Der letzte schöne Herbsttag

Eine Filmkritik von Peter Gutting

Öko trifft Hypochonder

Der zweite Film sei immer der schwerste, sagt man. Auf Ralf Westhoff trifft das offenbar nicht zu. Der Regisseur hat nach seinem Überraschungserfolg Shoppen (2006) einen Nachfolger hingelegt, der mindestens ebenso gut und witzig ist. Und das, obwohl er sich mit demselben Thema beschäftigt: dem Gegensatz zwischen den hohen Erwartungen an eine ideale Paarbeziehung und der bitteren Realität. Darin steckt bei aller Komik ein ernsthafter Kern, zu dem wohl jeder von uns ein Scherflein beitragen könnte.
Wie steht es zum Beispiel mit der harmlos erscheinenden Frage: „Wie war dein Vormittag?“ Wer hier – insbesondere als Vertreter des männlichen Geschlechts – einfach nur „gut“ sagt, riskiert eine veritable Krise. Denn das könnte immerhin bedeuten, dass man der Geliebten wenig bis gar nichts von sich preisgeben möchte. Schlimmer noch, womöglich hat man etwas zu verbergen, was das Zusammensein ernsthaft gefährden könnte. Aber so ist das nun mal: Gesagt ist gesagt. Wer aus einem solchen Schlamassel heil rauskommt, muss ein echter Charmeur sein.

Die kleine Geschichte ist eines der harmloseren Bespiele für die hoffnungslos vielschichtige Kommunikation zwischen zwei Liebenden wie Claire (Julia Koschitz) und Leo (Felix Hellmann), beide so Mitte bis Ende 20. Leo ist ein überzeugter „Öko“ und würde am liebsten ein Projekt für Bio-Baumwolle aufziehen. Claire dagegen hadert mit Krankheiten und Allergien vielerlei Art, wobei es keine Rolle spielt, ob das Gemüse nun aus dem Bioladen kommt oder nicht. Allerdings scheiden sich die Geister der beiden nicht an solchen Belanglosigkeiten. Entscheidender ist da schon das Stereotyp, dass die Frau ständig Liebesbeweise fordert und der Mann Angst vor Nähe hat. Gottseidank ist aber auch das nicht die ganze Wahrheit. Denn die Liebe ist komplex – so komplex, dass wir sie nie mit Worten ergründen werden.

Sie ist vor allem auch komisch. Insbesondere dann, wenn sie mit einem einfachen, aber wirkungsvollen Kunstgriff geschildert wird: Neben den Episoden aus Leo und Claires Leben lässt der Regisseur die beiden direkt in die Kamera sprechen. Ganz unabhängig voneinander reden sie da über die Probleme ihres Zusammenseins, denken über Gefühle nach, schildern Erlebtes und Erlittenes aus subjektiver Sicht. Wer die Fragen stellt, die sie manchmal zu beantworten suchen, erfahren wir nicht. Es könnte ein Paartherapeut sein oder ein guter Freund, der nicht ins Bild kommt.

Das versetzt uns als Zuschauer in die komfortable Lage, meist schon zu wissen, was der andere über ein bestimmtes Erlebnis gesagt hat. Claire zum Beispiel fand es beim ersten Kennenlernen im Fahrradladen schon sehr merkwürdig, dass dieser Typ nicht einmal einen Platten reparieren konnte. Aber es ist ganz gut, dass sie nicht hört, was Leo zu einer Frau meint, die eine geborene Handwerkerin zu sein scheint.

Dass Der letzte schöne Herbsttag so gut funktioniert, liegt an den pointierten Dialogen und der überragenden Schauspielerleistung. Julia Koschitz und Felix Hellmann – beide sind bereits aus Shoppen bekannt – schaffen es scheinbar mühelos, all die vielen verbalen und nonverbalen Kommunikationsebenen zu orchestrieren. Denn es ist nicht nur eine Geschichte des Scheiterns die hier erzählt wird. Es ist auch und zugleich die Geschichte einer großen Liebe. Das in jedem Moment präsent zu halten, ist schwer. Gerade weil es so leichtfüßig daherkommt.

Der letzte schöne Herbsttag

Der zweite Film sei immer der schwerste, sagt man. Auf Ralf Westhoff trifft das offenbar nicht zu. Der Regisseur hat nach seinem Überraschungserfolg „Shoppen“ (2006) einen Nachfolger hingelegt, der mindestens ebenso gut und witzig ist. Und das, obwohl er sich mit demselben Thema beschäftigt: dem Gegensatz zwischen den hohen Erwartungen an eine ideale Paarbeziehung und der bitteren Realität.
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Meinungen

wignanek-hp · 15.05.2011

Es ist schon schön zu sehen, dass Schauspieler es schaffen, einen Film über beinahe 90 Minuten zu tragen. Der Film ist absolut sehenswert und wird manchem zu einem Aha-Effekt verhelfen, wenn er Teile der Mono- bzw. Dialoge wiedererkennt.

Franz · 12.11.2010

Absolut sehenswert. Der letzte kurze Teil während des Abspanns ist unnötig...sonst sehr schöner Film..

Christian · 09.11.2010

Der letzte schöne Herbsttag spielt von einer Beziehung, von zwei
Individuen, wie sie nicht so recht zusammen passen und doch zusammen
gehören. Der Film beeindruckt dadurch, wie er Emotionen und Gedanken
der Charaktäre transportiert.

Auf eine innovative Art und Weise zieht er einen mit in das Geschehen
ein. Man ist in dem Film kein Beobachter, sondern der beste Freund oder
Psychotherapeut oder 'Beziehungsberater' der beiden Charaktäre - eben
ganz nah dran. Und dennoch weiß man genauso wenig wie die beiden, wie
es weiter gehen soll. Die Charaktäre sind gleichzeitig voll
ausgestaltet, voller Leben und Eigenheiten und doch unvollständig und
ihren eigenen Charakter suchend. Das geht nicht zuletzt deswegen auf,
weil die Schauspieler echt wie gemacht für ihre Rollen sind. Jede
Gestik und Mimik ist so überzeugend... so 'authentisch' können viele
Menschen im realen Leben schon überhaupt nicht wirken.