Der Unbequeme – Der Dichter Günter Grass

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Laues Porträt einer heftigen Persönlichkeit

Achtzig Jahre alt wird der große deutsche Literat Günter Grass im kommenden Oktober, ein Jubiläum, das den beinahe ruhelos engagierten Mann mit der Pfeife wieder einmal in den Fokus der Öffentlichkeit rückt. Und dieses Mal erobert das bewegte und bewegende Bild des Schriftstellers, Politikers, Künstlers und Humanisten gar die Kinoleinwände, denn die Journalistinnen und Filmemacherinnen Nadja Frenz und Sigrun Matthiesen haben Grass, der 1999 den Nobelpreis für Literatur erhielt, über zwei Jahre lang immer wieder mit der Kamera verfolgt, woraus der Dokumentarfilm Der Unbequeme – Der Dichter Günter Grass entstand. Ohne sich dabei Archivmaterials zu bedienen konzentrieren sich die Regisseurinnen auf den Literaturschaffenden innerhalb des Literaturbetriebs und seine zahlreichen politischen, sozialen und künstlerischen Aktivitäten in jenem Zeitraum der jüngsten Vergangenheit, in welchem seine Autobiographie Beim Häuten der Zwiebel entstand, die auf Grund der lange verzögerten Enthüllung des Autors, in jugendlichem Alter Mitglied der Waffen-SS gewesen zu sein, eine ebenso gewaltige wie kontroverse öffentliche Diskussion in den Medien auslöste.
Trotz des verheißungsvollen Titels erlebt der Zuschauer den Dichter, der spätestens seit der legendären Verfilmung seines Romans Die Blechtrommel von Volker Schlöndorff von 1979 auch seinen Nicht-Lesern ein bleibender Begriff ist, zwar beinahe programmatisch kritisch, aber sonst ganz bequem serviert, wenn auch permanent in Sachen Kultur und Politik unterwegs. Die Kamera (Knut Schmitz) besucht Grass unter anderem in seinem Atelier in Behlendorf bei Verhandlungen mit seinem Verleger Gerhard Steidl über Vermarktungsstrategien seiner Autobiographie, folgt ihm nach Paris zu einem Germanistenkongress, wo er gemeinsam mit seiner Tochter Helene auftritt, und nach Berlin zu einer Wahlkampfveranstaltung der SPD, wo er auf Wolfgang Thierse und Gerhard Schröder trifft. Zusammen mit Hans Magnus Enzensberger reist der Künstler nach Warschau und rezitiert Gedichte, mit einer Delegation von Schriftstellern in den Jemen zur Diskussion über die Meinungsfreiheit arabischer Literaten mit dem Staatspräsidenten und auch in seinen Geburtsort Danzig, wo er mit polnischen Übersetzern über eine geplante Neuübersetzung von Die Blechtrommel diskutiert.

Ohne Kommentare, Kontroversen oder Komplexität ist es allein die Darstellung seiner Arbeit, seines Engagements und seiner Erinnerungen innerhalb dieser sehr begrenzten Zeitspanne, ergänzt durch Interviews und ausgewählte Gedichte, die einen unmittelbaren Einblick in das Schaffen, die Persönlichkeit und die Geschichte des Porträtierten gewähren, flankiert von recht gefälligen und wenig überraschenden Wortmeldungen prominenter Wegbegleiter, und es entsteht nicht selten der Eindruck, dass unnützerweise für den intellektuellen Querkopf geworben werden muss, indem er schmeichlerisch als „halb so wild“ präsentiert wird.

Abgesehen von der grundsätzlichen Frage, ob derlei Dokumentationen, die sicherlich keinen üblen Stoff für gutes Fernsehen und so manche moderne Unterrichtsstunde darstellen, im Kino am richtigen Ort sind, verbleiben die artigen Betrachtungen eines rebellischen Dichters innerhalb einer Spießigkeit, die der Vehemenz und Vielschichtigkeit seiner Figur nicht gerecht wird – nicht einmal mit achtzig Jahren.

Der Unbequeme – Der Dichter Günter Grass

Achtzig Jahre alt wird der große deutsche Literat Günter Grass im kommenden Oktober, ein Jubiläum, das den beinahe ruhelos engagierten Mann mit der Pfeife wieder einmal in den Fokus der Öffentlichkeit rückt.
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