Der Fürsorger

Eine Filmkritik von Katrin Knauth

Hoch gestapelt, tief gefallen

Nichts ist so wie es scheint. Hinter jeder Wahrheit steckt immer noch eine andere Wahrheit. So könnte man das Leben von Dr. Claudius Lenz (Roeland Wiesnekker) kurz umschreiben. Oder sollten wir besser gleich von Hans-Peter Stalder reden? Ist das der richtige Name des Mannes, dessen Lebensgeschichte hier erzählt wird? Sicher kann man nicht sein. Fakt ist: Die Geschichte beruht auf einer wahren Begebenheit. Es ist die Geschichte des Schweizer Hochstaplers und Millionenbetrügers Hans- Peter Streit, die Buchautor Philipp Probst zu Papier (Ich, der Millionenbetrüger ‚Dr. Alder’) und der Regisseur Lutz Konermann auf die Landwand gebracht haben.
Aktueller könnte das Thema nicht sein. Die weltweite Finanzkrise, riskante Spekulationen und gefälschte Doktortitel bestimmen immer wieder die 20-Uhr-Nachrichten. Hans-Peter Streit trieb bereits in den 1970ern und 1980ern sein Unwesen und prellte die Leute um Geld und Verstand gleichermaßen. Auch Konermann verlegt seinen Film in die 1980er und verpasst seinem Protagonist eine grenzwertige Zottelfrisur und knallenge Rollkragenpullis. Es ist der Hochstapler selbst, der seine ungewöhnliche Lebensgeschichte erzählt. Schicht um Schicht deckt er in Rückblenden, die Fassade und das Lügengerüst seines Lebens auf. Er rekapituliert, wie er zunächst als Fürsorger – in der Schweiz ist das ein kommunaler Ansprechpartner für Bedürftige – mit seinen Tricks zur Geldvermehrung den Leuten das Geld aus der Tasche zieht.

Warum er das getan hat, wird er später im Gerichtssaal gefragt. Er habe es nicht für sich getan, antwortet Hans-Peter Stalder. Er habe die Menschen einfach nur glücklich machen und sich an ihrem Glück wärmen wollen. Ist das egoistisch oder aufopfernd? Es ist schon verblüffend, wie die Menschen ihm mir nichts, dir nichts Hunderttausende Franken anvertraut haben. Stalder brauchte nur die Geschichte vom Finanzdirektor der Schweizer Chemie AG erzählen, dem er aus der Patsche geholfen und im Gegenzug dafür einen Geheimcode für die Geldanlage mit Renditen bis zu 50 Prozent bekommen habe. Jeder, aber wirklich jeder, ist darauf reingefallen – und damit Opfer seiner Geldgier geworden.

Geschichten über Hochstapler sind perfekter Stoff fürs Kino. Das wusste schon Alexander Adolph, der mit Die Hochstapler (2007) einen genialen Dokumentarfilm und mit So glücklich war ich noch nie (2009) einen brillanten Spielfilm über den Reiz, jemand anderes zu sein gedreht hat. Nichts zu vergessen ist Steven Spielbergs Catch Me If You Can (2002). Während diese Filme mehr auf die glanzvolle Scheinwelt und Psychologie des Hochstaplers setzen, geht es bei Konermann um die Geschichte als Satire auf die kleinen, gutgläubigen Leute, die gierig auf das große Geld sind.

Konermann hat eine solide Polizeiruf-/Tatort-Ästhetik für seinen Streifen gewählt. Er zeigt nicht die Scheinwelt, sondern die Realität. Es gibt keine Action, sondern dörfliche Ruhe und Gelassenheit zu sehen. Mit Roeland Wiesnekker hat er für den Hochstapler einen tollen Schauspieler gefunden, der den widersprüchlichen Charakter der Figur gut zu verkörpern weiß. An seiner Seite ist in der Rolle seiner zweiten Ehefrau die deutsche Schauspielerin Katherina Wackernagel (Résiste — Aufstand der Praktikanten) zu sehen, die man sich häufiger auf der Leinwand zu sehen wünscht. Und was bleibt am Ende des Films übrig? Die Gewissheit, dass Lügen kurze Beine haben und nichts so ist wie es scheint.

Der Fürsorger

Nichts ist so wie es scheint. Hinter jeder Wahrheit steckt immer noch eine andere Wahrheit. So könnte man das Leben von Dr. Claudius Lenz (Roeland Wiesnekker) kurz umschreiben. Oder sollten wir besser gleich von Hans-Peter Stalder reden? Ist das der richtige Name des Mannes, dessen Lebensgeschichte hier erzählt wird? Sicher kann man nicht sein.
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