Der fremde Sohn (2008)

Eine Filmkritik von Silvy Pommerenke

Lebendiger Albtraum

Christine Collins liebt ihren neunjährigen Sohn Walter über alles. Als sie eines Tages von der Arbeit nach Hause kommt, ist er verschwunden und für die verstörte Mutter beginnt ein Albtraum. Aber dies ist erst die Spitze des Eisberges, denn aus einer Vermisstenanzeige wird bald schon ein Verschwörungskomplott, das direkt zu einem Serienmörder führt.

Los Angeles 1928, als die Telefonistin Christine Collins (Angelina Jolie) unter Tränen eine Vermisstenanzeige wegen ihres verschwundenen Sohnes beim LAPD (Los Angeles Police Department) aufgibt, wird sie auf den nächsten Tag vertröstet. Aber auch anderntags setzt sich der Polizeiapparat nur zögerlich in Bewegung und Wochen der Hoffnung und Angst liegen vor Christine. Fünf Monate später wird ihr die ersehnte Nachricht persönlich von Captain J. J. Jones (Jeffrey Donovan) überbracht: ihr Sohn wurde gefunden! Die vermeintlich erfolgreiche Arbeit der Polizei wird medienwirksam ausgeschlachtet, aber als Christine dem Jungen gegenübersteht, erkennt sie, dass dies nicht ihr Sohn ist. Alle Einwände und Erklärungen gegenüber dem Captain und die Bitte, ihren wirklichen Sohn weiterzusuchen, prallen an dem engstirnigen und blasierten Polizisten ab. Als Christine auf eigene Faust ermittelt und die polizeiliche Fehlleistung an die Presse weitergibt, wird sie kurzerhand in die Psychiatrie verbracht und muss dort qualvolle Erniedrigungen erleiden. Glücklicherweise hat sie einen unermüdlichen Unterstützer in Reverend Briegleb (John Malkovich), der es sich schon seit langem zur Aufgabe gemacht hat, das korrupte und machtgierige LAPD zur Strecke zu bringen. Zeitgleich deckt Detective Ybarra (Michael Kelly), der sich positiv aus dem Polizeiapparat hervorhebt, einen grausigen Fall eines Serienmörders auf, der bevorzugt neunjährige Jungen abschlachtet. Ist Walter einer von ihnen?

Clint Eastwood hat sich in Der fremde Sohn / Changeling eines realen historischen Kriminalfalles angenommen, den er mit einer verblüffenden Angelina Jolie und einem zurückhaltenden John Malkovich verfilmt hat. Was als tragischer Entführungsfall beginnt, führt schnell in den Sumpf des korrupten Polizeiregimes von Los Angeles, in eine Zeit, in der Frauen voreilig als Hysterikerinnen abgestempelt und in Psychiatrien noch mit Elektroschocks gearbeitet wurde. „Die Polizei, dein Freund und Helfer“, das ist in dieser Zeit ein Euphemismus, denn das LAPD der zwanziger und dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts wirtschaftet in seine eigenen Taschen, geht dafür auch über Leichen und beugt das Gesetz, wie es einer Demokratie unwürdig ist. Exemplarisch hat Eastwood die sogenannten Winewill-Chicken-Morde an der historischen Figur von Christine Collins aufgehängt, die durch eine glänzende Darstellung von Angelina Jolie zum Leben erweckt wird.

Dezent, manches Mal ätherisch, spiegelt Jolie die Sorgen und Ängste der Mutter wider, und der Albtraum, in dem sie sich über Jahre befindet, erfährt seinen Höhepunkt, als Jolie ein letztes Mal auf den Serienmörder Gordon Northcott (überzeugend krankhaft dargestellt von Jason Butler Harner) trifft und ihn eindringlich bittet, ihr die Wahrheit über ihren Sohn zu sagen. Er bleibt ihr die Antwort schuldig.

