Der neunte Tag

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Vorbild Humanismus

Dem Priester Henri Kremer (Ulrich Matthes) wird gestattet, seinen KZ-Aufenthalt in Dachau für neun Tage zu unterbrechen, um in sein Heimatland Luxemburg zu seiner Familie zurückzukehren. Eine Gnade, die nicht umsonst zu haben ist: Denn zu Hause angekommen, muss er sich täglich bei der Luxemburger Gestapo bei seinem jungen Chef Gebhardt (August Diehl) melden. Mit der Drohung, im Falle von Kremers Flucht seine Luxemburger Glaubensbrüder im Dachauer „Pfarrerblock“ sofort erschießen zu lassen, wird beim Zusammentreffen von Anfang an geklärt, wer hier der Stärkere ist. Aber es wird auch ein leidenschaftliches, mehrtägiges Gespräch zwischen den beiden in Gang gesetzt, bei dem es Gebhardt immer wieder gelingen wird, den Abbé mit verlockenden Angeboten zu überraschen — um ihn damit schließlich im Geiste auf seine Seite ziehen zu wollen. Gebhardts Ziel: Kremer soll seinen Bischoff dazu bringen, ein Schreiben zu unterzeichnen, das die katholische Kirche Luxemburgs an die Seite Deutschlands führt. Die raffiniert-taktischen, häufig auch religiös motivierten Argumenten von Gebhardt lassen den Priester in Nöte und Versuchung kommen. Am neunten Tag wird er — ganz auf sich alleine gestellt — entscheiden müssen, auf welcher Seite er steht und wem er tatsächlich verpflichtet ist …

Basierend auf dem autobiographischen Bericht von Abbé Jean Bernard in „Pfarrerblock 25487“ ist Schlöndorff ein tiefgründiges Drama gelungen, das hoch emotional und aufgrund seiner übergreifenden Frage, auf wen oder was man in schwierigen Zeiten sinnvollerweise hören sollte, durchaus als aktuell, zumindest aber zeitlos zu bezeichnen ist. Ein Film, der es dem Kinobesucher natürlich auch nicht gerade leicht macht — zu traumatisch wirken einzelne Szenen, zu bedrückend erscheint die Farbgebung. Eine Tragödie, die an vielen Stellen schwere Kost darstellt, auf der anderen Seite aber auch von einer berstenden Kraft beseelt ist. Denn noch selten wurden Zivilcourage, Humanismus und existenzialistische Fragen des Glaubens so überzeugend geschichtlich aufgearbeitet und filmisch dargestellt. Besonders die großartigen darstellerischen Leistungen von Ulrich Matthes und August Diehl tragen hier maßgeblich zum Gelingen des eigenen Anspruchs bei; sehr sorgfältig arbeitete man auch an den Details, verband szenische Askese klug mit authentischer Atmosphäre. Ein intelligenter, in seiner moralischen Tiefe wegweisender Film, der ein breites bürgerliches Publikum ansprechen dürfte und auch die Kirche selbst nicht unbeeindruckt lassen wird.
 

Der neunte Tag

Dem Priester Henri Kremer (Ulrich Matthes) wird gestattet, seinen KZ-Aufenthalt in Dachau für neun Tage zu unterbrechen, um in sein Heimatland Luxemburg zu seiner Familie zurückzukehren.

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen

Paolo Eustachi · 03.05.2006

Die dramatische Dichte und geistige Intensitaet des Films haben mich tief beindruckt und bewegt.
Die Wahl des 1.Cello-
konzert von Alfred Schnittke als musikalische
Untermahlung fand ich noch vollkommen treffend.
Der Neunte Tag gehoert, meiner Meinung nach, zu den schoensten und eindrucksvollen Filmen des
letzten Jahrzehnts.

Paolo Eustachi · 03.05.2006

Die dramatische Dichte und geistige Intensitaet des Films haben mich tief beindruckt und bewegt.
Die Wahl des 1.Cello-
konzert von Alfred Schnittke als musikalische
Untermahlung fand ich noch vollkommen treffend.
Der Neunte Tag gehoert, meiner Meinung nach, zu den schoensten und eindrucksvollen Filmen des
letzten Jahrzehnts.