Der Killer von Wien

Eine Filmkritik von Stefan Dabrock

Rasiermesser und nackte Haut

Im Giallo regiert eine auf Symbole zugespitzte Bildsprache, deren prägnanteste Elemente stilbildend in verschiedenen Genrebeiträgen auftauchen. Oft trägt der Mörder schwarze Handschuhe, benutzt gerne ein Rasiermesser und bringt zumeist attraktive Frauen um die Ecke. Das alles findet man auch in Sergio Martinos elegantem Der Killer von Wien, der zu den besten Vertretern seiner Zunft gehört.
Die junge Julie Wardh (Edwige Fenech) reist mit ihrem wohlhabenden Mann Neil (Alberto de Mendoza) nach Wien. Bereits kurz nach ihrem Eintreffen in der österreichischen Metropole beginnt ein alter Verehrer (Ivan Rassimov), ihr regelmäßig Blumen zu schicken. Beide haben sich in der Vergangenheit mit sadomasochistischen Sexspielen vergnügt. Gleichermaßen mysteriöse wie bedrohliche Nachrichten auf den Grußkarten an den Sträußen spielen darauf an, sodass sich Julie Wardh zunehmend bedroht fühlt. Da ihr Ehemann sie meistens alleine lässt, landet sie schließlich bei George (George Hilton), einem schmierig-eleganten Schönling, der dank seines Draufgängertums ein aufregenderes Leben verspricht. Als ein unbekannter Killer immer weitere Frauen tötet, weiß Julie nicht mehr, wem sie noch vertrauen kann.

Sergio Martino hat mit Der Killer von Wien sein inszenatorisches Meisterstück abgeliefert, indem er alles in eine morbid-tödliche Atmosphäre taucht. Die Mordserie ist der Aufhänger für ein Gefühl der Unsicherheit, das Julie in Angst und Schrecken versetzt. Dabei nutzt Martino das klassische Rasiermesser, um den Akt der Tötung zu einem ästhetisierten Zerstörungswerk zu stilisieren. Julies Furcht findet in dieser Gewalt ihren erschreckenden Widerhall. Die Blumensträuße mit den unangenehmen Grußkarten und ein schwarzes Auto, das Julie zu verfolgen scheint, verunsichern sie weiter. In Martinos Welt der symbolischen Motive lauern überall Anzeichen für Tod und Verfall. Julie muss versuchen, die Dinge einzuordnen, ohne den Verstand zu verlieren. Aber je undurchsichtiger alles wird, desto stärker arbeitet die Fantasie mit der Angst zusammen, um das Grauen lebendig werden zu lassen.

Martino hält geschickt offen, was hinter den einzelnen Elementen steckt. So schließt er die Möglichkeit nie aus, dass sich Julie in einen Zustand der Paranoia verrennt, aus dem sie nicht mehr entkommen kann. Der Killer von Wien offenbart auf diese Weise ein visuelles Universum, das die Traumatisierung einer sozial isolierten Frau bebildert. Die omnipräsente, dämonische Mörderfigur ist ein Spiegelbild dieses Zustands. Elegant ausgeleuchtete Szenerien sorgen in Verbindung mit ausgezeichneten Spannungssequenzen für den filmischen Genuss.

Ein Paradebeispiel für den perfekten Spannungsaufbau liefert Martino ab, wenn Julies Freundin im Garten von Schloss Schönbrunn eine Verabredung hat. Die menschenleeren Wege, das Rauschen der Bäume und ein Gärtner sind die Unruhe stiftenden Elemente, welche durch das Zwielicht Wiens entsprechend verstärkt werden. Auf einmal wirkt die österreichische Hauptstadt wie ein gigantischer Sarg, der alles verschlingt, was nicht rechtzeitig herausklettert.

Dreckspuren oder analoge Bilddefekte tauchen bei der schönen DVD-Veröffentlichung nicht auf. Bei den Nahaufnahmen ist die Schärfe gut, lediglich bei der einen oder anderen Totalen sieht das Bild matschig aus. Die kräftig-intensiven Farben sorgen dafür, dass der Film sein volles atmosphärisches Potenzial entfalten kann.

Auf der DVD sind neben der alten Abtastung des deutschen Mono-Tons auch zwei neue Versionen enthalten, eine vor und eine nach der Filterung. Die Unterschiede sind aber nicht besonders groß. Am ehesten macht sich das fehlende Volumen bei der alten Abtastung bemerkbar. Der italienische Ton ist ähnlich gut wie die deutschen Fassungen, liegt aber im breiter klingenden DD 2.0-Mono-Format vor. Auffälliges Rauschen gibt es nicht.

Freunde der um rund vier Minuten gekürzten deutschen Kinofassung werden mit einer Zusatz-DVD belohnt, auf der diese enthalten ist. Die 32-minütige Dokumentation Dark Fears behind the Doors beinhaltet Interviews mit den Darstellern Edwige Fenech und George Hilton, dem Drehbuchautor Ernesto Gastaldi, dem Regisseur Sergio Martino und dem Produzenten Luciano Martino. Entspannt erinnern sich die Beteiligten an die Entstehung des Projektes sowie die Dreharbeiten. Edwige Fenech hat allerdings offensichtlich vergessen, wie oft sie sich innerhalb des Films zum Duschen oder für andere Szenen ausziehen musste. Denn von einer innewohnenden Erotik will sie nichts wissen.

In der etwa 28-minütigen Featurette mit Regisseur Sergio Martino spricht der Italiener über seine Filmkarriere. So geht es unter anderem um Martinos erste Schritte im Business und die Möglichkeiten, die sich ihm geboten haben. Er bettet seine Ausführungen in Überlegungen zur sozialen Realität im Italien der damaligen Zeit ein, spricht über aufregende Erfahrungen während einiger Dokumentationsdrehs im Ausland und äußert sich zu den Problemen der aktuellen gesellschaftlichen Entwicklung. Eine Bildergalerie und der Trailer zum Film sind auf der DVD ebenfalls enthalten. Im 16-seitigen Booklet beschäftigt sich Autor Pelle Felsch mit der besonderen Atmosphäre Wiens und seiner filmischen Präsenz, bevor er eine Analyse zu Der Killer von Wien folgen lässt. Insgesamt eine sehr sorgfältige Edition eines schönen Giallo-Klassikers.

Der Killer von Wien

Im Giallo regiert eine auf Symbole zugespitzte Bildsprache, deren prägnanteste Elemente stilbildend in verschiedenen Genrebeiträgen auftauchen. Oft trägt der Mörder schwarze Handschuhe, benutzt gerne ein Rasiermesser und bringt zumeist attraktive Frauen um die Ecke. Das alles findet man auch in Sergio Martinos elegantem „Der Killer von Wien“, der zu den besten Vertretern seiner Zunft gehört.
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