Der Engel mit den dunklen Flügeln

Eine Filmkritik von Kirsten Kieninger

Weinreben, Engelsflügel und das große Ganze

Mit dieser Literaturverfilmung hat die neuseeländische Regisseurin Niki Caro sich ordentlich was eingeschenkt. Denn der Roman Der Engel mit den dunklen Flügeln von Elizabeth Knox hat es in sich: Es geht um Weinanbau und Familienglück, Leidenschaft und Bitterkeit, Adel und Armut, Erfolg und Verlust, Himmel und Hölle, Realität und Phantastik, Leben und Tod. Kurz gesagt: es geht um das Ganze. Einen runden Film daraus machen zu wollen, ist eine veritable Herausforderung. Niki Caro hat sie angenommen – und man hat ihr durchaus zutrauen dürfen, diese zu meistern. Schließlich hat sie schon 2002 mit ihrem preisgekrönten Film Whale Rider bewiesen, das sie mythische Geschichten überzeugend und emotional packend auf die Leinwand bringen kann. Der Engel mit den dunklen Flügeln ist als Roman preisgekrönt und erfolgreich, warum sollte sie es also nicht mit dieser Geschichte versuchen:
Ein Dorf im Burgund des 19. Jahrhunderts. Sobran Jodeau (Jérémie Renier), Sohn eines Weinbauern, ist nicht zufrieden mit dem Wein, der im Adelsgut, für das er schuftet, gekeltert wird. Nachts erscheint ihm im Weinberg plötzlich der Engel Xas (Gaspard Ulliel). Sobran geht mit ihm einen Pakt ein: der Engel lehrt ihn, seinen eigenen Weg zu gehen und was guten Wein wirklich ausmacht, dafür muss Sobran ihm einmal im Jahr berichten, wie sein Leben läuft. Mit Celeste (Keisha Castle-Hughes) heiratet er die Frau, die er leidenschaftlich liebt. Sie bekommen Kinder, er hegt und pflegt seine Reben. Als der alte Gutsbesitzer stirbt, holt Baronesse Aurora de Valday (Vera Farmiga) Sobran als leitenden Winzer an das Château. Sein Wein wird besser und besser, die Jahre vergehen und Schicksalsschläge bleiben nicht aus. In Sobras erwacht Argwohn gegenüber dem Engel, seine wichtigsten Lektionen über den Wein (und das Leben) muss er noch lernen.

Ein Weinberg als Metapher für das Leben, ein Winzer zwischen zwei Frauen und einem männlichen Engel, eine Geschichte, die sich fast über ein ganzes Menschenleben erstreckt – das klingt nach großem Gefühlskino mit Anspruch. Ist es auch, nur scheitert der Film leider an der konsequenten Umsetzung. Dabei sind die „Anbaubedingungen“ eigentlich gut, im Einzelnen wirkt alles handverlesen: Mit Drehbuchautorin Joan Scheckel hat Niki Caro schon bei Whale Rider erfolgreich zusammengearbeitet. Die Schauspieler-Riege kann sich sehen lassen: Vera Farmiga ist wirklich herausragend als Baronesse, Gaspard Ulliel verleiht dem Engel sanfte Tiefe und dunkles Geheimnis, Keisha Castle-Hughes wurde für ihre Hauptrolle in Whale Rider für den Oscar nominiert, als Frau des Winzers allerdings bleibt sie etwas farblos. Jérémie Renier schaut man als sympathischem Winzer gerne dabei zu, wie er sein Leben zu meistern versucht. Die Drehorte sind eine Augenweide, der Film ist schön fotografiert, auch die kleinsten Details des Lebens auf dem Weinberg werden ins Bild gerückt: Käfer krabbeln, die Knospen der Reben sprießen.

Doch das große Ganze schaut man sich streckenweise recht ratlos an. Aus den einzelnen Versatzstücken will einfach kein Bouquet werden, das einen besonderen Geschmack, einen anhaltenden Zauber entfalten würde. Ein Engel, der mitsamt seiner Flügel nicht aus dem Computer kommt, sondern ganz „echt“ ist – das ist eine bezaubernde Idee, gibt aber Xas Erscheinung zu Beginn eine derart hölzerne Theatralik, dass es eine Weile dauert, bis sein Charakter überzeugt. Doch auch dann findet die Erzählung keinen Rhythmus, taumelt wie angetrunken von Landmarke zu Landmarke im Lebenslauf des Winzers. Das Vergehen der Jahre bemerkt man nur daran, dass der Engel schon wieder auftaucht, schnell ist auch mal eine ganze Dekade vorbei gehuscht, wie bei der Nennung des Weinjahrgangs unvermittelt klar wird. Und viel zu selten entwickelt sich innerhalb einer Szene eine wirkliche Intensität, auch wenn die gefühlige Filmmusik das durchgängig suggerieren will. Das ist schade, denn eigentlich hätte man sich gerne ganz mitreißen lassen, von dem charmant schwebenden Melodrama mit viel Menschlichkeit und etwas philosophischem Tiefgang, das die Verfilmung von Der Engel mit den dunklen Flügeln hätte sein können.

Der Engel mit den dunklen Flügeln

Mit dieser Literaturverfilmung hat die neuseeländische Regisseurin Niki Caro sich ordentlich was eingeschenkt. Denn der Roman „Der Engel mit den dunklen Flügeln“ von Elizabeth Knox hat es in sich: Es geht um Weinanbau und Familienglück, Leidenschaft und Bitterkeit, Adel und Armut, Erfolg und Verlust, Himmel und Hölle, Realität und Phantastik, Leben und Tod. Kurz gesagt: es geht um das Ganze.
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