Der Schmale Grat

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Immer wieder diese Stille. Und die Farben, die Natur, diese beinahe schon unmenschliche Schönheit. Die Insel Guadalcanal, auf der Der Schmale Grat / The Thin Red Line von Terrence Malick spielt – sie muss ein Paradies auf Erden sein. Für die US-amerikanischen Soldaten, die 1942 auf der Insel der Salomonen im Pazifik landen, wird das Paradies schnell zur Hölle. Hier tobte eine erbarmungslose Schlacht zwischen Amerikanern und Japanern, die erst im Februar 1943 mit der endgültigen Eroberung der Insel durch die US-Truppen endete.
Terrence Malick geht es in seinem Film nicht um die militärische Bedeutung der Schlacht, die den Startschuss zum Krieg im Pazifik markiert, sondern um die persönlichen Erlebnisse der Soldaten der so genannten C-Kompanie einer US-Divison, die 1942 auf der Insel landet. Unter der Führung des Kompanieführers Staros (Elias Koteas) und seines Vorgesetzten Lieutnant Colonel Tall (Nick Nolte) soll der Angriff auf einen anscheinend schwer bewachten und strategisch äußert wichtigen Hügel unternommen werden. Als Staros sich aufgrund hoher Verluste weigert, den Angriff auf die befohlene Weise frontal durchzuführen, wird er durch Captain Gaff (John Cusack) ersetzt. Doch selbst als der Angriff endlich glückt, geht der Krieg mit aller Gnadenlosigkeit weiter und jeder der Soldaten versucht auf seine Weise, lebendig wieder aus der grünen Hölle herauszukommen…

Durchbrochen von paradiesisch anmutenden Naturaufnahmen und begleitet von Voice-Over-Kommentaren verschiedener Soldaten ist Terrence Malicks Meisterwerk Der Schmale Grat / The Thin Red Line einer der irritierendsten und zugleich beeindruckendsten Kriegsfilme der Filmgeschichte. Doch der große Erfolg an den Kinokassen blieb dem Werk, das 1998 in die Kinos kam, verwehrt. Und wie so häufig war es ein dummer Zufall, eine Synchronizität der Ereignisse, die einen großen Besucherstrom verhinderte. Denn nahezu zeitgleich startete mit Steven Spielbergs Der Soldat James Ryan / Saving Private Ryan ein thematisch recht ähnlicher Film in den Kinos und ein Großteil der Zuschauer vertraute sich lieber den bewährten Erzählformen und Formeln Spielbergs an, als dem der breiten Masse wesentlich unbekannteren Terrence Malick eine Chance zu geben. Dabei ist der auch filmhistorisch gesehen eine bedeutsame Größe, seine beiden Filme Badlands (1973) und In der Glut des Südens / Days of Heaven (1977) gelten als Klassiker des Kinos. Für einiges Aufsehen sorgte Malick auch stets mit seiner Öffentlichkeitsscheu und seinen langen Pausen, in denen der ehemalige Philosophie-Student und Heidegger-Übersetzer jeglichen Kontakt zu Hollywood mied und die Welt bereiste.

Die Abschweifungen Malicks, sein exzessives Feiern paradiesischer Urzustände, sie sind eine Herausforderung an jeden Zuschauer, der von Kriegsfilmen vor allem jede Menge Action erwartet. Doch wer sich darauf einlässt, den erwartet hier viel mehr als nur ein Film über die Bestie Mensch: Nie war die Todesangst, die Verzweiflung angesichts des nahenden Todes, die Würde und die Ohnmacht von Soldaten treffender eingefangen als hier. Ein Meisterwerk, das sich durchaus mit Francis Ford Coppolas Apocalypse Now! messen kann. Mit diesem Film hat sich das ewige Rätsel Terrence Malick, das „Enigma Hollywoods“ endgültig in die Filmgeschichtsschreibung eingetragen.

Der Schmale Grat

Immer wieder diese Stille. Und die Farben, die Natur, diese beinahe schon unmenschliche Schönheit. Die Insel Guadalcanal, auf der Der Schmale Grat / The Thin Red Line von Terrence Malick spielt – sie muss ein Paradies auf Erden sein.
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Meinungen

Meyer vera · 27.03.2023

Zu viel abschlachten..