Die Abenteuer des Huck Finn

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Twain für Anfänger und Fortgeschrittene

Der Zeitpunkt für den Kinostart von Die Abenteuer des Huck Finn könnte nicht günstiger gewählt sein – und dies gilt sowohl für die zu erwartenden erwachsenen Begleitpersonen im Kino als auch für die Kinder unter den Kinozuschauern als eigentliche Zielgruppe. In diesem Herbst erst ist Mark Twains Meine geheime Autobiografie erstmalig auf Deutsch erschienen. Der Autor hatte in seinem Testament verfügt, dass dieses Werk erst 100 Jahre nach seinem Tod der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden dürfe. 2010 war das gewaltige Buch zuerst in den USA erschienen, nun, zwei Jahre später folgt die Veröffentlichung auch in Deutschland und fand in den Feuilletons ein großes Echo. Dies interessiert freilich die jüngeren Fans seiner Geschichte um Tom Sawyer und seinen Freund Huckleberry Finn herzlich wenig. Deren Blick auf Hermine Huntgeburths Verfilmung der Fortsetzung von Tom Sawyer speist sich vielmehr aus der schlichten Tatsache, dass die Zeit vor und um Weihnachten herum traditionell auch die Zeit für unsterbliche jugendliche Helden wie diese beiden Knaben aus dem Süden der USA ist. Nach dem Erfolg des ersten Teils, der unter anderem für den deutschen Filmpreis nominiert war, kommt nun also der weitere Verlauf des Abenteuers in die Kinos. Und er knüpft nicht nur thematisch, sondern auch ästhetisch und vom Tonfall der Erzählung her an seinen Vorgänger an.
Mit dem Schatz von Indianer Joe, den die beiden Freunde Tom Sawyer (Louis Hofmann) und Huck Finn (Leon Seidel) im ersten Teil aufgespürt haben, sind die beiden Jungs verdammt reich geworden. Doch das vermeintlich süße Leben ist nichts für Huck, die neuen feinen Kleider, in die ihn die Witwe Douglas (Margit Bendokat) und die gestrenge Miss Watson (Rosa Enskat) gesteckt haben, fühlen sich ebenso wie die Schule wie ein Gefängnis an — und überhaupt sehnt sich der Junge nach seinem Leben in der Tonne zurück — „wie ein echter Mann“ möchte er sein Leben führen. Dann aber betritt unversehens Hucks Vater (kaum zu erkennen: August Diehl mit Strubbelhaaren und Zauselbart) den Boden des beschaulichen Städtchens St. Petersburg und will ran an das Geld seines Sohnes. Mit einem Trick gelingt Huck die Flucht, die er dazu benutzt, dem komfortablen Leben ganz abzuschwören. Gemeinsam mit seinem Freund Jim (Jacky Ido), der der Knechtschaft der Sklaverei entfliehen will, macht sich Huck auf den Weg nach Ohio – doch die Sklavenjäger und Hucks Vater sind den beiden dicht auf den Fersen.

Stand im ersten Teil Tom Sawyer noch die Freundschaft zwischen zwei Gleichaltrigen im Fokus der Geschichte, so ist diese Fortsetzung nun wesentlich erwachsener geworden. Und das liegt nicht nur daran, dass Tom hier kaum mehr eine Rolle spielt, sondern vor allem die Freundschaft zwischen Huck und dem Sklaven Jim der Dreh- und Angelpunkt der Story ist. Damit kommt ein ernsterer, erwachsenerer und wenn man so will auch politischerer Tonfall hinzu und gibt dem im ersten Teil noch harmlosen Abenteuerfilm eine andere Wendung. Wie Huck sich den Widrigkeiten des Heranwachsens stellen muss, so sehen sich auch die kleineren Zuschauer mit den (historischen) Realitäten des Lebens konfrontiert, die der Film anhand der Begegnung Jims mit seiner Frau ganz zu Beginn recht deutlich und nachvollziehbar darstellt.

Zwar haben die Regisseurin Hermine Huntgeburth und ihr Drehbuchautor Sascha Arango Mark Twains durchaus rüde-realistische Beschreibung von Sklaverei und des zutiefst zerrütteten Verhältnisses von Huck zu seinem Vater (und umgekehrt) spürbar abgemildert. Dennoch sind die Härten dieser Konstellationen durchaus wahrnehmbar – nur eben auf kindgerechtere Weise. Dies mag Puristen von Twains Werken und Kennern seiner hintersinnigen Geschichten zwar sauer aufstoßen, aber an die wendet sich der Film vermutlich sowieso nicht, sondern vielmehr eher an eine Generation, die ihren Twain erst noch für sich entdecken muss. Das wird besonders deutlich bei gelegentlichen Dialogpassagen, deren moderne Färbung sich gelegentlich zu sehr anbiedert an den zeitgenössischen Sprachduktus – von „Arschbombe“ bis zu „voll auf die Zwölf“ reicht die Palette sprachlicher Ungereimtheiten und nicht immer gelungener Modernisierungen.

Dennoch überwiegen bei Die Abenteuer des Huck Finn – auch dank der vielen kleinen Auftritte großer Darsteller wie Henry Hübchen, Milan Peschel, Andreas Schmidt (vor allem diese drei als Sklavenjäger-Trio zählen zu den komödiantischen Höhepunkten des Films), Michael Gwisdek, Peter Lohmeyer, Rosalie Thomass und Kurt Krömer – die vergnüglichen und unterhaltsamen Aspekte, halten sich komische Momente und kindgerechte Spannung die Waage, so dass dieser Film über die Weihnachtsfeiertage eine beachtliche Alternative zum heimischen TV-Programm darstellt. Besonders bemerkenswert: Ganz ohne in die transatlantische Ferne zu schweifen, zaubert Hermine Huntgeburth ein so überzeugendes Bild von Twains Südstaaten-Welt auf die Leinwand, dass man den Hokuspokus, der in Wahrheit in Brandenburg und Rumänien entstand, gerne für die Laufzeit des Filmes für bare Münze nimmt. Alles in allem eine solide Verfilmung, der es gelegentlich ein wenig an dem ganz spezifischen und bissigen Charakter des Originals fehlt. Aber das fällt sowieso nur Erwachsenen auf, die Twains Vorlage kennen.

Die Abenteuer des Huck Finn

Der Zeitpunkt für den Kinostart von „Die Abenteuer des Huck Finn“ könnte nicht günstiger gewählt sein – und dies gilt sowohl für die zu erwartenden erwachsenen Begleitpersonen im Kino als auch für die Kinder unter den Kinozuschauern als eigentliche Zielgruppe. In diesem Herbst erst ist Mark Twains „Meine geheime Autobiografie“ erstmalig auf Deutsch erschienen.
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