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Der Inder Vasant Lad hat seit den 1980er Jahren die ayurvedische Heilkunst im Westen bekannt gemacht. Der Dokumentarfilm nähert sich seiner Philosophie über ein persönliches Porträt an.

Der Doktor aus Indien (2018)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Die geheime Sprache der Pulse

Die indische Gesundheitslehre Ayurveda hat eine 5000 Jahre alte Tradition und gilt somit als älteste ganzheitliche Heilkunde der Welt. Der Begriff Ayurveda stammt aus dem Sanskrit und bedeutet übersetzt „Wissen vom Leben“ und meint ein Dasein im Einklang mit der Natur. Als der studierte ayurvedische Arzt Dr. Vasant Lad 1979 die USA besuchte, war Ayurveda im Westen noch so gut wie unbekannt. Doch seine Vorträge fanden eine begeisterte Zuhörerschaft.

Seine Schüler bauten nach seinen Anleitungen das erste Ausbildungsinstitut im Land auf, das Ayurvedic Institute in Albuquerque, dessen Leiter Lad noch heute ist. Der Dokumentarfilm von Jeremy Frindel (One Track Heart: The Story of Krishna Das) porträtiert diesen einflussreichen Vertreter der ayurvedischen Heilkunde, der im Alter von 75 Jahren immer noch an seinen beiden Wohnorten in den USA und im indischen Pune praktiziert und lehrt.

Die Kamera begleitet Vasant Lad in seine Praxis in Pune, vor deren Tür sich bereits eine kleine Warteschlange gebildet hat. Termine werden nicht vergeben, die Behandlung ist kostenlos. Lad erklärt, dass viele seiner Patienten, die auch vom Land kommen, keinen anderen Zugang zu medizinischer Versorgung haben. Lad fühlt den Puls, beziehungsweise verschiedene Pulse am Unterarm seiner Patienten, diktiert seinen Assistenten Befunde wie „Vata 2, Pitta 3“. Später im Film befühlt er in Albuquerque den Puls einer Patientin, sagt ihr, dass ihr Cholesterinspiegel hoch sei. Sie bestätigt den Befund. Es verblüfft, wie viel Lad allein über die Pulse erkennen kann, manches wirkt gar unmöglich, aber Lad besteht darauf, dass dahinter eine Wissenschaft stecke. So meint er, an den Unterarmen eines Menschen auch die Pulse seiner Eltern zu spüren oder bei einer schwangeren Frau das Geschlecht des Kindes.

Wiederholt ist im Film die Rede davon, dass Lad in Amerika auch auf Vorbehalte stieß. Ayurvedische Ärzte bekommen in Amerika keine Zulassung, was Lad sehr bedauert. Er ist überzeugt, dass Ayurveda auch bei Aids helfen kann. Der Film bietet auch eine kurze Einführung in die ayurvedische Heilkunde und ihre Theorie, flankiert von animierten Grafiken. Diese Erklärung wirkt sehr verständlich und konzise als Lehre vom Ungleichgewicht der Energien, das ursächlich für Krankheiten sind. Dennoch scheiden sich an ihr vermutlich die Geister der Zuhörerschaft. Bringen Jahreszeitenwechsel das individuelle körperliche System in Unordnung? Hat jeder Mensch von Geburt an quasi seine optimale persönliche Kombination der drei Prinzipien Bewegung, Stoffwechsel und Struktur mitbekommen?

Aber Dr. Lad selbst ist alles andere als ein esoterischer Luftikus. Er hat, wie er im Film erzählt, nach der Schule ein reguläres Medizinstudium beginnen wollen, zu dem er aber wegen seines Notendurchschnitts, der einen halben Punkt zu niedrig war, nicht angenommen wurde. Doch der Guru seines Vaters hatte dem stillen Jungen einst prophezeit, er werde Ayurveda in den Westen bringen. So studierte Lad also an der ayurvedischen Universität in Pune, auf der er aber auch die moderne Medizin gelehrt bekam. Diese zweigleisige Ausbildung schätzt er noch heute. Er glaubt, dass die moderne Medizin unersetzlich ist, um beispielsweise bei Notfällen zu helfen. Die ayurvedische Heilkunde müsse Hand in Hand mit ihr praktiziert werden. Es gehe bei ihr um Vorbeugung und auf der spirituellen Ebene um die Aktivierung der Selbstheilungskräfte. Mit Ernährungstipps, verordneten Reinigungskuren und pflanzlicher Medizin, aber manchmal auch nur durch Energieübertragung per Fingerdruck auf den Puls, behandelt Lad seine Patienten. Mit einer Sitzung ist es oft nicht getan, die Therapie erfordert Zeit.

Der Film bringt das ruhige Charisma dieses bescheiden auftretenden Arztes eindrucksvoll zur Geltung. Die Filmmusik, die Rachel Grimes komponiert hat, verstärkt die kontemplative, wohltuende Atmosphäre. Es kommen auch einige wenige Wegbegleiter und Kollegen Lads wie Deepak Chopra, Claudia Welch und andere zu Wort, die unter anderem auf seine Spiritualität verweisen. Dieser Heiler bezieht seine Erkenntnisse nicht nur aus der ayurvedischen Lehre, sondern auch aus dem Yoga, der Meditation und einer generellen Affinität für das Sehen mit dem dritten Auge. Diese ist in der indischen Kultur verbreitet und geschätzt, und lässt sich mit dem westlichen Schubladendenken, das entweder naturwissenschaftlich oder esoterisch ist, sicherlich nicht richtig erfassen.

Gleichgültig, wie man persönlich zur ayurvedischen Lehre steht, allein schon die Beobachtung, wie dieser Arzt praktiziert, überzeugt einen von seinen Fähigkeiten. Insofern steckt viel Wahrheit im Statement seines langjährigen Wegbegleiters Len Blank, dass zwei Ärzte dieselbe Behandlung mit unterschiedlichen Ergebnissen durchführen können. Die Einstellung Lads, lebenslang ein Lernender zu sein, ermutigt, den eigenen Geist vor neuen Impulsen nicht zu verschließen.

Der Doktor aus Indien (2018)

Jeremy Frindel erzählt die Geschichte von der Mission eines Mannes, die alte indische Heilkunst Ayurveda Ende der 70er Jahre in den Westen zu bringen. Der Film zeigt Gespräche unter anderem mit dem Ayurveda-Anwender Deepak Chopra und dokumentiert das Leben und die Arbeit von Dr. Vasant Lad, der seine vom Guru seiner Familie erkannte Bestimmung erfüllte und zu einem Pionier der ganzheitlichen Medizin wurde. 

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