Der Kreis

Eine Filmkritik von Sven Jachmann

Acht Frauen im Iran

Acht Figuren im Iran, genauer gesagt in Teheran, besitzen keine sonderlichen Gemeinsamkeiten, außer dem Faktum, dass sie Frauen sind. Sie suchen das Versteck in der Unübersichtlichkeit der Großstadt, fliehen vor ihren Peinigern, den Institutionen, dem Staat, seiner Exekutive, ihren Familien. Abtreibung, Flucht aus dem Gefängnis, die Geburt eines Mädchens, aufsässiges Verhalten…die Gemeinsamkeiten ihres Vergehens bestehen einzig in der repressiven Ahndung für Handlungen, die ihnen qua Geschlecht oktroyiert werden. Und das ist genauso so doppeldeutig zu verstehen: dass, was ihr weibliches Geschlecht negativ konnotiert, wird ihnen vom Männlichen auferlegt und deshalb, wohlgemerkt nur deshalb, institutionalisiert.
Panahi verwendet große Mühe darauf diesen Sog aus Fremdbestimmung, Ausbeutung, Repression, letzlich immer zu erahnender Ausweglosigkeit inszenatorisch einzufangen. Der Blick durch ein schwarz umrandetes Rechteck, hinter dem sich ein Operationssaal befindet, eröffnet den Film. Derselbe Blick beendet ihn. Allerdings führt er diesmal aus einer Gefängniszelle, in der sich die acht Frauen nach ihrer Odyssee vereint wiederfinden, wohlwissend, dass diese Odyssee längst nicht zu ihrem Ende gekommen ist.

Halbtotalen und Nahaufnahmen dominieren die Erzählung. Panorama-Einstellungen sucht man genauso vergebens wie Kadrierungen, aus denen sich in irgendeiner Art und Weise Kontemplation gewinnen ließe. Die Figuren begegnen sich beiläufig, stehen mitunter nicht mal in unmittelbarem Kontakt zueinander und werden mit einer ebenbürtigen Unaufdringlichkeit von der Kamera aufgegriffen, begleitet und für den Augenblick eines Wimpernschlags wieder verlassen.

Auf diese Weise entwickelt sich natürlich nicht das kohärente Bild eines runden Charakters. Es ist die bloße, unmittelbare Teilhabe an einer Gefahrensituation, die fast schon dokumentarisch illustriert wird (insofern besitzt die verwackelte Handkamera, was, das Ressentiment nehme ich mir, heutzutage selten genug der Fall ist, wenigstens eine inhaltsästhetische Legitimation) und in ihrer inneren Verzahnung auf die Allgegenwart der Unterdrückung und des staatlichen Zugriffs verweist. Das mag dann und wann etwas episodisch ausfallen, ist auf der anderen Seite jedoch die fruchtbarste Methode, um die fremdverschuldete Unmündigkeit als soziales Phänomen begreifbar zu machen. Solidarisierungseffekte dringen immer wieder durch, verpuffen jedoch genauso schnell in der alles einebnenden Apathie. Der kleine, hilflose Widerstand ist alles was bleibt, etwa wenn eine der Protagonistinnen im Gefangenentransport trotz Verbots eine Zigarette raucht (ohnehin ein zentrales Leitmotiv des Films). Unerhört bleibt er indes nur symbolische Geste, schafft nur (aber auch vor allem) Selbstvergewisserung der versuchten Autonomie, die dann doch wieder vom Kreis des Leids und der drohenden Strafe okkupiert wird.

Alles, was die acht Frauen zu verschulden haben, ist ihre Existenz. Dass dieses Motiv bereits unter Umständen eine Freifahrt ins Gefängnis bedeuten kann, haben uns die Bilder zwischen der schwarz umrandeten, rechteckigen Klammer eindrucksvoll bewiesen.

Der Kreis

Acht Figuren im Iran, genauer gesagt in Teheran, besitzen keine sonderlichen Gemeinsamkeiten, außer dem Faktum, dass sie Frauen sind.
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