Deutscher Herbst

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Sonderedition mit brisanten Inhalten

Es sind die vielschichtigen Geschehnisse vom September und Oktober 1977 in der Bundesrepublik Deutschland und ihre bedrohliche Atmosphäre, die den berühmten Begriff prägten, der dieser Edition von sechs Filmen ihren Titel gibt. Deutscher Herbst beschäftigt sich thematisch sowohl in fiktiven als auch in dokumentarischen Beiträgen ausführlich mit den komplexen Ereignissen um die Entführung des damaligen Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer und ihren tief greifenden politischen und gesellschaftlichen Konsequenzen, die das (Selbst-)Bild und die Lebenswirklichkeit der jungen deutschen Demokratie entscheidend veränderten.
Die legendäre filmische Collage Deutschland im Herbst, die 1978 erschien, beschäftigt sich unter Mitwirkung von Akteuren wie Heinz Bennent, Wolf Biermann, Mario Adorf und Wolfgang Bächler mit diesem Themenkomplex aus der Perspektive elf engagierter Filmemacher jener Zeiten: Alf Brustellin, Hans Peter Cloos, Rainer Werner Fassbinder, Alexander Kluge, Maximiliane Mainka, Beate Mainka-Jellinghaus, Edgar Reitz, Katja Rupé, Volker Schlöndorff, Peter Schubert und Bernhard Sinkel. Auf die nicht selten rüden Attacken den Regisseuren gegenüber nach Erscheinen des Films anwortete Volker Schlöndorff in einem Interview im Frankfurter Stadtmagazin „Pflasterstrand“ 1978 mit den mittlerweile häufig zitierten Worten: „Nach so einer Arbeit mit diesem Film, nach den Erfahrungen, die man dabei macht, fragt man sich nicht mehr, warum gibt es sogenannte Terroristen, sondern wie kommt es, daß es nicht viel mehr gibt.“

Der durch die Biographien von Christiane und Gudrun Ensslin inspirierte Spielfilm Die bleierne Zeit von Margarethe von Trotta aus dem Jahre 1981 erzählt von der schwierigen Beziehung zweier Schwestern (Jutta Lampe, Barbara Sukowa) der so genannten 68er-Generation und ihren sehr unterschiedlichen Lebenswegen, die durch ihre politischen Positionen bestimmt und dadurch letztlich unvereinbar werden.

Die dritte Generation (1979) von Rainer Werner Fassbinder mit Hanna Schygulla und Eddie Constantine in den Hauptrollen erzählt die skurrile und doch mitunter erschreckend realitätsnahe Geschichte einer Gruppe unzufriedener, chaotischer Polit-Aktivisten in Berlin, deren nur scheinbar autonome Aktionen in Wirklichkeit von ganz anderen Mächten gesteuert werden.

Volker Schlöndorff und Margarethe von Trotta haben 1975 Die verlorene Ehre der Katharina Blum frei nach der gleichnamigen Erzählung von Heinrich Böll mit Angela Winkler als junger Frau, die in die zerstörerischen Mühlen von Medien, Justiz und Politik gerät, inszeniert – ein Film, der nicht wenige Schlagzeilen gemacht hat und mittlerweile als das Beispiel schlechthin für üble Medienpräsenz gilt.

Auf ganz andere Weise geht Reinhard Hauff mit Messer im Kopf von 1978 mit einer ähnlichen Thematik um. Bruno Ganz spielt hier einen mysteriösen Mann, der während einer Razzia der Polizei angeschossen und nach langwieriger Bewusstlosigkeit ohne Erinnerungsvermögen verdächtigt wird, in terroristische Umtriebe verwickelt zu sein.

Stammheim aus dem Jahre 1985 schließlich wurde ebenfalls von Reinhard Hauff in Szene gesetzt und rekonstruiert in fiktiver Form als teils nüchterner, teils bewegender Gerichtsfilm mit Therese Affolter als Ulrike Meinhof und Ulrich Tukur als Andreas Baader auf der Grundlage der tatsächlichen Protokolle den Prozess gegen die RAF-Spitze, der im Mai 1975 im Hochsicherheitstrakt der Justizvollzugsanstalt in Stuttgart-Stammheim eröffnet wurde.

Überwiegend mit zahlreichen Auszeichnungen versehen handelt es sich bei den Filmen dieser Sonderedition, die durch zahlreiche Extras und ein umfangreiches Booklet – gestaltet mit Texten des Journalisten und Autors Willi Winkler (Die Geschichte der RAF) – ergänzt werden, um Klassiker der deutschen Filmgeschichte zum gewaltigen und noch immer nicht abgeschlossenen Kapitel der deutschen Nachkriegszeit, das wie kein anderes Laien und Experten polarisiert und über das bis heute noch längst nicht genug gesprochen, geschrie(b)en und gefilmt wurde, wie etliche Dokumente und Veranstaltungen anlässlich der bedrückenden vierzigsten Jahrestage des Deutschen Herbstes 2007 verdeutlicht haben.

Deutscher Herbst

Es sind die vielschichtigen Geschehnisse vom September und Oktober 1977 in der Bundesrepublik Deutschland und ihre bedrohliche Atmosphäre, die den berühmten Begriff prägten, der dieser Edition von sechs Filmen ihren Titel gibt.
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