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Wer in der geteilten Stadt Jerusalem lebt, muss vorsichtig sein. Wegen einer heimlichen Affäre erregen eine Israelin aus Westjerusalem und ein Palästinenser aus Ostjerusalem Verdacht. Einmal in Bewegung gesetzt, sind die paranoiden Mühlen des Nahostkonflikts aber kaum mehr zu stoppen.

Der Fall Sarah & Saleem (2018)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Nur Seitensprung, nicht Landesverrat

Ein Palästinenser und eine Israelin haben heimlich eine Affäre. Da sie beide verheiratet sind, treffen sie sich nur manchmal abends auf einsamen Parkplätzen in Jerusalem. Ein Streit in einer Bar in der palästinensischen Stadt Bethlehem hat für das Paar Folgen, die es sukzessive ins Visier von Geheimdiensten und Militär rücken. Es kommt zu einer Eskalation von Verdächtigungen und falschen Beschuldigungen, die das Leben der beiden und ihrer Ehepartner aus der Bahn werfen.

Der in Jerusalem lebende palästinensische Regisseur Muayad Alayan (Love, Theft and Other Entanglements) und sein für das Drehbuch verantwortlicher Bruder Rami Alayan erzählen von der Paranoia, welche das Leben in der geteilten Stadt Jerusalem und im besetzten Palästinensergebiet überschattet. Ein Seitensprung, der anderswo auf der Welt einfach nur eine private Angelegenheit wäre, wächst sich an diesem Ort in Windeseile und von den Beteiligten selbst nicht mehr kontrollierbar zum politischen Verbrechen aus. Unter dem Druck von Verhören durch Geheimdienste und Militär und aus Angst, vom sozialen Umfeld geächtet zu werden, geraten der Palästinenser Saleem (Adeeb Safadi) und die Israelin Sarah (Sivane Kretchner) in Versuchung, sich gegenseitig mit Falschaussagen der Spionage zu bezichtigen.

Im Wechsel zwischen den Schauplätzen in West- und Ostjerusalem führt der Film schrittweise in die Lebensumstände von Sarah und Saleem ein. Sarah führt ein Café, das sie voraussichtlich wieder schließen muss, weil ihr Mann David (Ishai Golan), ein Oberst der israelischen Armee, vorübergehend versetzt wird. Das Paar hat eine kleine Tochter und ist, wie sich den emotional verhaltenen häuslichen Dialogen entnehmen lässt, nicht gerade in der glücklichsten Phase seiner Beziehung. David steht beruflich unter Stress, es ist ihm streng verboten, selbst mit seiner Frau über die militärischen Einsätze zu sprechen. Saleem arbeitet als Fahrer für eine Bäckerei, aber mit dem Geld kann er seine schwangere, an der Uni studierende Frau Bisan (Maisa Abd Elhadi) und sich nicht durchbringen. Das Ehepaar ist auf die Unterstützung von Bisans Bruder Mahmood (Mohammad Eid) angewiesen, was Saleem in seiner Ehre kränkt. Mahmood hat Saleem nun auch einen Zweitjob verschafft: Er soll für Palästinenser ohne Passierschein in Jerusalem Waren kaufen und sie in den Abendstunden ausliefern.

Gleich in der ersten Nacht muss Saleem eine Lieferung nach Bethlehem bringen und da er sich so auf das Treffen mit Sarah gefreut hat, überredet er sie, mitzufahren. Und mehr noch, er will dort mit ihr eine Tanzbar besuchen. Sie solle einfach Englisch sprechen, dann denke jeder, sie sei eine Ausländerin, sagt er Sarah und versteckt ihr Namenskettchen im Ausschnitt ihres Kleides. Doch dann macht sich ein Gast aggressiv an sie heran, Saleem geht dazwischen, der andere Mann schwört Rache. Es dauert nicht lang und Saleem wird von der palästinensischen Polizei verhört – man wirft ihm vor, Drogen und israelische Prostituierte in die Stadt zu bringen. Mahmood lässt seine Kontakte spielen und so kommt es zu einem Deal mit Folgen: Damit die Ermittlungen fallengelassen werden, soll Saleem pro forma Berichte abliefern, in denen er erklärt, dass er eine namentlich nicht genannte Israelin als Spionin für den palästinensischen Geheimdienst angeworben hat. Nun gibt es Akten. Irgendwann wird Saleem von den Israelis verhaftet und David bekommt Gerüchte über seine Frau zu hören …

Die Geschichte entwickelt eine beträchtliche Spannung, während sich die Verdächtigungen der Behörden über die Motive des Liebespaars so richtig hochschaukeln. Die Geheimagenten und sonstigen Ermittler können einfach nicht glauben, dass sie es hier nicht mit Landesverrätern und Staatsfeinden zu tun haben. In Ostjerusalem gilt der inhaftierte Saleem sofort als Held, was seine Frau besonders erbost, seit sie weiß, was er wirklich getan und ihr verschwiegen hat. Im Verlauf dieser Ereignisse zeigt sich, wie leicht es ist, als Palästinenser hinter Gitter zu kommen, Opfer eines Racheakts zu werden. Aber auch David als Vertreter und Akteur der Besatzungsmacht ist weniger frei, als er dachte.

Israelis und Palästinenser pflegen in Jerusalem offenbar kaum private Kontakte – zusätzlich zur physischen Mauer zwischen den Stadtteilen trennt sie auch eine Mauer in den Köpfen. Das merkt Sarah, als sie sich ihrer Café-Mitarbeiterin Ronit (Rebecca Esmeralda Telhami) anvertraut, die findet, eine Affäre sei völlig in Ordnung, nicht jedoch mit einem Palästinenser. Sarah und Saleem wirken so naiv wie Adam und Eva vor der Vertreibung aus dem Paradies, sie haben sich einfach nichts Böses gedacht und müssen dann plötzlich Verantwortung übernehmen für die Schuld, die ihnen das System aufbürdet. Sie haben sich nicht innerhalb der vorgeschriebenen Grenzen bewegt. Die schnörkellos erzählte, aber dramatisch-beklemmende Geschichte zieht dennoch einen einigermaßen optimistischen Schluss. Die Verständigung und Annäherung von Palästinensern und Israelis muss von den einzelnen Menschen ausgehen. Und wie so oft im Leben sind es auch in diesem Film die Frauen, die zwischen den verhärteten Fronten das Gespräch suchen und neue Brücken schlagen.

Der Fall Sarah & Saleem (2018)

Die Affäre zwischen einem verheirateten Palästinenser und einer verheirateten Israelin in Jerusalem bekommt plötzlich eine politische Dimension, als die beiden gemeinsam zur falschen Zeit am falschen Ort gesehen werden. Und plötzlich geht es um viel mehr als nur um zwei gescheiterte Ehen …

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