Die Vorwürfe, die Angelina Jolie von vielen Seiten entgegengebracht wurden, dass sie immer Jolie bleiben würde, egal in welche Rolle sie schlüpft, sind unbegründet. Tatsächlich verschafft sie sich ein neues, seriöses Image durch die Darstellung der Christine Collins und erhielt dafür eine Nominierung als Beste Hauptdarstellerin beim Golden Globe Award. Dank der Lichtführung und der Konzentration auf Naheinstellungen der Schauspieler wird vieles in diesem Film nonverbal erzählt. So sind es die Gesichter – von der markanten Note Michael Kellys, dem leicht irren Blick Jason Butler Harners, der dezenten Ausstrahlung John Malkovichs, dem aalglatten Habitus Jeffrey Donovans bis hin zur kämpferischen, dabei aber auch zurückhaltenden Attitüde Angelina Jolies -, die ihre eigene Sprache sprechen. Der fremde Sohn / Changeling ist eine tragische Geschichte, die spannend und dramatisch verfilmt und dabei in ein wunderbares authentisches Flair des Los Angeles der dreißiger Jahre eingebettet wurde.
 

Der fremde Sohn (2008)

Christine Collins liebt ihren neunjährigen Sohn Walter über alles. Als sie eines Tages von der Arbeit nach Hause kommt, ist er verschwunden und für die verstörte Mutter beginnt ein Albtraum.

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen

FF · 18.03.2009

Ein toll gemachter Film. Zwei ganz neue Rollen für Malkovich und Jolie. Dennoch auch ein sehr dramatischer Film bei welchem man gute Nerven braucht. Zum Schluß ist der Film meiner Meinung nach etwas langwierig.

Filmbegeisteter · 07.02.2009

Toller Film. Ergreifend in Szene gesetzt. Tolle Schauspielerleistung.
Da vergisst man im Kino das Atmen.
Erschreckend, das er nach einer wahren Geschichte gedreht wurde.

· 26.01.2009

Was will uns dieser Film bloß sagen? Zweifellos mitreißend - weil hoch-emotional erzählt -, aber letztlich doch blödestes Ausstattungskino ohne jedes Interesse an seinen flach gezeichneten Protagonisten. Rührstück-Kino mit erheblichen Schockmomenten (die für die Handlung ohne jede Bedeutung sind).

354skank · 25.01.2009

Klischeelastig, bis es kaum noch auszuhalten ist. Böse Polizei, böse Psychatrie, böse Politik vs. mutige Mutter. It ja alles ganz nett fotografiert, aber Herr Eastwood scheint die Schockeffekte und das Grausame zu lieben - auch wenn sie zur Handlung nichts beitragen. Ein Film so platt wie's Watt.

Maja Wagener · 23.01.2009

Schade, dass diese ansonsten sehr ansprechende Kritik offensichtlich die Auflösung verrät - dass der Mörder die Antwort schuldig bleibt, hätte ich lieber nicht gewusst. Ich werde mir den Film mit diesem Wissen sicher nicht mehr im Kino ansehen.

Florian Randlhuber · 21.01.2009

Leider sehr schlechter Film, streckenweise kann man diesen Streifen nicht mehr aushalten und überlegt sich schon frühzeitig das Kino zu verlassen.
Wir haben selten einen so miesen Kinofilm gesehen.

· 16.01.2009

Wer hätte das der Jolie zugetraut. Es ist unglaublich mit welcher Intensität und doch auch Zurückhaltung sie die Mutter proträtiert, die kaum noch Hoffnung hat, ihren Sohn wiederzufinden. Clint Eastwood scheint zudem immer noch nicht seinen Höhepunkt errreicht zu haben. Mit viel Gefühl und in ruhiger Gangart hat er die Geschichte um die Suche einer Mutter nach ihrem Sohn inszeniert. Beeindruckend ist dabei auch die Authenzität des 30er Jahre Flairs, der ohne viel Kitsch und Nostalgie auskommt. Ein exzellenter Film mit einer brillanten Besetzung bis in die Nebenrollen. Unbedingt sehen!