Deep End

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Eine verhängnisvolle Schwärmerei

Man ist fast geneigt, Coming-of-Age-Dramen bis auf wenige löbliche Ausnahmen als Ausgeburt deutscher Filmhochschulen zu halten, in denen das Genre hoch im Kurs steht – nur eben leider oft nicht zum Vergnügen der Zuschauer. Jerzy Skolimowskis überaus sehenswerter Film Deep End aus dem Jahre 1971 gilt gewissermaßen als Urknall oder zumindest als wichtiger Impulsgeber des Genres und ist vor kurzem in Deutschland neu auf DVD veröffentlicht worden. Es ist die Wiederbegegnung mit einem Film, der zumindest in Cineastenkreisen als eines der aufregendsten und besten Werke der 1970er gilt.
15 Jahre alt ist Mike (John Moulder-Brown), der vor kurzem mit der Schule aufgehört hat und nun seinen ersten Job in einem Hallenbad im Londoner East End antritt. Für den pubertierenden Knaben bedeutet dies auch, dass er sich mit seiner erwachenden Sexualität auseinandersetzen muss. Dabei haben es ihm weniger die älteren Damen angetan, die sich für den Knaben interessieren, als vielmehr seine sieben Jahre ältere Kollegin Susan (Jane Asher). Die allerdings hat schon einen Verlobten (Christopher Sandford) und unterhält zudem ein Verhältnis – und zwar ausgerechnet mit Mikes ehemaligem Sportlehrer (Karl Michael Vogler). Den ungeschickten Avancen Mikes begegnet Susan mit schnippischem Selbstbewusstsein – für den Jungen wird die Kollegin immer mehr zu einer Obsession, nach der er sich verzehrt und die er doch nicht erreichen kann, so dass er sich immer mehr in Fantasien hineinsteigert, aus denen er keinen Ausweg mehr findet. Zwar kommt es irgendwann doch zu der ersehnten körperlichen Annäherung, doch diese geschieht merkwürdig beiläufig. Zudem kann Mike es nicht verwinden, dass er Susan niemals dauerhaft lieben kann…

Deep End war Jerzy Skolimowskis erster Film im Exil aus Polen, das der Vertreter der polnischen Nouvelle Vague kurz zuvor verlassen hatte. 1967 hatte er bereits in Belgien den Film Le Départ mit Jean-Pierre Leaud in der Hauptrolle drehen können, für den er den Goldenen Bären bei der Berlinale erhalten sollte. Neben Michaelangelo Antonionis Blow Up wird Deep End vor allem immer wieder mit Ekel von Roman Polanski verglichen. Tatsächlich aber ist Deep End mit seiner Beschränkung auf gerade mal drei Settings, seiner teilweise surrealistischen anmutenden Kraft und dem überaus interessanten Score, der von Cat Stevens und der deutschen Krautrock-Formation Can stammt, ein sehr eigenständiges und überaus originelles Meisterwerk, das bei aller Nostalgie, die der verwaschene Look des Films auch heute noch ausstrahlt, in all den Jahren nichts von seiner suggestiven Kraft, seiner knisternden erotischen Atmosphäre und von seiner Konsequenz verloren hat.

Bemerkenswert ist zudem, wie Skolimowski deutsche Darsteller (Teile des Films wurden in den Münchner Bavaria-Studios gedreht) und britische Schauspieler zusammenführt und sie zu einem Ensemble formt, das wie aus einem Guss wirkt. In den frühen 1970ern waren solche länderübergreifenden Koproduktionen nämlich eher die Ausnahme als die Regel.

Trotz all dieser Stärken und überschwänglicher Kritiken war Deep End bei seinem Kinostart vor vierzig Jahren kein Erfolg vergönnt, der stellte sich erst im Lauf der Jahre in Gestalt eines Daseins als Kultfilm für Eingeweihte ein. Schön, dass die DVD-Veröffentlichung nun die Gelegenheit dazu gibt, dieses Juwel des europäischen Autorenfilms wieder zu entdecken – und sei es nur auf dem heimischen Fernseher.

Ergänzt wird die DVD mit ausführlichem Bonusmaterial wie etwa einem 74 Minuten langen Making Of und einem Featurette mit Deleted Scenes sowie dem englischen Trailer und einer Bildgalerie, das unter anderem Werbematerial enthält. Einziger Wermutstropfen dieser gelungenen DVD-Veröffentlichung ist die fehlende deutsche Untertitelung des überaus gelungenen Making Ofs. Angesichts der Freude über diese Perle kann man diesen kleinen Fauxpas aber leicht verschmerzen.

Deep End

Man ist fast geneigt, Coming-of-Age-Dramen bis auf wenige löbliche Ausnahmen als Ausgeburt deutscher Filmhochschulen zu halten, in denen das Genre hoch im Kurs steht – nur eben leider oft nicht zum Vergnügen der Zuschauer. Jerzy Skolimowskis überaus sehenswerter Film „Deep End“ aus dem Jahre 1971 gilt gewissermaßen als Urknall oder zumindest als wichtiger Impulsgeber des Genres und ist vor kurzem in Deutschland neu auf DVD veröffentlicht worden.
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