Der talentierte Mr. Ripley (1999)

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Betrügerische Begabungen

Da borgt sich ein gesellschaftlicher Underdog für die Dauer einer musikalischen Darbietung als Klavierbegleitung des Auftritts einer Sängerin bei einer High Society Party ein Jackett mit dem Emblem der Elite-Universität Princeton, und damit beginnt eine komplexe Geschichte um Sein und Schein, die sich zu einem spannenden Thriller auswächst. Der talentierte Mr. Ripley entstand nach einem Roman der US-amerikanischen Krimi-Spezialistin Patricia Highsmith unter der Regie von Anthony Minghella (Der englische Patient / The English Patient, 1996, Unterwegs nach Cold Mountain / Cold Mountain, 2003), der auch das Drehbuch verfasste und im Verlauf der Inszenierung den Figuren der Romanvorlage einige zusätzliche Dimensionen verlieh.

Da sich sein lebenslustiger Sohn Dickie (Jude Law) nachhaltig weigert, ins väterliche Geschäft einzusteigen, engagiert der vermögende, konservative Herbert Greenleaf (James Rebhorn) den aufgeweckten Tom Ripley (Matt Damon), den er irrtümlich für einen ehemaligen Studienkollegen Dickies aus Princeton hält, auf dass dieser den abtrünnigen Filius in Italien aufspüre und zur Rückkehr in die USA bewege. Für Tom, der sich als Klavierstimmer und mit Gelegenheitsjobs über Wasser hält, bietet sich damit die einmalige Gelegenheit, nach Europa zu reisen, und als Prämie winken zudem runde tausend Dollar – eine stattliche Summe für einen jungen Mann in den 1950er Jahren, in denen der Film mit seiner sorgfältigen, stilechten Ausstattung angesiedelt ist.

Angekommen in dem kleinen italienischen Ort, in dem Dickie mit seiner Freundin Marge (Gwyneth Paltrow), die an einem Roman schreibt, ein entspanntes, fröhliches Aussteiger-Leben führt, öffnet sich für Tom sozusagen die Tür zum Paradies: Nachdem er Dickie offenbart hat, welche Mission ihn nach Italien geführt hat, wird er eingeladen, eine Weile in dessen hübschem Haus zu verbringen, und es entsteht allmählich eine Art Freundschaft zwischen den beiden jungen Männern. Als passionierter Saxophonist nimmt Dickie den ebenfalls musikalischen Tom mit in die heißeste Jazz-Spelunke der Umgebung, und es sind diese atmosphärisch mitreißenden Szenen voller Rhythmus und pulsierender Lebensfreude, die dem Film eine seiner vielfältigen, gelungen inszenierten Stimmungen verleihen.

Nach einer Zeit des lauen, luxuriösen Lebens voller wunderschöner Unternehmungen zeichnet sich ab, dass der exzentrische, verwöhnte Dandy Dickie sich allmählich mit dem eher schlichten Tom zu langweilen beginnt und dessen enthusiastische Verbrüderungsbemühungen sowie ausbrechende erotische Avancen energisch zurückweist. Bei einem gemeinsamen Besuch in Rom, wo Dickie mit seinem sarkastischen Freund Freddie Miles (Philip Seymour Hoffman) abtaucht, zeigt sich deutlich die distanzierte Haltung Tom gegenüber, der von nun an ebenso verzweifelt wie vergeblich versucht, sich dauerhaft an seinen reichen Freund zu binden. Während einer Bootstour kommt es zu einem handgreiflichen Streit zwischen den beiden – mit fatalen, weit reichenden Folgen …

Für etliche Filmpreise nominiert – darunter fünf Oscars – wurde Der talentierte Mr. Ripley unter anderem mit einem BAFTA Award für Jude Law als Bester Nebendarsteller ausgezeichnet. In der Tat verkörpert dieser britische Schauspieler seine Rolle als zunächst unbekümmert erscheinender Beau ganz hervorragend innerhalb eines Ensembles von gleichfalls großartig agierenden Akteuren voller filigran installierter Ambivalenzen. Überwiegend aufwändig an den Originalschauplätzen gedreht präsentiert der Film harmonische Bilder von landschaftlicher und architektonischer Schönheit, die im Verlauf der Dramaturgie einen wachsenden Gegensatz zu den Befindlichkeiten der Figuren und den drastischen Geschehnissen bilden.

Regisseur Anthony Minghella, der den Krimi von Patricia Highsmith mit seinen ganz eigenen Vorstellungen vor allem im Hinblick auf die Charaktere der Protagonisten ansprechend erweitert hat, ist hier ein anfänglich leichtgängiger Film gelungen, der sich immer stärker zu einem packenden Psychodrama um einen jungen Mann verdichtet, dessen unfreiwillige Schatten-Existenz nach der Identität eines strahlenden Sieger-Typen strebt, bis die Grenzen des Pathologischen überschritten werden. Die Dosierung der für die Geschichte relevanten Informationen erfolgt dabei derart geschickt, dass ein durchgehender Spannungsbogen mit hohem Unterhaltungswert entsteht, dessen gezielt eingesetzten Effekte an die Tradition von Suspense à la Alfred Hitchcock anzuknüpfen bemüht sind.

Dennoch erscheint Der talentierte Mr. Ripley im Vergleich mit der ersten, weniger stilisierten und ungefälligeren Verfilmung des Stoffes durch den französischen Regisseur René Clément unter dem Titel Nur die Sonne war Zeuge / Plein soleil aus dem Jahre 1960 mit Alain Delon als Tom Ripley trotz der aufwändigen Verortung in den 1950er Jahren allzu ausführlich sowie modern und glatt konstruiert. Doch die intensiven, schlüssigen Charakterzeichnungen, die Betonung der musikalischen Komponente sowie der überaus gelungen inszenierte, offene Schluss von Anthony Minghellas Version der Geschichte überzeugen durch ihre ganz eigenen Qualitäten, und es ist im Grunde nur die essentielle Idee sowie die ähnlich verlaufende Dramaturgie, die diese beiden Filme letztlich noch verbindet.
 

Der talentierte Mr. Ripley (1999)

Da borgt sich ein gesellschaftlicher Underdog für die Dauer einer musikalischen Darbietung als Klavierbegleitung des Auftritts einer Sängerin bei einer High Society Party ein Jackett mit dem Emblem der Elite-Universität Princeton, und damit beginnt eine komplexe Geschichte um Sein und Schein, die sich zu einem spannenden Thriller auswächst.

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Meinungen

Hans im Glück · 13.12.2021

Vor allem die Zweiteilung macht den Film besonders interessant.
Zunächst das Eröeben des neuen schönen Lebens und danach die verzwickte Lage aus der Tom versucht herauszukommen, sich aber immer weiter darin verstrickt.
Ein sehr spannender Film.

Taktvoll69 · 17.05.2020

Ein Meisterwerk von Anthony Minghella. Dank hervorragender Darsteller und gekonnt inszeniertem Spannungsbogen wird der Film zu keiner Minute langatmig, sondern bleibt spannend. Die eigentliche Hauptdarstellerin im Hintergrund ist Bella Italia in den 50iger Jahren, grazie Signore Minghella per il suo capolavoro.