Der Duft der grünen Papaya (1993)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Die Entdeckung der Langsamkeit

Sie ist noch ein Kind, als sie sich auf den Weg aus ihrer dörflichen Heimat in die die vietnamesische Hauptstadt Saigon aufmacht. Es ist das Jahr 1951, als der Film einsetzt und seinen ganz eigenen Zauber entfacht. Mùi (als Kind gespielt von Man San Lu), so lautet der Name des Waisenkindes, findet eine Anstellung als Dienerin im Hause einer begüterten Familie, die aus drei Generationen besteht, dem Vater (Ngoc Trung Tran), der Mutter (Thi Loc Truong) sowie der Großmutter (Thi Hai Vo) und den drei Söhnen. Unter der Anleitung der älteren Bediensteten Ti (Anh Hòa Nguyen) lernt Mùi all die Handgriffe und kleinen Tricks, mit denen sie zu einer perfekten und vollkommen anspruchslosen Dienerin wird. Für die Mutter, die vor kurzem eine Tochter verloren hat, wird Mùi zu einer Art Ersatztochter. Die derben Späße der Söhne und die familiären Konflikte innerhalb der Familie ihrer Herrschaften machen das Leben für das Mädchen, das im Laufe der Zeit zu einer schönen jungen Frau (später gespielt von Trân Nu Yên-Khê) heranreift, aber zu einer Qual, die Mùi jedoch stumm erträgt.

Erst als Mùi nach dem Auseinanderbrechen der Familie in den Dienst des Komponisten Khuyen (Hoa Hoi Vuong) wechselt, wird sich ihr Leben zum Besseren wenden, denn die beiden kennen sich schon lange und Mùis stumme Liebe zu dem Musiker findet bald Erwiderung.

1993 in Cannes mit dem Preis Caméra d’Or für das beste Erstlingswerk ausgezeichnet (zudem war der Film als bester nicht-englischsprachiger Film für einen Academy Award nominiert), ist Der Duft der grünen Papaya definitiv einer jener Filme der 1990er Jahre, den es wiederzuentdecken gilt. Mit sparsamen Dialogen, dezent eingesetzter Musik und betörend sinnlichen Bildern besticht der Film auch heute noch nach beinahe 20 Jahren durch seine Subtilität und wohltuende, beinahe kontemplative Langsamkeit, die er förmlich zelebriert.

Eigentlich wollte der selbst aus Vietnam stammende und in Frankreich lebende Regisseur Tran Anh Hung seinen Film in seiner früheren Heimat drehen, doch die verwickelten Umstände des Drehs sorgten schließlich dafür, dass der Film zur Gänze in einem Studio in Paris entstand – ein Umstand, den man dem Film in keiner Sekunde auch nur andeutungsweise anmerkt. Vielmehr fühlt man sich in den kunstvoll arrangierten Settings schnell zuhause, zumal die dezente Künstlichkeit, mit der Tran Anh Hung seine Szenerie ausstattet, immer wieder von hinreißenden Naturdetails unterbrochen wird.

Trotz seiner klaren zeitlichen und geographischen Verortung wirkt Der Duft der grünen Papaya weniger wie die Beschreibung sozialer Schranken und Hierarchien als vielmehr wie ein wunderbares Märchen voller Poesie und traumhafter Stimmungen, in die man sich regelrecht hineinfallen lassen und darin schwelgen kann. Zum Träumen schön.
 

Der Duft der grünen Papaya (1993)

Sie ist noch ein Kind, als sie sich auf den Weg aus ihrer dörflichen Heimat in die die vietnamesische Hauptstadt Saigon aufmacht. Es ist das Jahr 1951, als der Film einsetzt und seinen ganz eigenen Zauber entfacht.

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Meinungen

Franz Weninger · 23.12.2021

Einer der beaten Filme, die es gibt