Der Fluss war einst ein Mensch

Eine Filmkritik von Stefan Otto

Staken im Wasser

Er (Alexander Fehling) ist ein Schauspieler, der seiner Bühne enthoben ist. Sein Gegenüber, ein alter Mann, weiß nicht, was ein Schauspieler überhaupt tut. Im Imitieren von Tierlauten finden der Deutsche und der Alte schließlich ihre kleine Schnittmenge. Am nächsten Morgen ist der Alte überraschend tot. Der Schauspieler war auf ihn angewiesen, war von ihm mitgenommen worden in dessen Kahn, den er fortan selbst durch die unkartierten Verästelungen des Okavango-Deltas steuern muss, durch ein riesiges, menschenleeres Sumpfgebiet in Botsuana, das undurchschaubar ist für jeden Fremden. Ein Labyrinth, das keinen Ausweg zu haben scheint.
Regisseur Jan Zabeil, Kameramann Jakub Bejnarowicz und, im Boot, Fehling (Goethe!) brauchen keine Worte, keine Einschübe, keine erklärenden Bilder und schon gar keine Spezialeffekte, um den Gefühlszustand darzustellen, in dem der Schauspieler sich befindet. Um die Ausweglosigkeit, seine Verlorenheit und Einsamkeit zu vermitteln, genügt es ihnen, die Landschaft, ihre Weite und viel Zeit wirken zu lassen.

Die Fahrt des Schauspielers, sein Staken im Wasser, ist eine Suche nach einem Weg, nach einem Ende auch. Eine Suche nach anderen Menschen, nach Land, irgendwo hinter dem Sumpf. Die Landschaft, durch die er irrt, kann man sich auch als Seelenlandschaft denken.

Er hat den Leichnam des Alten in eine Zeltplane gehüllt und führt dieses Körper-Paket nun mit sich. Mit seinem Staken stochert er nervös und noch ungeschickt im Wasser. Der Schauspieler fällt hinein, wo später auch der Leichnam landet. Der Fluss war einst ein Mensch gerät jedoch auch zu diesem Zeitpunkt nicht zu einer Variante von Hitchcocks schwarzer Totenkomödie Immer Ärger mit Harry / The Trouble with Harry, nicht einmal zu einer unlustigen. Der Film bleibt konsequent bei sich und der Leichnam im Wasser, wohingegen der Schauspieler zurück in seinen Kahn steigt.

Irgendwann und irgendwo gelangt er an Land. Der Sohn des Alten findet ihn. Was dann folgt, liest sich so, als hätte man es hier mit einem Drehbuch von Thea von Harbou zu tun und einem Film von Fritz Lang. Wenn man Jan Zabeils Film sieht, stellt sich dieser Eindruck kaum ein. Da liest der blinde Seher Mabusa aus einem Knochen und äußert, der Leichnam des Alten sei von einem Krokodil gefressen worden und der Alte daraufhin selbst zu einem geworden. Der Sohn und der Schauspieler müssen das Krokodil finden, um die Knochen des Vaters bergen und beerdigen zu können, denn sonst wird der seine Familie zu sich holen.

Der Fluss war einst ein Mensch ist ein Solo für Alexander Fehling. Ein Solo, das er überragend meistert! Als Schauspieler ist er allein wie der erste Mensch oder wie Robinson Crusoe. Stellvertretend für die Zuschauer macht er diese Reise und nimmt die fremde Landschaft in sich auf. Zugleich lässt das kontemplative Drama auch seinem Publikum die Zeit, die Reise und die Landschaft auf sich wirken zu lassen und sich eigene Gedanken zu machen. Wer sich darauf einlässt, wird mit einem äußerst intensiven Stimmungsbild belohnt.

Der Fluss war einst ein Mensch

Er (Alexander Fehling) ist ein Schauspieler, der seiner Bühne enthoben ist. Sein Gegenüber, ein alter Mann, weiß nicht, was ein Schauspieler überhaupt tut. Im Imitieren von Tierlauten finden der Deutsche und der Alte schließlich ihre kleine Schnittmenge. Am nächsten Morgen ist der Alte überraschend tot.
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