss, wenn es an die eigene Tür klopft. Koste es, was es wolle. Die Radikalität der Leidenschaft, sie zeigt sich auch deutlich in dem einerseits wunderschönen, andererseits aber auch etwas bemühten Schlussbild, das verdeutlicht, wie weit Suzanne und Ivan bereit sind zu gehen. Aller Traurigkeit zum Trotz, dass dieses bittere Ende bei uns hinterlässt: Ist es nicht besser, eine solch verrückte Liebe, eine solche „amour fou“ gegen jede Vernunft auszukosten, statt ein Leben lang verpassten Gelegenheiten wie diesen hinterherzutrauern?

Selbst wenn Catherine Corsini bei ihrem Film manchmal ein wenig von der Bedingungslosigkeit ihrer beiden Hauptfiguren vermissen lässt: Ihr Film Eine Affäre / Partir ist geradezu ein Musterbeispiel für Liebestragödien à la francaise. Wer dafür eine Schwäche hat, sollte dieses lichtdurchflutete Filmkunstwerk auf keinen Fall verpassen.

Die Affäre

Es gibt nicht viele Schauspielerinnen, die den Spagat zwischen opulenter Kinokost aus Hollywood und kleinen, vornehmlich französischen Autorenfilmen derart virtuos beherrschen wie die stets elegante Kristin Scott Thomas.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen

pavel sleis · 21.07.2022

der film war absolute spitze, die welt wo männer herschen und frauen immer wieder unterdrückrt werden, das war hier sehr gut gezeigt echt sehr gut ------

hb · 07.02.2010

hält sich in grenzen, sowohl optisch als (noch mehr) von der story her. die ist einfach so nicht nachzuvollziehen. gute schauspieler ...? hm. kristin scott thomas als hohlwangig-gesichtsgestraffte-arztgattin verfällt dem teddybär-machomäßigen-arbeiter mit dem sensiblen touch, beide sich allerdings mehr in (sexueller)leidenschaft denn in sprache ausdrückend. was beide letztlich verbindet, erschließt sich nicht wirklich. viel mehr als dackelblick (da hat der vorschreiber recht) und große rehaugen darf man an mimik nicht erwarten, viel mehr als einen dunklen blick, behaarte männerbrust und muskulöse arme auch nicht. genau genommen, begegnen sich die beiden und verfallen einander körperlich. fertig. da wird nicht lange hin- und hergetan. was mag sie sonst verbinden?? keine ahnung. die psychische beziehung der protagonisten tritt erst gar nicht zu tage: sie reden nicht miteinander, sie teilen nichts inhaltliches, sie kommen aus gänzlich unterschiedlichen welten. unwillkürlich fragt man sich, wie das ganze nach drei alltagsjahren ausgesehen hätte: neues spielzeug langweilig geworden? genauso leer und desillusioniert wie zuvor?? die regisseurin spart sich diese frage von anfang an, denn unweigerlich nimmt die abwärtsspirale mit armut und kriminalität ihren gnadenlosen lauf - als zuschauer rätselt man vergeblich, warum und weshalb. irgendwie geht es nur darum, dass jeder sich selbst der nächste ist und auf gedeih und verderb das auslebt, was ihm grade eben so in den sinn kommt. JETZT in den sinn kommt. welche perspektive das haben sollte oder könnte, wer welche konsequenzen zu tragen haben wird und welche verantwortlichkeiten ignoriert und verletzt werden: egal. nachdenken steht nicht an, die amour fou rechtfertigt alles. und scheitert damit - natürlich? - zwangsläufig. vielleicht sollte das das implizite "lehrstück" sein, aber selbst dies erschließt sich nicht: fiasko und ende. fade.

Exe · 03.02.2010

Im Prinzip ähneln sich ja die Handlungen unzähliger Produktionen.
Dieser Film brilliert durch die authentic feelings die besonders von Kristin Scott verkörpert werden.
Und für uns Frauen > gut gebaute Männer zu begutachten, die eine Sünde wert wären ;-)
und kein Dickbäuchiges, ungepflegtes Individuum. Macht euch selbst ein Bild.

Bine · 03.02.2010

ja die LEIDENSCHAFT ist echt toll - wenn auch nur gespielt - alle Darsteller haben Können bewiesen, besonders Kristin Scott hat Charisma, das rüber kommt.....
Wäre interessant zu wissen, wie viele sich in so eine Situation hinneinversetzen können;
in mir riefen die heftigen Szenen auch Würgegefühle hervor, da ich im wahren Leben selbst mit so einem Idioten konfrontiert war.
Frauen seid MUTIG!!! nehmt Euch was ihr braucht!!!

glenz · 30.01.2010

frustrierte, vom reichtum gelangweilte arztgattin mit dackelblick und hb-männchen an ihrer seite verguckt sich in animalisch behaarten knastbruder: eine klischeebeladene unverschämtheit, die allenfalls ins seifenoperngetränkte nachmittagsprogramm des werbefernsehens gehört. eine frechheit, dass sich eine solche schmonzette ins filmkunsttheater verirrt, wo chabrols "eine untreue frau" vor jahrzehnten schon alles zum thema gezeigt hat.

Snacki · 17.01.2010

Intensiv gespieltes, leidenschaftliches Drama über die Liebe und den Aufbruch, die Kraft des Verlassens, aber auch die bitteren Konsequenzen daraus. Mal wieder ganz und gar großartig: Kristin Scott Thomas.